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Nun feiert man seinen 150.Geburtstag – zu Wasser, zu Lande und in der Luft. Überall im Radio wird das Zeug rauf- und runtergedudelt, bis der Gutwilligste es nicht mehr hören kann: Das hat Eugen d'Albert nun wirklich nicht verdient! Grund genug, eines seiner Zeitgenossen zu gedenken, der im selben Jahr – 1864 – zur Welt gekommen ist: Richard Strauss, ein bajuwarischer Spätromantiker an der Schwelle zur Moderne, eine musikgeschichtlich vielleicht gar nicht so unbedeutende Figur.
Er war ein eminent begabter Kaufmann und hat seine Handelsware (in Eigenproduktion gefertigte Musik) immer geschickt vermarktet. Diese Begabung kam aus der mütterlichen Linie, einer Bierbrauerfamilie, der wir das heute noch beliebte Hacker-Pschorr-Bier zu verdanken haben. Materielle Sorgen kannte er nicht. Er war Initiator und Mitbegründer der Anstalt für musikalisches Aufführungsrecht, einer GEMA-Vorläuferin. Als Komponist und Dirigent bastelte er an einem Netzwerk, aus Kollegen, Interpreten, Intendanten und Agenten bestehend, hingebungsvoll darum bemüht, daß die Auditorien überall im In- und Ausland mit seiner Musik beschallt wurden.
Praktischerweise heiratete er eine Sopranistin, die beste Interpretin seiner Lieder, was den beiden einen beträchtlichen Zugewinn bescherte. Gleichzeitig war diese Frau ein enormer Hausdrache; aber selbst dieses häusliche Elend hat Strauss noch in klingende Münze verwandelt: in zwei Tondichtungen („Ein Heldenleben“, „Sinfonia domestica“) und einer Zeitoper („Intermezzo“). Wieviel von seiner Ehefrau in Opernfiguren à la Herodias oder Klytämnestra eingegangen ist, wird die Richard-Strauss-Forschung klären.
Entgegen weitverbereiteter Vorurteile war Strauss weder Antisemit noch überzeugter Nationalsozialist. Aber es gefiel ihm, daß unter den Nazis die jüdische (Weill, Mahler, Schreker, Zemlinsky, Korngold) und modernistische Konkurrenz verboten wurde, weshalb er 1933 als Präsident der Reichsmusikkammer auch einer der willigen Vollstrecker im Bereich der Kulturpolitik wurde – bis zu seinem erzwungenen Rücktritt 1935, nachdem die Gestapo einen an seinen damaligen Librettisten Stefan Zweig (!) gerichteten, politisch unkorrekt formulierten Brief abgefangen hatte. Der nachfolgende konfuse Rechtfertigungsbrief an ******, mit den Worten „Mein Führer...“ beginnend, ist ein ergreifendes Zeugnis Strauss'scher Wortakrobatik. - Gegen die Ausstellung 'Entartete Musik' erhob er keine Einwände, lästerte nur, daß sein Judenquartett aus der „Salome“ ebenfalls dorthin gehöre, weil es atonal sei – und „Die lustige Witwe“ von Lehár; letzterem gegenüber verspürte Strauss einen unmäßigen Zorn, weil sein „Rosenkavalier“ im Schatten der Lehár-Welterfolge stand.
Mit den Opernlibretti verfuhr er übrigens so, wie man Brot einditscht: Er tunkte den jeweiligen Text unbesehen in die immergleiche Musiksoße. Da konnte es passieren, daß er versehentlich eine Regieanweisung mitvertonte („Der Rosenkavalier“) und den Librettisten bitten mußte, für die betreffende Stelle, weil sie grad so schön gelungen war, noch ein bischen Text nachzuliefern.
Dann versank die Welt um ihn herum in Schutt und Asche – und er vertonte, als wär nichts geschehen, mythologische Stoffe, für Bildungsbürger, Mitläufer und innere Emigranten à la Serenus Zeitblom kenntnisreich aufgearbeitet. Strauss' laufende Opernproduktion – im Durchschnitt alle drei Jahre eine Premiere – war durch nichts aufzuhalten; erst die Bombardements der Alliierten haben ihn gestoppt, als es einfach keine intakten Opernhäuser mehr gab. Daraufhin spielte er Skat.
Erika Mann besuchte ihn 1945 inkognito, in der Uniform einer US-Kriegskorrespondentin, und traf auf einen uneinsichtig-räsonnierenden alten Mann, der nichts anderes im Sinn hatte, als sich über die in seine Villa zwangseinquartierten Mitbewohner zu beschweren.
Kurz vor seinem Tod fuhr er nach England, um die Tantiemen abzuholen, die sich dort während des Krieges angesammelt hatten, und erklärte, es gebe erstklassige und zweitklassige Komponisten, und er sei auf jeden Fall ein erstklassiger zweitklassiger Komponist. Man sollte sich hüten, ihm zu widersprechen, müßte aber hinzufügen, daß sich dieses Scheusal kurz vor dem Sprung in die Kiste noch einmal künstlerisch gewandelt hat: Alle Opernhäuser waren geschlossen, der Bedarf an virtuos orchestrierten Zuckerkantilenen war gleich Null, Deutschland lag in Schutt und Asche, ein rauchender Trümmerhaufen – da besann sich der alte Mann noch einmal auf seine Begabung und komponierte die „Metamorphosen“, das Oboenkonzert, das Duett-Concertino und die „Vier letzten Lieder“ – eine ganz unfaßbare Musik.
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Er war ein eminent begabter Kaufmann und hat seine Handelsware (in Eigenproduktion gefertigte Musik) immer geschickt vermarktet. Diese Begabung kam aus der mütterlichen Linie, einer Bierbrauerfamilie, der wir das heute noch beliebte Hacker-Pschorr-Bier zu verdanken haben. Materielle Sorgen kannte er nicht. Er war Initiator und Mitbegründer der Anstalt für musikalisches Aufführungsrecht, einer GEMA-Vorläuferin. Als Komponist und Dirigent bastelte er an einem Netzwerk, aus Kollegen, Interpreten, Intendanten und Agenten bestehend, hingebungsvoll darum bemüht, daß die Auditorien überall im In- und Ausland mit seiner Musik beschallt wurden.
Praktischerweise heiratete er eine Sopranistin, die beste Interpretin seiner Lieder, was den beiden einen beträchtlichen Zugewinn bescherte. Gleichzeitig war diese Frau ein enormer Hausdrache; aber selbst dieses häusliche Elend hat Strauss noch in klingende Münze verwandelt: in zwei Tondichtungen („Ein Heldenleben“, „Sinfonia domestica“) und einer Zeitoper („Intermezzo“). Wieviel von seiner Ehefrau in Opernfiguren à la Herodias oder Klytämnestra eingegangen ist, wird die Richard-Strauss-Forschung klären.
Entgegen weitverbereiteter Vorurteile war Strauss weder Antisemit noch überzeugter Nationalsozialist. Aber es gefiel ihm, daß unter den Nazis die jüdische (Weill, Mahler, Schreker, Zemlinsky, Korngold) und modernistische Konkurrenz verboten wurde, weshalb er 1933 als Präsident der Reichsmusikkammer auch einer der willigen Vollstrecker im Bereich der Kulturpolitik wurde – bis zu seinem erzwungenen Rücktritt 1935, nachdem die Gestapo einen an seinen damaligen Librettisten Stefan Zweig (!) gerichteten, politisch unkorrekt formulierten Brief abgefangen hatte. Der nachfolgende konfuse Rechtfertigungsbrief an ******, mit den Worten „Mein Führer...“ beginnend, ist ein ergreifendes Zeugnis Strauss'scher Wortakrobatik. - Gegen die Ausstellung 'Entartete Musik' erhob er keine Einwände, lästerte nur, daß sein Judenquartett aus der „Salome“ ebenfalls dorthin gehöre, weil es atonal sei – und „Die lustige Witwe“ von Lehár; letzterem gegenüber verspürte Strauss einen unmäßigen Zorn, weil sein „Rosenkavalier“ im Schatten der Lehár-Welterfolge stand.
Mit den Opernlibretti verfuhr er übrigens so, wie man Brot einditscht: Er tunkte den jeweiligen Text unbesehen in die immergleiche Musiksoße. Da konnte es passieren, daß er versehentlich eine Regieanweisung mitvertonte („Der Rosenkavalier“) und den Librettisten bitten mußte, für die betreffende Stelle, weil sie grad so schön gelungen war, noch ein bischen Text nachzuliefern.
Dann versank die Welt um ihn herum in Schutt und Asche – und er vertonte, als wär nichts geschehen, mythologische Stoffe, für Bildungsbürger, Mitläufer und innere Emigranten à la Serenus Zeitblom kenntnisreich aufgearbeitet. Strauss' laufende Opernproduktion – im Durchschnitt alle drei Jahre eine Premiere – war durch nichts aufzuhalten; erst die Bombardements der Alliierten haben ihn gestoppt, als es einfach keine intakten Opernhäuser mehr gab. Daraufhin spielte er Skat.
Erika Mann besuchte ihn 1945 inkognito, in der Uniform einer US-Kriegskorrespondentin, und traf auf einen uneinsichtig-räsonnierenden alten Mann, der nichts anderes im Sinn hatte, als sich über die in seine Villa zwangseinquartierten Mitbewohner zu beschweren.
Kurz vor seinem Tod fuhr er nach England, um die Tantiemen abzuholen, die sich dort während des Krieges angesammelt hatten, und erklärte, es gebe erstklassige und zweitklassige Komponisten, und er sei auf jeden Fall ein erstklassiger zweitklassiger Komponist. Man sollte sich hüten, ihm zu widersprechen, müßte aber hinzufügen, daß sich dieses Scheusal kurz vor dem Sprung in die Kiste noch einmal künstlerisch gewandelt hat: Alle Opernhäuser waren geschlossen, der Bedarf an virtuos orchestrierten Zuckerkantilenen war gleich Null, Deutschland lag in Schutt und Asche, ein rauchender Trümmerhaufen – da besann sich der alte Mann noch einmal auf seine Begabung und komponierte die „Metamorphosen“, das Oboenkonzert, das Duett-Concertino und die „Vier letzten Lieder“ – eine ganz unfaßbare Musik.
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