Wenn ich die Tonfolge kenne, dann kann ich es mir natürlich vorstellen, aber nicht wenn ich unbekannten Notentext vor mir habe. Unbekannte Stücke klimpere ich einmal durch, wenn ich sie mir nicht sofort merke, singe (oder summe, brumme, pfeife) ich sie nach und dann kann ich mir sie natürlich auch vorstellen.
ja, das ist ganz alltäglich so, jedenfalls am Anfang (also mach Dir mal keine Sorgen)
Aber damit Du nicht irritiert wirst:
"Klangvorstellungsvermögen" beinhalt viel viel mehr, als lediglich bei unbekannten Noten die Melodie vom Blatt singen oder spielen zu können - vereinfacht gesagt bedeutet dieser Begriff, dass man (ob mit, ob ohne Noten) sämtliche Stimmen, Nuancen, Klangfarben, Harmonien usw. im Tempo innerlich wahrnehmen, also polyphon denken kann
und dass man dabei in der Lage ist, auch Änderungen am vorgestellten Klangbild wahrzunehmen bzw. zu denken.
Das kann man erlernen, aber das dauert einige Zeit und braucht viel Erfahrung, viel Praxis.
Eine weitere Grundlage, die auch einige Zeit braucht, bis man über sie verfügt, ist die gründliche Kenntnis der Tasten - und dazu
muss man sie anfangs nicht benennen und wie Buchstaben lesen können (also his=c=deses, hisis=cis=des, cisis=d=eses, dis=es=feses usw usw. braucht man sich nicht aufsagen!!).
Aber man lernt eine ganze Menge, wenn man eine einfache Melodie (z.B. ein Weihnachtslied oder die ersten 4 Takte Bach d-Moll Menuet) von jeder der 12 Tasten aus
über das Hören zu spielen versucht (das nennt man transponieren). Versucht man z.B. besagtes Menuet mit einer völlig anderen Taste als a zu beginnen, z.B. mit cis, dann muss man die einzelnen Bausteine der Melodie (die einzelnen Intervalle) "im Ohr" haben, jedenfalls so, dass man Abweichungen (falsche Töne) wahrnimmt. Auch hier ganz langsam Ton für Ton. Wenn man mag, kann man sich dabei ein paar Gedanken darüber machen, wie die jeweiligen Intervalle zwischen den Tönen heissen.
Diese Art Experimentieren mit dem eigenen Gehör und dem eigenen Tastsinn hat den Vorteil, dass man sich von eventuellen Griffbilder (aha: das d-Moll Menuet braucht a1-cis2-d2-e2-f2 am Anfang, sonst nichts) als Erinnerungsstütze lösen kann.
Gruß, Rolf