Krise in Braunschweig: Schimmel seit März in Kurzarbeit, Grotrian-Steinweg zahlt keine Löhne mehr

Die Arbeit der Intoneure ist so, dass einer die D macht. Ob der auch andere macht, ist ungewiss. Sicherlich hat jede Fabrik mehrere, die intonieren können. Einer aber ist " head of" und macht die D.

Ist nicht nur bei Steinway so. Der von allen noch verehrte Klaviermacher Michi tat das eine Zeitlang auch beim Bösendorfer.
Diese Zeiten sind längst vorbei. Früher musste ein Intoneur mindestens zwei Jahre an anderen Flügeln arbeiten, bevor er überhaupt an die D-Flügel durfte. Heute geht’s nur noch um Zeit und Stückzahlen. Die alte Generation kann mit der neuen Ideologie sowieso nichts mehr anfangen – viele werden davon auch krank.
 
Deutsche Instrumente sind eigentlich etwas für sehr reiche Leute.
Wer ist schon "sehr reich?" Wenn ich "sehr reich" wäre, kaufte ich mir für jeden Wochentag einen anderen Fazioli. Die haben so nett anzuschauende Zierfurniere im Angebot.

Aber "sehr reich" ist halt Definitionssache.

Die Diskussion wird hier von mehrheitlich gutsituierten und gutplatzierten Musikfans bestimmt - die sicher alle noch ein kleines Erbteilchen oder sonst einen Heckpfennig unter 'm Sofa horten. Es sei ihnen allen gegönnt. Und sinnvoller als der flammneue Sechszylinder ist ein Flügel allemal, zumal er länger hält.

Allerdings - Brötchen holen geht mit 'nem BMW besser.

CW
 
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Wer ist schon "sehr reich?" Wenn ich "sehr reich" wäre, kaufte ich mir für jeden Wochentag einen anderen Fazioli. Die haben so nett anzuschauende Zierfurniere im Angebot.

Aber "sehr reich" ist halt Definitionssache.

Die Diskussion wird hier von mehrheitlich gutsituierten und gutplatzierten Musikfans bestimmt - die sicher alle noch ein kleines Erbteilchen oder sonst einen Heckpfennig unter 'm Sofa horten. Es sei ihnen allen gegönnt. Und sinnvoller als der flammneue Sechszylinder ist ein Flügel allemal, zumal er länger hält.

Allerdings - Brötchen holen geht mit 'nem BMW besser.

CW
Natürlich hat jedes Produkt seinen Preis – aber dann darf man sich auch nicht über die sinkende Nachfrage wundern. Wäre es da nicht sinnvoller, die Preise realitätsnäher zu gestalten? Muss ein Markenflügel wirklich das Zehnfache der Produktionskosten kosten?

Ist ein Steinway Model S tatsächlich 100.000 € wert? Wahrscheinlich kommt jetzt das Argument: „Der Wert bemisst sich daran, was der Kunde bereit ist zu zahlen.“ Nur – die Kunden werden immer weniger. Und genau hier setzen bekannte Hersteller auf einen alten Marketing-Trick: „Jetzt kaufen, bevor es teurer wird!“ – obwohl die Lager längst aus allen Nähten platzen.
 
Ganz geht sich dein Vorwurf, dass ein Steinway S um das Zehnfache zu teuer sein, in der Realität nicht aus.

Von den 100.000 Euro bleiben schon mal gut 16.500 Euro beim Finanzminister. Der Händler will auch 10.000 Euro dran verdienen, damit er den Glitzerpalast und das freundliche Gesicht darin überhaupt finanzieren kann.

Bleiben also 73.500 Euro.

Bei einem Materialeinsatz für den Gussrahmen, Holz, Filz, Leim und Farbe sowie ein paar Metallteile von vielleicht 8.000 Euro bleiben nur mehr 65.500 Euro übrig.

Bei einem durchaus realistischen Stundensatz von 50 Euro für einen qualifizierten und langgedienten Mitarbeiter in einer mitteleuropäischen Arbeitsstätte mit einfacher Maschinenausrüstung kann man davon 32 Wochen Arbeitszeit finanzieren. Dann hätte der Unternehmer noch nichts verdient.

Ich denke schon, dass diese Zeit zum realen Arbeitsaufwand nicht völlig fern liegt. 32 Wochen sind zwei Drittel eines Jahres — wenn man ein Klavier ganz allein inkl. Spielwerk bauen würde, dann müsste man sich wohl schon recht beeilen, damit sich das ausgeht.

So betrachtet verblüffen mich sogar eher die Angebote "einfacherer" Instrumente wie ein Yamaha C 3 X, die um weniger als ein Drittel dieses Betrags verkauft werden.

Ich denke schon, dass das knallhartes Business ist. Und das Marketing hat für jede Zielgruppe das passende Angebot ausgelotet.

Natürlich zahlt man bei den Luxusmarken ein wenig für den Glanz der Marke und die unterstützenden Marketingmaßnahmen, damit der Glanz zur Wirkung kommt, aber ich denke nicht, dass sich die Eigentümer daran übermäßig bereichern können.
 
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Ganz geht sich dein Vorwurf, dass ein Steinway S um das Zehnfache zu teuer sein, in der Realität nicht aus.

Von den 100.000 Euro bleiben schon mal gut 16.500 Euro beim Finanzminister. Der Händler will auch 10.000 Euro dran verdienen, damit er den Glitzerpalast und das freundliche Gesicht darin überhaupt finanzieren kann.

Bleiben also 73.500 Euro.

Bei einem Materialeinsatz für den Gussrahmen, Holz, Filz, Leim und Farbe sowie ein paar Metallteile von vielleicht 8.000 Euro bleiben nur mehr 65.500 Euro übrig.
Ich weiß nicht, woher deine Berechnung stammt, aber sie entspricht schlichtweg nicht der Realität. Genaue Zahlen werde ich hier bewusst nicht öffentlich teilen – das wäre wenig sinnvoll. Wer sich mit dem Thema wirklich auskennt, weiß, dass die Kalkulation weitaus komplexer ist.
 
Meine vereinfachte Berechnung besteht rein aus Schätzungen und auf Basis von 30 Jahre Unternehmertum mit einem Dutzend Mitarbeitern, teils im Bürodienst, teils im Handwerk.

Ohne jeden Zweifel sind da Abschätzungsfehler drin und die Realität ist immer viel komplexer als in solchen Milchmädchenrechnungen angenommen. Es ist zB ziemlich irrelevant ob der Materialeinsatz 5.000 oder 10.000 Euro beträgt. Das Personal und die Produktionsinfrastruktur sind die Kostentreiber in Mitteleuropa. — Aber ganz daneben liegt man damit erfahrungsgemäß auch nicht.

Bis zum Gegenbeweis glaube ich eher das, was ich da geschrieben habe.
 
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Meine vereinfachte Berechnung besteht rein aus Schätzungen und auf Basis von 30 Jahre Unternehmertum mit einem Dutzend Mitarbeitern, teils im Bürodienst, teils im Handwerk.

Ohne jeden Zweifel sind da Abschätzungsfehler drin und die Realität ist immer viel komplexer als in solchen Milchmädchenrechnungen angenommen. — Aber ganz daneben liegt man damit erfahrungsgemäß auch nicht.

Gerne kannst du das genauer erläutern, aber solange du das nicht tust glaube ich eher, was ich da geschrieben habe. Es ist zB ziemlich irrelevant ob der Materialeinsatz 5.000 oder 10.000 Euro beträgt. Das Personal und die Produktionsinfrastruktur sind die Kostentreiber in Mitteleuropa.
Ich schätze deine Erfahrung sehr und stimme dir grundsätzlich zu, dass Personal- und Infrastrukturkosten in Mitteleuropa meist die entscheidenden Faktoren sind. Natürlich kann man bei solchen Überschlagsrechnungen nicht jeden Aspekt genau abbilden – aber sie helfen oft, ein realistisches Gefühl für die Größenordnung zu bekommen.
 
„Jetzt kaufen, bevor es teurer wird!“

Diesen Trick kennen wir doch auch von anderer Seite. Da heißt es dann „nur noch drei Stück am Lager“ oder dergleichen. Überprüfen kann das niemand.

Ist ein Steinway Model S tatsächlich 100.000 € wert?

645,00 Euro für ein Zentimeter Stutzflügel? Nein!

Wahrscheinlich kommt jetzt das Argument: „Der Wert bemisst sich daran, was der Kunde bereit ist zu zahlen.“

Der Wert bemisst doch eher danach, ob man überhaupt in der Lage ist, einen Flügel zu bezahlen. Wer das Geld nicht hat bemisst den Wert vermutlich weitaus höher als jemand, der das Instrument aus der Portokasse bezahlen kann. Ich jedenfalls habe nicht so viel Geld dafür und ich hatte es auch nicht für meinen Bösendorfer. Ohne eine glücklich machende Fügung würde jetzt nur der alte Bechstein in meinem Haus stehen (und meine Treffen würden anders und ohne Profi ablaufen).
 
Ganz geht sich dein Vorwurf, dass ein Steinway S um das Zehnfache zu teuer sein, in der Realität nicht aus.

Von den 100.000 Euro bleiben schon mal gut 16.500 Euro beim Finanzminister. Der Händler will auch 10.000 Euro dran verdienen, damit er den Glitzerpalast und das freundliche Gesicht darin überhaupt finanzieren kann.

Bleiben also 73.500 Euro.

Bei einem Materialeinsatz für den Gussrahmen, Holz, Filz, Leim und Farbe sowie ein paar Metallteile von vielleicht 8.000 Euro bleiben nur mehr 65.500 Euro übrig.

Bei einem durchaus realistischen Stundensatz von 50 Euro für einen qualifizierten und langgedienten Mitarbeiter in einer mitteleuropäischen Arbeitsstätte mit einfacher Maschinenausrüstung kann man davon 32 Wochen Arbeitszeit finanzieren. Dann hätte der Unternehmer noch nichts verdient.

Ich denke schon, dass diese Zeit zum realen Arbeitsaufwand nicht völlig fern liegt. 32 Wochen sind zwei Drittel eines Jahres — wenn man ein Klavier ganz allein inkl. Spielwerk bauen würde, dann müsste man sich wohl schon recht beeilen, damit sich das ausgeht.

So betrachtet verblüffen mich sogar eher die Angebote "einfacherer" Instrumente wie ein Yamaha C 3 X, die um weniger als ein Drittel dieses Betrags verkauft werden.

Ich denke schon, dass das knallhartes Business ist. Und das Marketing hat für jede Zielgruppe das passende Angebot ausgelotet.

Natürlich zahlt man bei den Luxusmarken ein wenig für den Glanz der Marke und die unterstützenden Marketingmaßnahmen, damit der Glanz zur Wirkung kommt, aber ich denke nicht, dass sich die Eigentümer daran übermäßig bereichern können.
Ich hatte den gleichen Impuls wie du und überschlägig eine Kalkulation zu machen. :-)

In Deutschland wäre die Mehrwehrsteuer/Umsatzsteuer bei einem Kaufpreis von 100.000 Euro knapp 16.000 Euro. Der Vollständigkeit halber: für das Material, das von anderen Unternehmern eingekauft wird, hat der Klavierhersteller allerdings auch Vorsteuerabzug, etwa für eine Renner-Mechanik oder Klaviatur, wenn sie nicht im eigenen Werk hergestellt werden.

10% Händler-Marge ist sicher das Mindeste. Ein Musikgeschäft mit Blasinstrumenten sagte mir allerdings, dass es üblicherweise mehr sind. Ich würde deshalb eher mit vielleicht 15% rechnen, was aber natürlich auch davon abhängt, wie viel Rabatt der Händler gibt. Die Kosten für den Transport und die erste Stimmung, die Händler anbieten, müssten allerdings auch berücksichtigt werden.

50 Euro Lohnkosten pro Stunde hätte ich auch angesetzt. Was die Arbeitsstunden angeht, ist die Seite Bechstein sehr aufschlussreich. Bei allen C.Beichstein Concert Flügeln werden 420-500 Arbeitsstunden angegeben. Bei 500 Std. wären das 25.000 Euro Lohnaufwand. Bei den Concert Klavieren sind es nur 180 Stunden, was 9.000 Euro ausmachen würde. Es wären also eher die Hälfte der von dir genannten 32 Wochen Arbeitszeit einzukalkulieren.

Was Material- und Maschineneinsatz angeht, habe ich absolut keine Ahnung, hätte mich aber eher am unteren Rahmen der von dir genannten Spanne von 5.000 bis 10.000 Euro orientiert. Es spielt für das Ergebnis, wie gleich klar wird, auch tatsächlich vermutlich keine große Rolle.

Wenn ich von 100.000 Euro Kaufpreis ausgehe würde ich - auch natürlich grob und ohne Kenntnis realer Kosten einer Klaviermanufaktur geschätzt - folgende Kosten abziehen:

Umsatzsteuer 16.000
Händlermarge: 14.000
Arbeitslohn: 25.000
Material und Abnutzung Maschinen: 6.000

verbleiben: 39.000

Davon müssen natürlich noch Gemeinkosten des Betriebs (Gebäudeabschreibung, Verwaltungskosten, etc.) und Werbung finanziert werden. Aber einerseits bliebe da für mich noch mehr Spielraum, als deine Berechnung ergibt. Andererseits wäre ich @pianoman weit entfernt vom 10-fachen der Produktionskosten, die im o. g. Beispiel gut 30.000 Euro ausmachen würden. Ich käme damit eher auf das 3- bis 4-Fache.

Ich kann mich aber auch erinnern, dass ich hier mal gelesen habe, dass mit den hochpreisigen Instrumenten die günstigeren quersubventioniert werden. Das würde meine Berechnung stützen und umgekehrt.
 
Bassplayer, wenn du die Renner-Mechanik zukaufst ist das vom Aufwand her ja genaugenommen das halbe Klavier. Das Spielwerk ist ja das "Uhrwerk", das "Kaliber" des ganzen Uhr. Kleinteilig, möglichst präzise und komplex. Ich vermute (!!!), dass diese Mechanik in der Qualitätsstufe, die Steinway fordert, dann inklusive der Tasten und Hämmer schon an die 10.000 Euro kostet.

Auch nicht zu vergessen: Intonierung, mehrfacher Transport, Unterbringung, Vorfinanzierungskosten, Versicherung (Beschädigung bis zum Verkauf, missratene Exemplare, ungeliebte und in der Folge nur rabattiert verkäufliche Instrumente).

Und am Ende sollte der Unternehmer auch noch etwas verdienen, sonst beendet er das Abenteuer ganz einfach und legt das Vermögen lieber in Papieren an. Zum Ärger der Mitarbeiter wie Kunden.
 

Zum Thema Handarbeit: Grotrian wurde ja allgemeinhin als höherwertig (und teurer) als Seiler angesehen. Bei Grotrian hatten die eine CNC Maschine, in die ein Stück Holz gesteckt wurde und der fertig abgestochene und bestiftete Steg heraus kam. Bei Seiler wurde in Handarbeit abgestochen. Ist das jetzt besser? Oder höherwertiger? Oder teurer?
 
Zum Thema Handarbeit: Grotrian wurde ja allgemeinhin als höherwertig (und teurer) als Seiler angesehen. Bei Grotrian hatten die eine CNC Maschine, in die ein Stück Holz gesteckt wurde und der fertig abgestochene und bestiftete Steg heraus kam. Bei Seiler wurde in Handarbeit abgestochen. Ist das jetzt besser? Oder höherwertiger? Oder teurer?
Ich gehe davon aus, dass bei den großen Asiaten genau so gefertigt, bei den "besseren" Yamahas und Kawais nur mehr nachgearbeitet wird.

Die hier oft berichteten (und bei einer Klavierserie selber gehörten) eher geringen Unterschiede zwischen einzelnen Instrumenten derselben Baureihe lassen mich zum Schluss kommen, dass die maschinelle Fertigung die Toleranzen verringert. Als Maschinenbau-Ingenieur würde mich alles andere auch sehr wundern.

Was bleibt sind die Einflüsse durch das Rohmaterial, was beim Klangboden etwas mehr, bei den Einzelteilen der Klaviaturmechanik wohl weniger ins Gewicht fallen wird.
 
Der Wert bemisst doch eher danach, ob man überhaupt in der Lage ist, einen Flügel zu bezahlen. Wer das Geld nicht hat bemisst den Wert vermutlich weitaus höher als jemand, der das Instrument aus der Portokasse bezahlen kann.
Volle Zustimmung, das ist doch bei allen Produkten und Dienstleistungen so, deshalb verstehe ich die Diskussion "Müssen Steinway so teuer sein?" auch nicht. Apple macht bei einem Umsatz von 400 Milliarden Dollar/a 100 Milliarden Gewinn, man kann eine Armbanduhr zum Kaufpreis eines Einfamilienhauses erwerben oder ein Auto kaufen, für dessen Preis ein Lebenseinkommen der Mehrheit der Bevölkerung nicht ausreicht, etc.. Warum sollte das bei Instrumenten anders sein?
 
eine CNC Maschine, in die ein Stück Holz gesteckt wurde und der fertig abgestochene und bestiftete Steg heraus kam. Bei Seiler wurde in Handarbeit abgestochen. Ist das jetzt besser? Oder höherwertiger? Oder teurer?
Beim Steg würde ich sagen, dass die (mutmaßlich) präzise CNC-Maschine sauberer arbeitet. Die Form des Stegs wurde ja vorab bestimmt. Beim Resonanzboden gibt es hingegen noch manuelle Anpassungen, um die Unregelmäßigkeiten im Holz auszugleichen. Hier bietet die Handarbeit einen Mehrwert.
Manche Tätigkeiten gehen besser mit Maschine, andere nicht. Da gibt es keine allgemeingültige Aussage.

@Carl Tredt Erster! ;)
 

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