Hi, Viola,
darüber läßt sich wunderbar streiten - ganz unpolemisch gesagt -,
und die Gelegenheit will ich mir nicht entgehen lassen.
Sei doch mal ehrlich, wenn Du eine Sache der Öffentlichkeit vorstellst,
das tut in der Regel jeder Mensch (außer Dir wahrscheinlich), weil er
1. von seinen Dingen völlig überzeugt ist
2. er seine Sache absolut gut findet
3. er will, dass die Welt, die das, was er tut gut findet, dies dann auch sagt.
4. er nicht auf die Idee kommt, dass die Welt sich mit Dingen beschäftigt, die ihr nicht gefallen
5. er nicht auf die Idee kommt, dass es Leute gibt, die - ungefragt - mit "Verbesserungsvorschlägen" kommen...
Vorweg: Die Durchnumerierung meiner Antworten bezieht sich nicht auf
die Reihenfolge Deiner fünf Punkte.
1. Kritikresistent ist das letzte, was ein Künstler sein sollte.
Die wichtigste kritische Instanz, der er sich zu stellen hat, ist er selbst.
Fehlt ihm die Fähigkeit zur kritischen Überprüfung dessen, was er tut,
ist der größtmögliche Schaden bereits entstanden:
Er geht mit etwas Unausgereiftem, also zu früh, an die Öffentlichkeit.
2. Kollegiale Kritik ist etwas anderes als das, was "unser dummer Pöbel meint".
Gutwillige kollegiale Krititk kann für einen Künstler ein Glücksfall sein.
Der nun wirklich nicht durch einen Mangel an Arroganz ausgezeichnete
Nobelpreisträger Th.Mann war sich nicht zu schade, nach Adornos Intervention
fast die gesamte Konzeption seines "Doktor Faustus" umzuschmeißen.
3. Gegenüber einem laienhaften Urteil sollten Künstler schon resistent sein -
aber gleichermaßen gegenüber Lob
und Tadel. Im Grunde genommen
gilt das für jeden Menschen: Wer sich in seinem Selbstwertgefühl
von der Einschätzung anderer abhängig macht, hat schon verloren.
Wen weder Lob noch Tadel interessieren, der ist wirklich frei.
4. Wer als Künstler von etwas anderem als seinem
künstlerischen Arbeits- bzw. Ausdrucksbedürfnis angetrieben wird,
hat ebenfalls schon verloren: Geltungsdrang oder Bereicherungsabsicht
reichen vielleicht für einen Auftritt im (Privat-)Fernsehen, sind hoffentlich
gute Voraussetzung fürs Betreiben eines Gewerbes - aber als Musen sind sie ungeeignet.
Aber er käme niemals auf die Idee, sich Papier und Bleistift zurecht zu legen
und den Beatles einen Brief zu schreiben, was sie an ihren Songs noch verbessern könnten,
am Tempo, die Lautstärke des Bassisten z.B. oder den Harmoniefolgen...
Was immer man den Beatles vorwerfen mag: Mit Pianolion
in einem Atemzug genannt zu werden - das haben sie nicht verdient.
Gruß, Gomez
.