Bassplayer, ich stimme Dir absolut zu. Es macht einen Unterschied ob Zellen ständig durchgeschüttelt werden oder sich der Inhalt dauerhaft der Schwerkraft beugt. Auch für den menschlichen Organismus gibt es solche Theorien - Trampolinspringen als Anti-Aging und sogar als Therapie. Wo ich einen kleinen Einwand habe:
Ich denke, dass hierfür eher wirtschaftliche Erwägungungen eine Rolle spielen. (Noch hoher Wiederverkaufswert, Einsparung einer Generalüberholung, etc. - die Amis waren da schon immer sehr pragmatisch!)
@fisherman: der Wiederverkauf mag damals auch eine Rolle gespielt haben und dürfte heute noch bedeursamer sein, weil Steinway im Laufe der Jahre den Service einschränkte, mit dem die Künstler verwöhnt wurden. Ich gebe aber mal ein paar Zeilen aus S. 134 des Buches wieder, was über die Lebensdauer eines Konzertflügels erklärt wird, wobei ich nicht weiß inwiefern es tatsächlich so ist:
Ende der 50 reiste Clifford Gray (Chef bei Eaton's in Toronto: ein Kaufhaus mit riesiger Klavierabteilung und Konzertsaal) nach New York zu einem Treffen mit dem Leiter der Abteilung Concert & Artist bei Steinway, um über die vielen Klagen der Musiker zu sprechen, die dort Konzerte gaben. Einige der Flügel... waren schon länger als 10 Jahre bei Eaton's. Steinway stimmte zu, dass sie alle gegen neue Instrumente ausgetauscht werden sollten. Grays Beschwerde entsprach der Philosophie von Steinway, dass ein Flügel im Allgemeinen nach sechs oder sieben Jahren nicht mehr für den Konzertsaal zu gebrauchen ist. Man wusste, dass ein Konzertpianist ein Instrument haben wollte, das auf dem Höhepunkt seiner Leistungsfähigkeit war, reif genug, aber nicht hinüber. Zehn Jahre war das äußerste für die professionelle Lebensdauer eines Konzertflügels.
Weg von den Absichten Steinways zum eigentlichen Thema:
Ich war über diese Zeilen, die ich ähnlich wie ein Baron aus Bayern aus urheberrechtlichen Gründen geringfügig verändert habe, sehr überrascht, weil es ziemlich krass klingt. Man beachte, dass Gould später viele Aufnahmen auf einem der ausrangierten Konzertflügel einspielte, der schon 15 Jahre ununterbrochen im Konzertbetrieb benutzt worden war und ständig von erfahrenen Technikern gewartet worden war. Aber Gould brauchte natürlich selten ein forte Fortissimo.
Vor einem Jahr war ich bei einem Klavierhändler, der zwei Steinway-Klaviere (V125) in der Ausstellung stehen hatte. Ein neues und ein komplett generalüberholtes (Wirbel, Hämmer, auch neubesaitet, sogar neu lackiert) aus den 50ern. Ich merkte mit meinen unerfahrenen Ohren beim Spiel einer Invention von Bach praktisch keinen Unterschied, wobei ich damit ja auch nicht die Dynamik des Instruments ausloten konnte. Der Händler (und Klavierbaumeister) erklärte mir aber, dass das ältere Klavier nicht die "Spritzigkeit" des neuen besitzt, aber dafür mit den Jahren an Tiefe im Klang gewonnen hat. Und ihn halte ich nicht für einen Metaphysiker, sondern für einen erfahrenen Klavierbauer, der weiß was er hört und wovon er spricht. Für mich kann das nur mit Veränderungen des Resonanzbodens zu tun haben, die auch mit den beim Spielen verursachten Schwingungen zu tun haben müssen und nicht nur durch Veränderungen im Wassergehalt verursacht werden. Goulds CD 318 wurde von vielen Konzertpianisten Ende der 50er nicht mehr ausgewählt, weil ihm nach meiner Interpretation etwas von dieser Spritzigkeit fehlte, während er seinem späteren Eigentümer, der eher untypische Anforderungen an ein piano hatte, ein enormes Klangspektrum zur Verfügung stellte.