Lieber dasch85,
ich möchte dir deine Vorfreude überhaupt nicht schmälern und ich kann soooo gut nachvollziehen, wie aufgeregt du bist. ABER: Mit alten Instrumenten kann man viel, viel Freuden haben und leider auch viel, viel Kummer.
Wenn du ein Instrument besichtigst und dir dabei das Wort "Katastrophe" in irgenderlei HInsicht über die Lippen kommt und du das Gefühl hast, dass da einiges gemacht werden möchte, würde ICH die Finger davon lassen.
Die Frage ist nun, möchte da wirklich etwas an dem Privat-Blüthner gemacht werden? Klar sieht er sehr verstaubt und verblasst aus, aber das muss ja nichts heißen.
Wenn ich es richtig sehe, hat er keine Aliquot Saiten. Darauf würde ich Wert legen, muss aber nicht sein.
Gibt es Aussagen zur Stimmhaltigkeit? Irgendwelche komischen Geräusche, die auf losen Rippen hindeuten? Wo stand denn der Flügel in den letzten Jahrzehnten?
Wie sehen die Hämmer aus? Original? Abgespielt? Dellen im Elfenbein?
Was die Löcher im Gussrahmen betrifft, habe ich keine Ahnung welche Modelle bzw. Baujahre wieviele Löcher hatten. Ich hatte damals ein ähnliches "Problem" mit der Filzfarbe. Wollte eigentlich blau. Dann waren die Filze aber rot und ich dachte schon, dass die später getauscht wurden. Ist aber nicht der Fall, denn um diese Zeit verwendete Blüthner noch roten Filz
Bin schon sehr gespannt, wie sich die Dinge entwickeln. Überstürze es nicht! Glaub` mir, wenn es der Richtige ist, dann merkst du das daran, dass überhaupt keine Zweifel mehr bestehen. Wenn du dich selbst erst überzeugen musst und insgeheim Kompromisse eingehst, und seien sie rational noch so nachvollziehbar, dann ist es noch nicht der richtige Flügel.
LG, Sesam
Ich war nun noch zwei mal dort. Mein Klavierbauer sagt immer so schön "die Substanz ist vorhanden". Der Flügel klingt schon sehr ordentlich und sehr lieblich, ziemlich romantisch-klassisch irgendwie. Dennoch hat er nicht das Volumen und die Bewegung im Klang, die ich bei einem restaurierten Blüthner gehört habe. Mein Klavierbauer meint dazu, das sei ganz logisch, denn die alten Saiten werden träge und die Hammerfilze verlieren ihre Konsistenz. Ich dachte eigentlich, die werden immer härter und somit auch der Klang, aber in diesem Fall werden sie wohl matschiger (sowie auch der Klang).
Es ist wirklich ein sehr interessantes Instrument, ich weiß nur nicht, was am Ende dabei herauskommt, denn ich würde ihn wirklich gründlich restaurieren lassen, nach dem was ich bei dem restaurierten Blüthner gehört habe! Und das muss auch gemacht werden: Die Mechanik ist eher wackelig, die Filze eben veraltet, die Saiten träge und das Gehäuse ziemlich mitgenommen. Aber was will man erwarten, das Teil hat mit seinen 128 Jahren einige Generationen überlebt. Sowas wie Sesam gefunden hat, scheint wie ein 6er im Lotto zu sein. Ich bin sicher, dass mein Klavierbauer etwas sehr ordentliches daraus machen kann, aber leider kann ich vorher nicht das Endergebnis hören.
Ich stell hier mal folgende Hypothese in den Raum:
"Die alten Blüthner Flügel hatten früher gar nicht diesen "romantischen" Klang von dem wir heute sprechen. Denn der romantische Klang ist mitunter die Folge von alten abgenutzten Materialen, wie wir sie heute vorfinden. Daher assoziieren wir nur, dass diese alten Instrumente so klingen."
Was haltet ihr davon?
Der gut(!) restaurierten Blüthner klingt etwas moderner, aber noch lange nicht so wie heutige. Die Dynamik im Klang ist aber wirklich erstaunlich, kann mir kaum vorstellen, dass das mit Originalteilen, die über 100Jahre alt sind, möglich ist. Der besagte restaurierte Flügel steht auch zum Verkauf. Vielleicht entscheide ich mich sogar für diesen, vorher hätte ich aber gerne noch einen Vergleich zu einem anderen Blüthner mit gleicher Bauart.
Sesam, ich bin gespannt, was dein neuer Saitenbezug bringen wird. Ich hoffe nur Gutes :)