Bei mir steht schon eine 3 vorne. Die Zahl hinten ist dafür ganz klein
Den Satz mit dem "mal Kind sein" kenne ich aber auch von früher, wenngleich ich auch nie mitbekommen habe, dass über mich so gesprochen wurde. Als ich ein "junges" Kind war (unter 11), ist meine gefühlte Erinnerung, dass ich wenig Termine hatte.
Vielen Dank, Stilblüte, für den interessanten Beitrag! Darauf möchte ich noch antworten, obwohl ich eigentlich gar keine Zeit dazu habe!
Ich hatte schon bei deinem ersten Beitrag mit den vier Chören nicht den Eindruck, als hätte man das von dir erwartet, sondern du warst in den vier Chören, weil es dir Spaß gemacht hat und vielleicht auch, weil es Ausgleich gewesen ist (worauf
@Demian oben hingewiesen hat). Und du schilderst deine Kindheit jetzt sehr anschaulich, woraus man erkennen kann, dass alle deine Interessen in die künstlerische Richtung gehen. Irgendwie stellt sich bei mir gerade der Gedanke ein, dass sich das vielleicht ein bisschen von den vielen Sportlergeschichten in meinem näheren Umfeld unterscheidet. Denn gerade bei den Leistungssportlern entscheidet sich so eine intensive Förderung im Alter von 4 bis 5 Jahren, geht also - so empfinde ich das - meist von den Eltern aus. Die Kinder rutschen rein, genießen die Erfolge, fangen an nichts anderes zu kennen und so weiter. Nicht immer ist das im Sinne der Kinder, manchmal hingegen schon. Deine Geschichte lässt diesen Zweifel gar nicht erst aufkommen.
Wir (ich mehr als meine Frau, aber wir waren uns dann doch einig) haben uns dagegen entschieden, Talent unseres Sohnes hin oder her. Einfach aus der Überlegung heraus, dass Leistungssport zwar was Tolles ist, dass der Preis dafür aber doch sehr hoch ist, wenn man, wie du so treffend beschreibst, als Kind dann nicht mehr lernen kann, was Langeweile ist. In dem Punkt, dass Langeweile der produktivste Kreativitätsförderer überhaupt ist, bin ich nämlich total deiner Meinung. Und gerade weil Kinder heutzutage soviel Anregung (Input) von außen kriegen, leidet die Kreativität. Die wird dann in Kita und Schule durch vorgeplante Unterrichtskonzepte zu fördern versucht, mit mäßigem bis gar keinem Erfolg (wer ist schon auf Befehl kreativ?).
Ja, das kann sein. Geht es uns Erwachsenen anders? Ich fürchte, das hängt nicht mit ein paar wöchentlichen Terminen zusammen, sondern mit Laptop und Handy. Ich bin so heilfroh, dass es Smartphones erst gab, als ich im Studium war. Kein Online-Mobbing, keine Whatsapp-Gruppen, aus denen man ausgeschlossen ist oder in denen man ständig lesen muss.
Das ist eine sehr gute Frage: Geht es uns Erwachsenen anders? Die Erwachsenen sind genauso unterschiedlich wie die Kinder es sind, und einem großen Teil geht es sicherlich nicht anders. Auch ich bin der Meinung, dass das mit den Smartphones und den sozialen Netzwerken zusammenhängt, womit viele Erwachsene schon vor Corona viel zu viel Zeit verbracht haben. Kurz vor Corona gab es eine Studie der DAK, die herausfand, dass jeder vierte Jugendliche psychische Probleme hat. Das heute mögliche Cyber-Mobbing, diese Whatsapp-Gruppen in Klassen sind sicherlich nicht ganz unschuldig daran. Aber ich habe die Hoffnung, dass unsere Kinder, die mit dieser Technik aufwachsen, besser damit umzugehen lernen als viele Erwachsene das können. Sofern sie natürlich nicht Opfer eines solchen Cyber-Mobbings werden.
Nun weiß ich nicht wie alt du bist
Aber ich merke mit dem Älterwerden, dass ich mich von "dem, was andere machen und denken" immer mehr frei mache und machen will. Natürlich füge ich mich in die Gesellschaft ein, auch sehr gerne. Aber durch meinen Beruf als Pianistin erfahre ich ununterbrochen, dass immer jemand besser, erfolgreicher und früher dran ist als ich. Ich bin sehr ehrgeizig und habe viel erreicht, und der Weg ist noch lange nicht zu Ende. Aber ich weiß inzwischen glaube ich ganz gut, wie ich mich einordnen kann in diese komische Musikergesellschaft, und damit kann ich gut leben.
Ich werde wohl gut 10 Jahre älter sein als du.
Warum eine Musikergesellschaft komisch ist, kann ich nicht beurteilen, ich kenne keine Berufsmusiker. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass auch das, wie eben alles, ein ziemlicher Konkurrenzkampf sein kann, von dem man sich zwangsläufig lossagen muss, wenn man zufrieden sein will. Denn es gibt doch keinen größeren Garant für's Unglücklichsein als der ständige Vergleich mit anderen. Und in der Kunst kommt es auch noch auf Geschmack an, dem einen gefällt dies, dem anderen das, da lässt sich manchmal doch schwerlich sagen und definieren, was "besser" ist.
Wie ich mein Leben leben will, ist meine Sache ganz allein. Beziehungsratgeber predigen es zum Glück schon länger - jeder soll lieben, wie und wen er will. Jeder Partner in seiner eigenen Wohnung? Fernbeziehung? Zwei Partner gleichzeitig? Keine Kinder? Alleinerziehend freiwillig? Macht doch, was ihr wollt, ich muss es ja nicht nachmachen! Das gleiche Selbstbewusstsein sollte man für seinen Lebensentwurf entwickeln. Es gibt immer Leute, denen das nicht passt. So ein Selbstbewusstsein zu haben, ist gar nicht so einfach, ich weiß. Aber ich merke, dass es stetig in mir wächst.
Ja, wenn man älter wird, macht man sich über so manches mehr Gedanken oder überhaupt Gedanken! Ich sehe diese vielen Individualisierungsmöglichkeiten inzwischen recht kritisch, weil sie auch Orientierungslosigkeit bedeuten. Ich kenne dich nicht, aber du machst mir den Eindruck, als kämst du mit all den Möglichkeiten ganz gut klar und würdest sie als Bereicherung erleben. Viele Leute sind aber überfordert damit. Was diese Beziehungsratgeber und Psychologen generell predigen, empfinde ich teilweise als Anleitung zum Egoismus, so von wegen man soll sich ohne Rücksicht auf Verluste in jeder Hinsicht individualisieren und entfalten. Und deswegen driftet unsere Gesellschaft immer weiter auseinander und Corona wirkt in dieser ohnehin schon besorgniserregenden Entwicklung wie ein Brandbeschleuniger. Ein Soziologe meinte einmal, wir würden uns zu Tode individualiseren. Da ist was dran, wie ich finde.