Liebe Leute, insbesondere lieber Herr Hasenbein und liebes Operkind,
woher habe ich nur gewusst, dass genau jener Absatz, den Hasenbein als allererstes empört aufgegriffen hat, eben jene Diskussion nach sich zieht? ;)
Um das erstmal vorweg zu sagen: Hasenbein (und alle anderen, die diese Meinung vertreten) hat absolut recht, wenn er sagt, dass Musiklehrer an deutschen Musikschulen unterbezahlt sind und es eine erschreckende Entwicklung weg von echten Stellen hin zu diesen Honorarverträgen ist. Das sehe ich schon alles genauso. Im Übrigen wollte ich einmal anmerken, dass ich letztes Jahr einen Lehrauftrag an einer deutschen Hochschule (!) hatte, der übrigens noch schlechter (!) bezahlt war, als es Musikschultätigkeiten sind. Das Problem beschränkt sich somit nicht nur auf Musikschulen. Ich weiß z.B. auch, dass es auch an unserer Hochschule Dozenten gibt, die seit Jahren Lehraufträge haben und wertvolle Arbeit leisten, teilweise besser als so mancher Prof, aber sie werden eben nur mit eben jenen Lehraufträgen abgespeist und haben genau genommen keine Sicherheit. Sicher, ich wäre sofort dafür, dass da anständige Löhne her müssen, gar keine Frage...
Trotzdem gibt es ein paar Gründe, warum ich zur Zeit an einer Musikschule arbeite und das auch sehr gerne tue.
Lieber Hasenbein, hast du dir z.B. mal überlegt, dass man ganz am Anfang, wenn man sich als Student finanzieren muss, erstmal irgendwo Geld her kriegen muss und froh ist, immerhin einen besseren Stundenlohn zu kriegen als die 8 Euro, die man als studentische Hilfskraft oder in irgendeinem anderen Studentenjob verdient? Ist es da nicht viel schöner, sein Geld mit dem zu verdienen, was man später Vollzeit als Beruf machen möchte und was auch noch echt besser bezahlt wird als all die üblichen Studentenjobs? Hast du schon mal überlegt, dass es auch Vorteile hat, als Student an einer Musikschule zu unterrichten, z.B. dass man Räume + Instrumente zur Verfügung gestellt bekommt? In einem anderen Faden habe ich mich belehren lassen, dass man nämlich im Miethaus nicht unterrichten darf. Soll ich als Studentin etwa hingehen und mir auch noch einen Raum mieten mitsamt Instrumenten drin, um dort unterrichten zu können? Das Geld kann kein einziger der Studenten, die ich kenne, eben mal noch zusätzlich zum Lebensunterhalt vorstrecken. Ganz zu schweigen davon, dass man am Anfang erstmal irgendwo Schüler herkriegen muss und man sich ganz schön verschuldet, wenn man noch nicht so viele Schüler bekommt, dass man seinen Raum abbezahlen kann, geschweigedenn dass man Gewinn einfährt. So viel, dass man einen Raum auch noch gewinnbringend vollkriegen würde, kann man auch rein zeitlich kaum arbeiten neben dem Studium, so ganz nebenbei mal erwähnt (zumindest nicht bei den Kölner Mieten :p)... Ebenso bekommt man an einer Musikschule die Schüler schonmal automatisch und muss sich nicht um die Akquise kümmern - man hat sofort 6 oder 7 Stück und bekommt dafür dann auch Geld, so wie andere Studenten eben im C&A verkaufen gehen oder sich bei Kaufland an die Kasse setzen.
Außerdem: Mittlerweile, wo ich genügend Schüler habe und nicht auf jeden einzelnen angewiesen bin, mittlerweile, wo ich mir einen Namen gemacht habe und ich schon Schüler auf Empfehlung bekomme und auswählen kann, wen ich nehme, kann ich privat andere Stundensätze verlangen, aber am Anfang, wo man dringend auf jeden angewiesen ist, da unterrichtet man auch für weniger Geld die Stunde, hauptsache, man hat einen Job, der einem Spaß macht und deutlich mehr pro Stunde abwirft, als die 400 Euro Studentenjobs um die Ecke.
Hast du darüber hinaus mal überlegt, dass ich evtl. an der Musikschule auch Sachen mache, die ich privat gar nicht machen könnte (z.B. studienvorbereitende Ausbildung in Musiktheorie/Gehörbildung unterrichten, Workshops zu Neuer Musik etc.). Das alles ist mit einer Handvoll Privatschülern überhaupt nicht möglich. Oder auch das Neue-Musik-Festival, das du angesprochen hast: Sicherlich ist das mehr Arbeit als man letztendlich Geld sieht - aber ganz abgesehen davon, dass ich das als Studentin nicht eben mal so alleine auf die Beine stellen könnte und sich niemand finden würde, der mir ein solches Wahnsinnsprojekt finanziert - hast du auch mal überlegt, dass auch ein Stück weit Idealismus ist, um sein Herzensprojekt voran zu bringen und überhaupt einmal einen Fuß in diese Tür zu setzen? Du sprichst von den erfahrenen alten Hasen :D auf der einen Seite und den billigen unerfahrenen jungen Arbeitskräften auf der anderen Seite - und wie werden letztere zu ersteren? Na? Wohl durch Erfahrung, oder? Wo soll man die bitteschön sammeln, wenn man solche Projekte machen möchte später als eben IN solchen Projekten?
Heutzutage will jeder überall Erfahrung sehen, bevor er dich überhaupt für irgendwas richtig anstellt: Unterrichserfahrung, Projekterfahrung – wo soll man die hernehmen? Man fällt nicht auf einmal vom Himmel mit Projekterfahrung, genauso wenig mit Unterrichtserfahrung.
Was die Praktika betrifft: In der Tat waren diese alle vom Studienverlaufsplan festgeschriebene unbezahlte (!) Praktika. Beim Festival habe ich dann über die im Praktium vorgesehene Stundenzahl hinaus gearbeitet, wurde dafür vergütet und werde es dieses Jahr wieder tun und voll dafür vergütet werden.
Aus meinen Mathematikzeiten weiß ich noch, dass man in Finanzmathematik Geld z.B. nicht nur als reine Größe ansieht, sondern man muss es immer mit der jeweiligen „Nutzenfunktion“ des Investors bewerten - einfachstes Beispiel: Wenn jemand nur 1 Euro hat, ist der Zugewinn von 1 Euro für ihn deutlich wichtiger, darüber freut er sich deutlich mehr als wenn einer, der 1000 Euro hat, 1 Euro bekommt. Das geht auch über die reine Prozentangabe der relativen Steigerungsrate hinaus - es gibt Modelle, in denen z.B. Präferenzen des Investors mit modelliert werden.
So ähnlich ist es auch hier: Zum einen freut sich ein Student sehr über die x Euro Zugewinn, da sie für ihn deutlich mehr sind als die y Euro in einem normalen Studentenjob. Darüber hinaus kann es aber sein, dass man eine bestimmte Arbeit z.B. auch einfach ein Herzensprojekt geworden ist, für das man sich einsetzt, und wo man den reinen Geldgewinn auch ideell mit aufwerten muss. So ist es z.B. auch ganz klar mit meine Neue Musik Projekten und Workshops und auch mit dem Seminar, für das ich letztes Jahr den Lehrauftrag hatte. Ich weiß einfach noch ganz genau, wie es sich anfühlt, keinen Zugang zur Neuen Musik zu haben und bin sehr froh, dass ich diesen nun an Menschen weitergeben kann in Projekten, Workshops und Seminaren, die alleine als Privatlehrer gar nicht durchzuführen wären. Übrigens hatte ich dadurch auch schon von einem größeren Festival eine Anfrage bekommen, bei ihnen mitzuarbeiten, was ich allerdings ablehnen musste, so lange ich noch studiere, da dies nicht in Köln war und ich die Zeit nicht habe, dorthin zu fahren, so lange ich studiere. Solche Sachen kämen gar nicht erst in Gang, wenn ich nicht die Erfahrung sammeln würde, die ich in der Musikschule sammen kann!
Später, nach dem Studium, werde ich ganz sicher nicht nur an Musikschulen arbeiten, sondern auch privat, so wie ich es jetzt auch schon tue. Meine Klavierschüler zahlen jetzt auch schon mehr und tun dies auch gerne, weil ich mir mittlerweile schon einen Namen gemacht habe und ich Schüler auf Weiterempfhleung kriege. Meine Klasse ist voll, ich kann keinen Schüler mehr aufnehmen und konnte/kann mir alle, die in Zukunft kommen, schon aussuchen. Jetzt zahlen sie es gerne, aber von Anfang an war das nicht möglich, da musste ich für weniger Geld unterrichten, um mich überhaupt finanzieren zu können. Vielleicht kann das jemand, der keine Finanzierungsprobleme hatte, nicht nachvollziehen.
Ich finde es ja lustig, wie sehr du dich an der Sache mit der Zeit für eine Partnerschaft aufgehängt hast, lieber Hasenbein... Anscheinend verstehst du auch keine Ironie... Selbstverständlich ist das eine Frage der Prioritäten! So blöd für wie du mich hältst, bin ich nämlich leider nicht. Ich habe zur Zeit einfach keinen Partner, es ist zur Zeit auch keiner in Aussicht, insofern kann ich meine Prioritäten woanders legen. Wenn aber einer kommt, werden sich meine Prioritäten auch mit verschieben, soviel ist doch klar... So lange aber nicht, kann ich mir meine Zeit doch frei einteilen und andere Dinge tun, die mich glücklich machen.
Ich war und bin eben sehr vielseitig interessiert, nicht nur musikalisch, sondern generell. Aber eben auch musikalisch: Ich studiere nicht einfach nur Klavier mit dem geringstmöglichen Aufwand, sondern ich habe eine große Liebe zum Tonsatz und den alten ebenso wie den Neuen Satztechniken entwickelt, interessiere mich für Komposition und Neue Musik – sicherlich kann ich da nicht alles so intensiv machen wie ich gerne wollen würde (Prioritäten!), aber ich sehe es nicht als schlecht an, wenn man sich möglichst umfassend weiterbildet und somit eine vielschichtige Musikerpersönlichkeit herausbildet. Viel erschreckender finde ich die Übemaschinen, die tagtäglich 10 Stunden üben und sich durch die restlichen Seminare irgendwie mit geringstem Aufwand irgednwie durchmogeln. Das ist nie meine Art gewesen und das wird es auch nie werden!
(Fortsetzung siehe nächster Beitrag)