Igor Levit im Kreuzfeuer zwischen BILD und ... tja, irgendwie auch BILD

zuckt beim Lesen des SZ-Artikels unweigerlich zusammen.
Die Bedrohungen Levits sind durch nichts zu rechtfertigen. Das ist mal klar.

Trotzdem kann es nicht angehen, dass Levit prinzipiell außerhalb jeder Kritik stehen soll, weil er jüdischer Herkunft ist und/oder sich gegen Rechts engagiert und/oder bedroht wird. Kritik muss immer möglich sein!

Ob die Kritik von Mauró gerechtfertigt ist, sei dahingestellt (*). Aber Mauró bezieht sich nirgends, nicht mal in Andeutungen, auf Levits jüdische Herkunft. Wer hier Antisemitismus unterstellt, ohne das belegen zu können, ist einfach nur ein Denunziant, der mangels inhaltlicher Kompetenz die größtmögliche Moralkeule rausholt. Es wird ja nicht der Gedankengang Maurós angegriffen, sondern die Kritik an sich gilt per se als moralisch unzulässig. Nach dem Motto: Wer heult, hat niemals unrecht. Nein, nein, und nochmals nein. Das akzeptiere ich nicht!
 
Wobei ich mich wieder frage, was man sich "erarbeitete, aufgesagte, vorgespielte Musikalität" vorstellen soll.

Diese Floskel des "unauthentischen" Juden kommt in der Geschichte des Antisemitismus wohl immer wieder vor.

Generell noch einmal kurz zu dieser Diskussion hier: Wer Menschen anprangert und herabwürdigt, weil sie sich gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus engagieren, muss - zu Recht - mit dem entschiedenen Widerstand der Zivilgesellschaft rechnen. Ich bin sehr froh, dass sie in Deutschland so gut funktioniert. Eigentlich sollte der Kampf gegen die Gegner dieser Gesellschaft Konsens sein. Und bei allem Klartext, der gesprochen werden kann, wer will ernsthaft in vergangene, intolerantere Zeiten zurück als es noch üblich war, sich nicht nur sachlich auseinander zu setzen, sondern andere persönlich zu diffamieren und herabzuwürdigen? Ein Miteinander sehe ich dort nicht mehr. Ich bin froh, dass diese Zeiten vorbei sind. Die sachliche Ebene ist für mich spannend genug.
 
Zuletzt bearbeitet:
erarbeitete, aufgesagte, vorgespielte Musikalität"

Wer mal in einem deutschen Musikerlexikon aus der Zeit zwischen 1933 und 1945 gelesen hat kennt diese 'Sprache'. Im Gegensatz zur arischen und einzig wahren natürlich kreativen Musikalität ist die der Juden eine erlernte, erarbeitete, imitierte.
Das ist schon gefährlich nahe am originalen Sprachgebrauch der Nazis!
 
@dilettant ...du musst lernen, zu unterscheiden: es gibt solche und solche. Bei manchen ist es prima und edel, wenn deren Twitterei beharkt wird, bei anderen ist es antisemitsch und "nazi", wenn deren Twitterei beharkt wird.
...so dämlich ist in klicki-liki-disliki-bunti die Welt geworden.

ansonsten: durch publikumswirksame anti-rechts-Positionierung wird niemandes musikalische Leistung besser oder schlechter.
 
@rolf
Das Zitat, worauf sich @Alter Tastendrücker bezieht, ist aus einer anderen Rezension, nicht aus der, die im Eingangspost verlinkt ist, und ich habe es nach wikipedia zitiert.
 
Aber Mauró bezieht sich nirgends, nicht mal in Andeutungen, auf Levits jüdische Herkunft.

Ach nein? Auf welche andere gesellschaftliche Gruppe könnte sich die "Opferanspruchsideologie" denn beziehen? In einem Artikel, in dem es um Levits Reaktion auf den antisemitischen Überfall in Hamburg geht. Die professionelle Opferpartei (OfD) meint er ja offensichtlich nicht. Also wen sonst?
 
Das Zitat, worauf sich @Alter Tastendrücker bezieht, ist aus einer anderen Rezension, nicht aus der, die im Eingangspost verlinkt ist, und ich habe es nach wikipedia zitiert.
... wo es auch ein Zitat eines Zitats eines Zitats ist.

Die Rezension "Der Vorspieler" vom 6. Mai 2019 steht hier:

Das Wort "vorgespielt" kommt in folgendem Zusammenhang vor:

Deshalb klingen bei Levit auch synkopische Wendungen oft leer und eher hinterherlahmend als Spannung aufbauend. Zuviel Pedal ist hier eher kontraproduktiv. Und wie soll man „ermattet“ spielen, wie es in den Noten steht, wenn vorher kaum Erregung stattfand? Dann bleibt nur eine ganz sinnfreie „Weichheit“, die doch nur vorgespielt sein kann.
 

In der ZEIT findet sich ein sehr guter Text über die Verwobenheit von Kunst und Politik/ Gesellschaft. Es geht darin um die Unmöglichkeit, Wagners Werk unabhängig von seiner politischen und gesellschaftlichen Wirkung sehen zu können. Dabei bezieht sich der Autor auch auf die Debatte um Igor Levit

„Gerade in Zeiten, in denen ein Musiker wie Igor Levit in einem Feuilleton auch mit der Begründung angegriffen werden kann, dass er sich nicht auf das Klavierspiel beschränkt, sondern nebenher noch Unrecht in der Gesellschaft thematisiert, ist Wagner das paradoxe Paradebeispiel, wieso der Rückzug, der da gefordert wird, ein Phantasma ist.“

Hier ist der ganze Text:

 
----kleiner Exkurs----
@Demian nur so nebenbei:
Es geht darin um die Unmöglichkeit, Wagners Werk unabhängig von seiner politischen und gesellschaftlichen Wirkung sehen zu können.
dergleichen liest sich auf den ersten Blick als gewitzt und rezeptionshistorisch kundig - aber auf den zweiten Blick erschließt sich der (zumeist ideologisch einseitige) Unsinn:
wie kommt es, dass niemand von den Feuilletonschlaubergern & Konsorten den 48er Revoluzzer Wagner (befreundet mit Bakunin, Semper etc), der aus Dresden flüchten musste, der im Königreich Sachsen steckbrieflich gesucht war (wohlgemerkt nicht als "Antisemit" und "Naziklangkulissenlieferant, sondern als 48er-Revoluzzer) und diese Wirkung (auch im Vergleich zu https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Kunst_und_die_Revolution und https://de.wikipedia.org/wiki/Das_Kunstwerk_der_Zukunft ) betrachtet? Gab es das etwa nicht? Hatte das keine Wirkung?
Sodann die rein musikhistorische Wirkung (kaum ein Komponist nach Wagner war von dessen Harmonik und Form unbeeinflusst) ? Gab es die etwa ebenfalls nicht?
...ist es intellektuell und in der Sache redlich, Wagner auf https://de.wikipedia.org/wiki/Das_Judenthum_in_der_Musik zu reduzieren und alles aus seiner Feder einzig an diesem saublöden Pamphlet zu messen?
...die Nazis mochten auch Liszts Les Preludes...

----Exkurs beendet----
 
Das sehe ich auch so we du, @rolf , in anderen Themensträngen und Beiträgen habe ich darauf auch gelegentlich hingewiesen. Das schließt jedoch nicht aus, sich mit anderen Sichtweisen wie derjenigen in dem von mir verlinkten Artikel auseinanderzusetzen.
 

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