Nervosität beim Aufnehmen

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St. Francois de Paola

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20. Apr. 2015
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Ich weiß nicht wie es euch geht. Ich habe wenig Probleme damit vor Publikum zu spielen (vorausgesetzt, ich habe dem Anlass entsprechend geübt).
Aber sobald ein Aufnahmegerät läuft, passiert irgendetwas in mir, ich werde vor Nervosität fast irre - ganz gleich, ob am Klavier oder an der Orgel.
Ich habe jetzt netterweise von einem Presbyter, der sehr teure hochwertige Aufnahmetechnik und Übung besitzt, das Angebot bekommen, mein ordentlich geübtes Stück (BWV 541) aufzunehmen und dazu aus verschiedenen Kamerawinkeln zu filmen.
Sowohl Fuge als auch Präludium gelingen mir beim Üben längst nicht immer, aber regelmäßig fehlerfrei. Ich habe eigentlich gedacht, ich hätte gut geübt, ich spiele das drei bis vier mal und habe dann eine Aufnahme mit fast professionellem Spielniveau meinerseits. Weit gefehlt. Ich war innerlich pausenlos auf 180. Oft hab ich schon nach 1-2 Takten falsche Töne gespielt und ewig gebraucht, bis ich überhaupt mal das Präludium durchgespielt habe. Erst, als die Zeit vom Bekannten knapp wurde, fing es an etwas besser zu laufen. Trotzdem habe ich einen oder zwei falsche Töne im Präludium angetitscht, die Artikulation ist etwas schwammig, der Rhythmus nicht 100% präzise.
In der Fuge habe ich gleich auf der ersten Seite zwei Töne im Pedal voll daneben gesetzt und auch im weiteren Verlauf zumindest noch ein paar kleinere Antitscher von falschen Tönen oder unabsichtliche Überbindungen. Das Fugenthema ist oft zu unpräzise, insgesamt fehlt irgendwie die Klarheit. Man spürt einfach nicht, dass ich das Stück verstanden habe. Ich werde trotz allem die Aufnahme die Tage mal hochladen, damit ihr wisst was ich meine.
Im Übrigen ist das bei mir auch vom Ausdruck des Stücks abhängig, wie nervös ich bin. So eine Bachfuge ist dafür besonders kritisch, die hat immer dieses vorwärts Treibende. Ein ruhiges Stück beruhigt auch etwas.

Habt ihr da irgendein System, wie ihr in so einer Situation gleichzeitig fokussiert und dabei nicht extrem nervös sein könnt?
 
Mir geht es ganz genauso. Sobald die Kamera läuft, denke ich dran, lasse mich ablenken, werde nervös, mache Fehler. Da gibt's bestimmt eine ganze Menge Psychobastelei, bis jetzt half mir aber am besten, es einfach wie eine weitere Fähigkeit zu üben, d.h. viel aufzunehmen. Es wurde dadurch schon deutlich besser.
 
Ich kenne das auch von meiner Tochter. Die Psychologie dahinter habe ich noch nicht durchschaut, denn wenn sie im vollen Saal vor Publikum spielt und weiss, dass auch eine Kamera mitläuft, ist das überhaupt kein Problem. Wenn sie aber alleine eine Aufnahme machen muss, dann artet das ganz schnell in Heulen und Türenschlagen aus und es geht garnichts mehr. So eine Aufnahmesession ist eine echte Qual für allen Beteiligten und dauert dann Stunden, bis irgendwann was halbwegs passables im Kasten ist.

Ich weiss noch immer nicht, wie man damit am besten umgeht. Eine Zeit lang hinlegen hilft ein bisschen, aber nicht durchgängig. Vielleicht sollte ich bei der nächsten Aufnahme mal einen Livestream einrichten und ein paar Leute zum Zuschauen einladen...?
 
Die Psychologie dahinter habe ich noch nicht durchschaut,
Mein küchenpsychologischer Erklärungsansatz: Beim Spiel vor Publikum geht es primär ums "hier und jetzt". Und es ist dann, wie es eben ist. Das akzeptiert man dann. Das Streben nach Perfektion findet "natürliche" Grenzen. Wenn ein Fehler passiert, hat man keine Zeit, darüber nachzudenken. Lohnt ja auch nicht. Man will ja ordentlich weiter spielen.

Wenn bei einer Aufnahme ein Fehler passiert, denkt man "Mist, Aufnahme verhauen. Ich muss es noch mal versuchen." Die Spannung sinkt. Der Rest wird auch mies, weil man ja eh weiß, dass man es noch mal machen will.

Wie man da raus kommt? Keine Ahnung. Vielleicht wirklich ungefähr so, wie Du es beschreibst: Du setzt Dich bei der Aufnahme daneben und versuchst Deiner Tochter klarzumachen, dass es jetzt nicht um die Aufnahme geht, sondern darum, Dir das Stück so gut vorzuspielen, wie es gerade nötig ist.
 
Musik ist immer auch Kommunikation. Mit den Zuhörern, vielleicht auch nur mit sich selber. Wer die geschilderten Probleme hat, zerstört sich diese flüssige interaktive Situation, weil er glaubt ein perfektes Ergebnis produzieren zu müssen.
Dabei entstehen gar keine zeitlosen Aufnahmen mit Ewigkeitswert sondern immer nur Mitschnitte des Hier und Jetzt, die letztlich wieder der Kommunikation mit anderen Menschen dienen.
Etwas, das helfen könnte, wäre sich bei der Aufnahme bereits vorzustellen, für wen man jetzt aufnehmen wird. Ich weiß nicht, wie alt Deine Tochter ist, Kalivoda, aber bei der nächsten Aufnahme vorher sagen: heute nehmen wir etwas für Oma auf, das wir ihr zu Weihnachten schenken wollen, könnte verdeutlichen, dass die Aufnahme nur ein Medium ist und kein unerbittlicher Zuhörer.
Eine andere Möglichkeit wäre, sich gemeinsam zu überlegen, welche Laune das Mikrofon gerade hat, ist es gerade ein miesgrämiger, beckmesserischer Kritiker oder ein gut gelaunter, freundlicher Zuhörer.
 
Meine Tochter ist 15 und die Aufnahmen sind für die Vorrunden von Wettbewerben oder für Bewerbungen bei Meisterkursen. Oft kann man dafür einfach Konzertaufnahmen recyclen, aber leider nicht immer.
 
Ich vermute dahinter eine Diskrepanz zwischen der gewohnten (eingeübten) Konzentration und der plötzlichen "richtigen" Konzentration sobald bewusst der Aufnahmeknopf leuchtet.
 
Fünfzehn ist ein schwieriges Alter, die obigen Vorschläge sind natürlich für Jüngere gedacht - oder für Erwachsene, die einen Bezug zu ihrem inneren Kind herstellen können - das geht in der jugendlichen Übergangszeit (um nicht das negative behaftete Wort Pubertät zu verwenden) nur in Ausnahmefällen. Es ist auch schwer etwas zu raten, da Interventionen in dem Alter schnell paradoxe Effekte haben können. Aus der Ferne nur ganz vorsichtig: es könnte helfen, mit ihr in einem entspannten Moment zu thematisieren, warum das Mikrofon eine solche Macht über sie hat (ein wenig magisches Denken ist immer gut). Dann geht es nämlich nicht mehr um die existentielle Frage, ob sie überhaupt jemals gut genug spielen kann oder nicht (was ich mir beim Türknallen als Gedanken vorstelle), sondern darum, was in der konkreten Situation passiert.
 
Seit einigen Wochen mache ich vermehrt Aufnahmen von meinem Spiel, am Anfang bin ich jedes mal aufgesprungen mit dem Gedanken" " Sch...Aufnahme verkackt."
Das hat mich immer nervöser gemacht.
Inzwischen lasse ich einfach laufen, es sei denn es ist zuviel Mist hintereinander, dann starte ich nochmal. Der Vorteil bei digitalen Aufnahmen ist ja, dass man keine teures Filmmaterial unnütz verbraucht, Voraussetzung ist nur genügend Speicherplatz. Den ganzen Murks vor der zufriedenstellenden Aufnahme schneide ich dann einfach raus, fertig, penn, aus.

Mich hat das inzwischen deutlich lockerer werden lassen. Da diese Aufnahmen eh für meinen KL sind, sind mir einzelne Verspieler inzwischen auch wurscht, wenn der Rest ansonsten flüssig gelaufen ist. Die stören meinen KL auch absolut nicht, ganz im Gegenteil, er ist super zufrieden mit mir, dass ich inzwischen trotz Verspieler einfach weiter machen kann. Das war in meiner Anfangszeit noch ganz anders. Seitdem ich häufig Aufnahmen mache, klappt es auch im Unterricht deutlich besser mit dem Vorspielen.

Nur vor anderem Publikum traue ich mich noch nicht, dabei ist es mir ansonsten egal, ob mich meine Nachbarn oder meine Familie im Haus hören, aber wehe mein Mann setzt sich mal bewusst zum Zuhören dazu....dann ist es, als ob ich noch nie an den Tasten gesessen habe. :cry2:
 

Nur vor anderem Publikum traue ich mich noch nicht, dabei ist es mir ansonsten egal, ob mich meine Nachbarn oder meine Familie im Haus hören, aber wehe mein Mann setzt sich mal bewusst zum Zuhören dazu....dann ist es, als ob ich noch nie an den Tasten gesessen habe. :cry2:
Dann sollte er das häufiger machen. ;-) Ich befürchte, Vorspielen lernt man nur durch Vorspielen.
 
Aber wenn man immer einfach laufen lässt, müsste man ja den ganzen Kladderadatsch dauernd mitschleppen und Aufbauen.
 
sobald ein Aufnahmegerät läuft, passiert irgendetwas in mir, ich werde vor Nervosität fast irre

Oh. Das kenne ich auch zu gut. Wie in den obigen Beiträgen geschrieben, ist es vergleichbar mit Zuhörern und nicht jeder Klavierspieler ist so souverain das er dabei ungerührt in die Tasten hauen kann.
Irgendwann vor einiger Zeit ist sowas ähnliches hier im Forum schon mal thematisiert worden und ein Mitglied, leider vergessen wer es war, hat vorgeschlagen das Stück einfach mit dem Handy aufzunhmen. Habe auch nicht das allerstabilste Selbstwertgefühl und dachte das probier ich doch mal aus.

Am Anfang war das nervenraubend. Gut das diese Idee im Lockdown aufgetaucht war und ich mangels anderer Zeitvertreibe deshalb Zeit übrig hatte.
Gut geübtes Stück vorher mental nochmal fokusiert. Telefon auf profisorische Halterung montiert. (Notenständer! Mit Blumendraht fixiert.) Aufnahmeknopf gedrückt, im dritten Takt unsicher geworden. Aufgehört. Telefon aus der Halterung genommen. In den Anschaumodus gewechselt, angesehen, gelöscht.
Telefon erneut auf den Notenständer gepfriemelt. Aufnahme gestartet. Linke Hand auf den ersten Akkord, mit rechts Aufnahme gestartet. Mist. Das dumme "E" erwischt, nicht das "D". Aufnahme gestoppt, diesmal nicht angesehen, weil Situation ja klar war.
Telefon weiter in Halterung. Erneut Aufnahme gestartet. Im 12 Takt nimmer weiter gewußt. Aufgehört. Gleiche Prozedur wie vorhin.
Nochmal von vorn, kleines Gebet ausgesprochen das es diesmal funktioniert. Hat geholfen, bin durchgekommen. Wollte schon frohlocken, dann plingt in der letzten Sekunde eine Nachricht aus einem Messenger rein. Oskarwürdig meine Haltung und Miene in dieser Aufnahme.

Habe zwei Nachmittage mit dieser Sache verbracht. Konnte im übrigen das Stück danach sehr gut auswendig spielen.
Wichtig aber ist, das man wirklich dadurch abgebrühter wird. Und es zunehmend weniger ausmacht aufgenommen zu werden.
Ich habe das ganze noch getoppt in dem ich die Aufnahme am Ende in meinem Klavieraccount auf Instagram veröffentlich habe. Das heißt mein bescheidener Versuch, weil ich nach zwei Jahren ja noch immer Anfänger bin, wurde für die Öffentlichkeit freigegeben habe. Fühlte mich stark genug um auch Kritik entgegen zu nehmen.

Inzwischen besitze ich eine richtige Halterung mit Beinen zum Ausziehen, habe mir sogar so ein Ringlicht für eine bessere Beleuchtung besorgt und überlege jetzt auch noch ein kleines Mikrophon zu kaufen, weil das Handymic eher ziemlich schepprig klingt.

Hätte vor ein paar Monaten niemals im Leben von mir gedacht, das ich solche Sachen mache. :chr02:
 
Zuletzt bearbeitet:
Das lasse ich auch ab und dann laufen, um z.B. zu kontrollieren, ob ich das Tempo halte etc. Aber auch das macht schon ein wenig nervös. Aber je mehr Aufwand, desto nervöser.

Dann einfach den Kompromiss immer mitnehmen. Das heißt bei mir: Handykamera plus tragbaren Minidigitalrecorder und winzige, aber brauchbare Mikrofone. Das ist Grundmaterial, das ich immer im Rucksack habe und jederzeit innerhalb von 2 Minuten einsatzbereit ist.

Man merkt ja auch schon recht schnell, ob man überhaupt in der Stimmung ist, etwas aufzunehmen, aber wenn ja, dann ist das gut und brauchbar. Sieht und hört sich dann so an:


View: https://drive.google.com/file/d/12dHXjnzWRMZm3LAcVUIc6zKqxvvbHjoz/view?usp=sharing


Das ist quick and dirty, das ich nutze, um Fortschritte zu dokumentieren und dann irgendwann entscheide, dass ich richtige Kamera und richtige Mikrofone mitnehme, weil's vorerst einmal gut genug ist..
 
@OE1FEU, das ist ja eine wirklich sehr schöne Aufnahme, vielen Dank!!! Der Bechstein klingt ja erstaunlich gut und nicht ganz so bright, wie ich es oft gehört habe (oder es liegt an Deinem Spiel ;-). Ist das eine (Halb-)Konzerter-Länge? Toller Bass.
Was sind das für Mikros und wo hast Du sie positioniert?

Mir geht es bei Aufnahmen auch so, dass ich anfangs bei jedem Ton überlege, wie er wohl auf der Aufnahme klingt und bringe mich dadurch nur selbst aus dem Spiel. Der "Trick" bei mir ist daher, dass ich niemals nur ein Stück oder nur 5 Minuten aufnehme, sondern mir einfach viel Zeit nehme. Ein halber Tag Minimum. Dann nehme ich so 10-15 Stücke auf. Die Hälfte gelingt dann nicht, aber die andere Hälfte speichere ich dann langfristig ab.

Das war so als ich "meinen" Steingraeber gesucht und gefunden hatte. Da habe ich 3-4 Stunden Probespielen dürfen und einfach alles aufgenommen. 4 Stücke bekomme ich nie besser hin, einiges war Mist und manches für mein Spiel OK. Damit kann ich als Amateur gut leben und ich muss ja niemand die weniger gelungenen Stücke vorspielen ;-)

Nie vergessen werde ich als wir in jungen Jahren im Aufnahmestudio eine CD produziert hatten. Wir hatten ein teures Studio für 2 Tage gemietet und vorher ein paar Auftritte zum Üben. Beim ersten Stück war ich so aufgeregt, dass ich danach erstmal die Tastatur reinigen musste. Ich verstand nicht, warum ich so aufgeregt war, der Tonmeister war super supportive. Dann hatten wir einfach 5 verschiedene Stücke hintereinander aufgenommen und mit jedem wurde es ruhiger und besser. Natürlich etwas weniger repsonisve sprich steriler als mit Publikum, aber wir waren zufrieden und hatten in den 2 Tagen genug Material für die CD. Es machte dann irgendwann sogar richtig Spaß. Hätte ich nach den ersten Quälereien aufegegeben, wäre es nie was geworden.

Auch wenn das weit vom Konzertniveau der Profis entfernt ist, hilft die Erfahrung vielleicht etwas weiter. Einfach so lange Mist spielen bis es gut wird. Und das wird es irgendwann ;-). Ich würde aber nicht immer das gleiche Stück nehmen, sonst wird man abgenutzt und das Material etwas abwechseln.
 
Ach, ich wollte hier noch etwas schreiben:

Eine, wie ich finde, gute "Zwischenübung" auf dem Weg zur Aufnahme ist es, die Zeit zu stoppen! Da wird nichts aufgezeichnet, aber man möchte sich ja doch bemühen, das Stück einigermaßen gerade und normal zu spielen, sonst dauert es am Ende fünf Sekunden länger als sonst.

Im zweiten Schritt kann man eine Handaufnahme für sich machen.

Im dritten eine, die man jemandem weiterschickt...
 

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