Grotrian-Steinweg in Schwierigkeiten

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Grotrian-Steinweg hat Insolvenz angemeldet:

Das hätte sich Theodore Steinweg wohl nie träumen lassen, dass sein Name 189 Jahre nach Gründung durch Henry Steinway in einem Insolvenzregister im Jahre 2024 auftaucht, denn der offizielle Firmenname von Grotrian-Steinweg lautet wohl bis heute: Grotrian, Helfferich, Schulz, Th. Steinweg Nachf. GmbH.
Das stimmt mich sehr traurig. Die Klaviere sind sehr gute Instrumente. Und um die ging es ja auch. Flügel im Spitzenbereich sind etwas völlig anderes und die Hersteller derselben, bzw. der eine Hersteller, wird ja hoffentlich alles überstehen. Faziolis Produktion ist Liebhaberei und dient sicher nicht dem Broterwerb. Aber was ist mit dem Volk? Wenn sie erstmal in der zweiten und dritten Generation auf Yamaha B‘s unterwegs sind, wird nichts mehr an Erinnerung übrig sein. Ich werde dann nicht mehr da sein um es mit anzusehen, gottlob, aber es graut mir trotzdem davor.
 
Faziolis Produktion ist Liebhaberei und dient sicher nicht dem Broterwerb.

So etwas ähnliches schrieb ich ja bereits.

Aber offensichtlich geht ein solches "Geschäftsmodell" am besten auf - man versucht gar nicht erst seine Produkte wie Sauerbier anzupreisen, sondern sagt sich "wer kaufen will, kann es tun und wer nicht, der läßt es halt. "

Die Wartezeiten für so manch einen Fazioli sind nicht ohne.
 
Ich würde eher sagen, ausschließlich(!) gute (bis exzellente) Waren können noch in Mitteleuropa wirtschaftlich gefertigt werden. Mittelmaß bekommt man billiger von anderswo.

Einfach formuliert: Die USP von China und Co ist der Preis. Die USP von (Zentral)Europa ist die Qualität.

Der USP von Europa ist einfach nicht nur Qualität, sondern absolute Spitzenqualität.
Und die Verbindung von Spitzenqualität mit einem sehr starken Vertriebsnetz mit z.T. eigenen Retail Stores führt dann dazu, dass Steinway und Bechstein stückzahlmäßig in diesem absoluten Spitzenbereich eijiges vor allen anderen liegen und damit auch kapazitätsmäßig mit die größten Manufakturen betreiben.

Alles, was dahinter kommt, wie Schimmel, Förster, Sauter, Blüthner, Steingräber und eben auch Grotrian sind gute Instrumente, aber eben keine absolute Spitzenklasse. Trotzdem befinden sich deren in Deutschland in größtenteils in Handarbeit gefertigten Instrumente aus deren Top-Baureihen in Preisbereichen, die nur für Institutionen und die 5% Top-Verdiener der Bevölkerung bezahlbar sind: ein mittlerer 190er Flügel ist da kaum unter 70.000€ zu bekommen, mit Ausnahme von August Förster, und genau das hält sie wohl noch einigermaßen über Wasser. Wenn soviel Geld vorhanden ist, ist der Schritt zum absoluten 100.000€-Instrument nicht mehr groß und wird noch kleiner, wenn man den größeren Werterhalt solcher Instrumente, gerade bei Steinway, mit bedenkt. Es gibt also für diesen Spitzenbereich einen zwar übersichtlichen, aber dennoch einigermaßen stabilen Markt. Die große Masse wird mit den Industrieprodukten von Yamaha und Kawai bedient, weswegen quasi jeder Klavierhändler mindestens eine der beiden im Programm hat.

Aber wo ist denn der Absatzmarkt für die o.g. Hersteller mit ihren zwar guten aber dennoch teuren Instrumenten unterhalb dieser Spitzengruppe? Zumal in diesem Nischenmarkt (und als mehr würde ich das nicht bezeichnen) diese Anbieter zum Überfluß auch noch in großer Konkurrenz stehen zu relativ jungen gebrauchten der absoluten Top-Modelle. Mal konkret: für einen neuen 82.000€ teuren Grotrian G-208 bekommt man auch einen 20 Jahre alten Steinway B-211 in durchaus neuwertigem Zustand oder für ein neues 37.000€ G-132 Concertino Konzertklavier bekommt man auch ein 20 Jahres altes Bechstein Concert C8 in annähernd gleichem Zustand. Zudem bieten Yahama und Kawai auch handgefertige Top-Baureihen an, die den o.g. Herstellern in nichts nachstehen aber teilweise noch günstiger sind: so ist ein Shigeru SK6 in der 210cm-Klasse für etwas mehr als 70.000€ zu haben. Warum also einen Grotrian kaufen, der sonst auch kein besonderes technisches oder klangliches Alleinstellungsmerkmal hat? Gut allein und 100% Made in Germany reicht nicht.

Von daher ist das Geschäftsmodell in diesem Bereich extrem stark unter Druck und hat in den letzten Jahren nur noch am gesamten Weltmarkt einigermaßen funktioniert, um eine 50-Mann-Manufaktur mit einem Ausstoß von ca. 350 Instrumenten/Jahr am Leben zu erhalten. Alle die o.g. Hersteller bewegen sich +/- in diesem Bereich, wobei sich bei Anbietern mit einer kompletten Klavier&Flügel-Baureihe der Klavier/Flügelanteil bei etwa 3:1 liegt. Zumindest gilt das für Grotrian anno 2020 (nach Corona mit abnehmender Tendenz), dürfte bei den anderen mit vergleichbarer Modellpalette nur wenig anders sein: https://www.braunschweiger-zeitung....Die-Lage-des-Klaviers-in-Lockdown-Zeiten.html

Bösendorfer liegt da ganz anders und bewegt sich auch im absoluten Top-Bereich. Zudem hat man mit dem Mischkonzern Yamaha auch eine deutlich sichere Bank im Hintergrund als die Chinesen der Braunschweiger Manufakturen.

Faziolis Zielmarkt ist von Beginn an auch hur der absolute Spitzenbreich und deswegen werden auch ausschließlich Flügel angeboten. Deren Manufaktur ist ähnlich groß wie die oben genannten, was…

Das glaube ich aber schon, schließlich stehen die wie andere Markenflügel auch in Musikhäusern anspielbereit. Und die Stückzahl von 150 Flügeln jährlich dürfte in etwa dem entsprechen, was deutsche Hersteller auch produzieren. Und deren Flügel werden ja auch nicht nur auf Bestellung gebaut.
…dann in einer doch deutlich höheren Flügel-Stückzahl resultiert. Zusätzlich ist Fazioli über deren Möbelproduktion für schlechte Zeiten abgesichert.
Die 2 Steinway-Klaviermanufakturen in NY und HH sind auch abgesichert über deren Instrumentenbereich Steinway Musical Instruments. Parsons (Grotrian) und Pearl River (Schimmel) taugen als Absicherung aber kaum, zumal sie branchengleich sind und Schimmel und Grotrian sich auch deren chinesische Vertriebsnetze bedienen und da eine Abhängigkeit entstanden ist. Zuerst wollte man den schwachen Europa-Markt mit USA-Geschäft substituieren, was nur bis 2008 gut ging und 2009 Schimmel dann in die Insolvenz getrieben hat. Dann kam die China-Welle, die heute nach Wegfall der staatlichen Subventionen auch nicht mehr funktioniert.

Conclusio: ein Geschäftsmodell in diesem Mini-Markt kann man kaum noch sicher auf eigene Beine stellen und funktioniert quasi nur noch quersubventioniert. Dass man mit der Sache auch anders umgehen kann als bei Schimmel/Seiler/Grotrian zeigt der Fall Ibach: die Problematik des Geschäftsmodells war dann auch der Grund, warum Sabine Ibach-Falk die eigene Produktion bei Ibach in Schwelm 2007 nach 213 Jahren in einer Familien-Entscheidung eingestellt hat, 3 Jahre nachdem sie die Geschäftsführung von Ihrem Vater übernommen hatte. In diesem Podcast begründet sie den Schritt genauer: https://creativemornings.com/talks/sabine-falke-ibach/1. Da es bei Ibach keine andere Hängematte (also alternative Geldquelle) gab, war dieser Schritt wohl unausweichlich. Da man das Unternehmen nicht nach China verkaufen wollte, existiert es noch heute und die Familie Ibach kontrolliert damit noch immer Marke und Archiv.

Grotrian ist schlußendlich an einem nicht überlebensfähigen Geschäftsmodell gescheitert, an dem auch eine China-Kooperation nichts substantiell verbessert (hat).
 
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Da ist was dran. Mich würde interessieren, welche Manager bei diesen Herstellern die Verkaufspolitik bestimmen. Solche, die Klientel und Markt lange kennen oder solche, die alle drei Jahre die Firma wechseln. Nach dem Motto: vorgestern Konserven, gestern Kühlschränke, heute mal Klaviere?
Um mal beim aktuellen Gall Grotrian-Steinweg zu bleiben:
Der letzte Familien-Eigner, Knut Grotrian-Steinweg, hatte zu Beginn des Jahres 2000 die Geschäftsführung an Burkhard Stein abgegeben, aus einer Klavierbauerfamilie stammend, und seit 1984 im Unternehmen tätig und dazu mehrere Jahre BVK-Präsident und Vorstandsmitglied. 2015 hat die Familie Grotrian das Unternehmen an Parsons verkauft, 2016 wurde eine Chinesin Interim-Geschäftsführerin, 2017/18 verließ Burkhard Stein das Unternehmen (heute Kaufmännischer Leiter einer Braunschweiger Firma im Bereich Rohstoffe, Entsorgung und Containerdienste - was für ein gewaltiger Sprung) oder musste es verlassen..Denn 2019 übernahm Stefan Gritzka die Grotrian-Geschäftsführung, bis dahin CEO von Kluge. Terence Ng (Parsons Eigner und Gründer) war Kunde von Kluge und aus Vitamin B ist wohl dieser Wechsel entstanden. Bei Schimmel war lange Jahre Hannes Schimmel-Vogel GF, jetzt sind es Chinesen.

Wie dem auch sei: bei Grotrian gab es bzgl. Entscheidungsträgern bis 2016 große Konstanz, danach allerdings wohl einen heftigen Einschnitt. Zumindest unter Stein waren wohl noch viele Herzblut-Grotrianer mit an Board, die mit dem Unternehmen innerlich verheiratet waren, was sich bis heute dahin entwickelt hat, dass fast die Hälfte der Belegschaft das eigene Unternehmen auf die Auszahlung ausgebliebener Gehälter verklagt hat. Es gibt Gerüchte, das der Einbehalt von Teilen von Gehältern, Urlaubsgeldern und Corona-Ausgleichszahlungen ein Druckmittel für Zugeständnisse und freiwillige Kündigungen gewesen sein sollen (https://www.braunschweiger-zeitung....ter-grotrian-steinweg-muss-loehne-zahlen.html). Den Prozess haben sie zwar gewonnen (die GF ist zum Gerichtstermin wohl nicht erschienen), wird Ihnen mit der Insolvenz jetzt leider auch kaum was nützen. Zumindest kann man daraus ableiten, dass das Tischtuch zwischen GF und Belegschaft nun zerschnitten ist.
 
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Nach all den Daten&Fakten und eigenen Interpretationen basierend darauf mal ein eher emotional getriebenes Statement:
Ich finde es unheimlich schade, das so ein traditionsreiches Unternehmen den Bach runtergeht, wenn auch schlußendlich nicht abwendbar.

Und dabei hat (für mich) Grotrian noch eine etwas besondere Stellung im Vergleich zu Schimmel, Seiler und anderen, und nicht wegen des Alters (Gründung 1835 als Steinweg Pianomanufaktur). Und nicht nur wegen desselben Gründers mit dem von Steinway & Sons (Heinrich E. Steinweg), sondern beide Firmen mit Theodore Steinweg über ca. 30 Jahre ein wichtiges Bindeglied hatten und dieser in dieser Zeit einer der größten, wenn nicht sogar der größte Innovator im Flügelbau bis heute gewesen ist, denn quasi jeder heutige Flügel besitzt noch Entwicklungen Theodores. Und in diese Zeit hat auch Grotrian noch eine Zeitang in begrenztem Umfang davon mitprofitiert. In der Zeit bis zum 2. Weltkrieg war Gotrian selbst auf den Heimatmärkten sehr erfolgreich. Dennoch haben Theodores Entwicklungen Steinway & Sons damals einen extrem großen technischen Vorsprung gegenüber der gesamten Konkurrenz verschafft und über Patente abgesichert. Da diese Innovationen (gegenüber heutiger Mikroelektronik) mit bloßem Auge auf die Gussplatte sichtbar gewesen sind, hat Steinway die Patente gleich auf der Gussplatte verewigt, als Warnung gegenüber möglichen Nachahmern. Als die Patente Jahrzehnte später ausliefern, wurden nicht nur Steinways Gussplatten von den Patentaufschrifteb „befreit“, sondern der technische Vorsprung Scholz ebenso dahin. Das war nicht weiter schlimm, denn Steinway hatte diese Zeit genutzt, um sich an den prestigeträchtigrn weltweiten Konzertbühnen als Konzertflügellieferant No.1 festzusetzen, was bis heute andauert.

Man kann ja über Geschichte und Tradition denken was man will, wobei Manche das ggf. als etwas Rückwärtiges abtun, aber zum einen sehe ich Geschichte immer als wichtig und hilfreich an, um Gegenwart und Zukunft verstehen zu können (nicht nur in der Politik, sondern auch im Klavierbau). Im Klavierbau hilft Geschichte z.B, um wirklich gute Restaurierungen (nicht Generalüberholungen) überhaupt durchführen zu können. Und Geschichte lebt weiter, solange wir hier die jeweiligen beteiligten Unternehmen existieren und diese Geschichte pflegen, so ähnlich wie ein uralter Baum. Wenn der Baum aber mit einem Rindenschnitt um den Stamm seine Lebensader durchtrennt wird, stirbt er, auch wenn er stehenbleibt und damit seine Geschichte - die noch heute lebenden Sequoias in Kalifornien entstanden zur Zeit des Römischen Reiches).

Ok, etwas abgedriftet, aber (für mich) stirbt mit so einer Firma auch die Geschichte mit und das ist kulturhistorisch schon ein Verlust.
Geschichte hat auch auch deswegen einen Wert, da (generell, nicht nur im Klavierbau) nicht überall in der Form so vorhanden ist. Während meinen Jahren in Asien (gelebt & gearbeitet) sind kulturhistorischen Bezüge im täglichen Leben und im Straßenbild rein punktuell sichtbar und fühlbar geworden - bei jedem Besuch Europa aber quasi andauernd ins Auge gefallen. Und deswegen spielt im Denken und Handeln u.a. auch chinesisch-stämmiger Bevölkerungen Südostasiens Geschichte & Bewahrung eine wesentlich kleinere Rolle als in Europa.

Das führt nun dazu, das ein chinesischer Eigner eines deutschen Unternehmens mit Geschichte wie Grotrian auf eine solche Tradition gerade Null Rücksicht nimmt, noch nichtmal nehmen kann.
Natürlich kann viel Geschichte unter Umständen den Blick nach vorne verstellen, warum sonst haben oder versuchen es diese Manufakturen nicht rechtzeitig , das Geschäftsmodell anzupassen oder z.B. andere Standbeine als Absicherungen aufzubauen anstatt sich in asiatische Abhängigkeiten zu begeben, wo klar ist, das sie mit der Geschichte nichts anfangen können und operative Verluste nur endlich ausgleichen werden.

Das Vorgehen von Ibach jedoch, um darauf nochmal zurück zu kommen, ermöglicht nicht nur den Mitarbeitern, sich rechtzeitig neue Jobs zu suchen anstatt sie jetzt bei Grotrian vor einem Scherbenhaufen zu stehen, sondern trägt auch dem historischen Wert adäquat Rechnung, wenn keine andere Lösung mehr ersichtlich ist.
 
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Das war nicht weiter schlimm, denn Steinway hatte diese Zeit genutzt, um sich an den prestigeträchtigrn weltweiten Konzertbühnen als Konzertflügellieferant No.1 festzusetzen, was bis heute andauert.
Das war ja auch nicht allzu schwer, da die Fabriken aller relevanten Konkurrenten um 1945 in oder zumindest zwischen Trümmern lagen.

Im Klavierbau hilft Geschichte z.B, um wirklich gute Restaurierungen (nicht Generalüberholungen) überhaupt durchführen zu können.
Ja und nein. Ein guter Restaurator bekommt das auch hin, ohne in der entsprechenden Firma gearbeitet zu haben. Bei Restaurierungen sind die Leute, die den Flügel damals gebaut haben, üblicherweise nicht mehr in der Firma und auch diverse Maschinen wurden ersetzt.
Da gibt es vielleicht noch ein Promille mehr Geheimwissen aus dem Firmenarchiv, aber ich denke, dass das in den meisten Fällen keine relevanten Auswirkungen hat.

Übrigens: Steinway wurde bereits 1972 verkauft - nur halt nicht an China, sondern an ein US Medienunternehmen.
 
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... und immer und immer wieder diese Saga der angeblichen Gründung 1835 Steinweg ...

Wahrheit ist ein bisschen was anderes. Als Heinrich Steinweg mit der kompletten Familie (minus ältesten Sohn) 1850 über den Atlantik ging, GAB ES KEINEN Steinweg-Klavierbau mehr. Das Seesener Haus war verkauft worden, und nicht an einen Klavierbauer.

DAMIT er ausreisen durfte, MUSSTE Heinrich Steinweg über die Regierung seinen Ausreisewunsch PUBLIZIEREN, damit eventuelle Gläubiger noch vor seiner Abreise ihre Ansprüche anmelden und decken konnten. Sonst hätte er die Ausreisepapiere seitens der Braunschweiger Herzoglichen Regierung gar nicht erst bekommen ...

... weil Heinrich Steinweg NICHT sein Klavierbauer-Business verkaufte, mitsamt Haus und Hof, sondern Haus und Hof alleine. Theo, der in D blieb, wohnte dann dort nicht mehr, zog weg gen Westen nach Holzminden. Etablierte sich neu als Musikinstrumenten-Reparateur, Klavierstimmer. Baute dann ein NEUES Unternehmen "C.F. Theodor Steinweg" auf, das er zuerst in Wolfenbüttel, dann am Bohlweg in Braunschweig ansässig machte. Dort nahm er (m.W. 1854) den aus Russland zurückgekehrten Grotrian als Partner auf. Was m.W. die US-Leute durchaus nicht entzückte, und in Briefen hieß es, er solle sich von der Partnerschaft trennen, das tauge nichts, hindere ihn etc. Dann 1865 der Tod zweier Brüder, und Theos Abflug gen USA, samt Verkauf seiner Geschäftsanteile an den jungen Grotrian sowie an die Herren Helfferich und Schulz.

Mitsamt der Provisio, dass die in BS Verbliebenen weiterhin den Namen "C.F. Theodor Steinweg" mit dem Zusatz "Nachf." auf zehn Jahre benutzen durften, sowie auch die Nutzung der aus den USA herüber geschickt gewesenen Zeichnungen und Konstruktionen.

Zwischen 1865 (Theos Herübermachen) und 1875 (Auslaufen des Verkaufsvertrags von Theos Geschäftsanteilen) gab es also rectiter eine Fa. "C.F. Theodor Steinweg Nachf. - (Unterzeile) Grotrian, Helfferich, Schulz" in Braunschweig. Die – man muss es mal hart sagen – mit der ex Seesener Klavierfabrikation nur insofern was zu tun hatte, als Theos des Eigners praktisches Wissen aus seiner „Lehrlingszeit“ in Vatterns Unternehmen stammte. Was er dann aber tat, war nicht das väterliche Unternehmen irgendwie weiterzuführen, sondern sich ein NEUES aufzubauen, zuerst als das, was heute der Einzelkaufmann ist.

Später dann die kaiserliche Schlauheit, den Grotrians den Familiennamen ... zu erweitern auf Grotrian-Steinweg. Um sie safe zu machen gegen die fortdauernden Avancen aus den USA, den Grotrians die Namensnutzung (und Verwechslungsmöglichkeit) mit Steinway wegzunehmen.

Nochmal, kurzum, die Fa. von Heinrich Steinweg war in D bzw. im Hzm. Braunschweig extinct in 1850. Alles mit Sack und Pack und Mann und Maus wegverkauft. Es GAB sie nicht mehr.

Theo machte dann neu. Zunächst als Einzelkämpfer an der Saitenspannung, Fideln lackieren und beim Ausbeulen von Blechblaskrams etc. Dann mit neuer Fa. und neuen Mitarbeitern.

Der alte Heinrich hatte in D keine angestellten Mitarbeiter, er arbeitete alleine, und mit seinen Kindern. Der aller-allererste Mitarbeiter von H. Steinweg findet sich an selber Adresse in der Hester Street in Manhattans Süden - der Herr Vogel, der spätere Mann von Wilhelmina Vogel geb. Steinweg. Nachzulesen im New Yorker Adressverzeichnis 1851 und 1852. Übrigens, schon in der Wohnadresse Hester Street bauten die Steinwegs gleich mal wieder Klaviere, New Yorker Tafelklaviere, in Heimarbeit. Die wurden "gestencilt", von den Händlern am Broadway nach eigenem Gusto gelabelt und vertickt - eine Praxis, die später insbesondere William Steinway wie die Pest verabscheute.

1853 dann offiziell die Handschlagsgründung mit den volljährigen Söhnen. Selbst um das Gründungsdatum ranken sich Zweifel, März oder Mai. Das eine Datum ist der gewöhnliche Beginn neuer Mietverträge in NYC, der 1. Mai, an dem ca. ein Drittel der Leute hastig untewerwegs in neue Buden war. Das andere Datum ist des jungen Williams 18. Geburtstag, ab dem er aber auch nicht als Gesellschafter eintreten durfte, das machte er dann nach toitsch partriarchalem Dafürhalten mit 21.

Auch die (von William editierten ...) Auslieferlisten S & S weisen anfangs "Merkwürdigkeiten" auf. Beim Verticken des Grundstücks 52-zu-53-Straße an der 4th Avenue räumte man später aus einem Schapp das Tafi Nr. 482 aus ... Eigenartig, eine Nummer älter als das angeblich älteste Tafi 483 - das übrigens ein Pirsson-Gehäuse hat. Zugekauft. Drin die Klanganlage von Heinrich und Henry Steinweg. Die Fortschreibung (...) des angeblichen Bestandes von schon in D erzeugten 482 Klavieren ein werbliches Gemache, um in den USA als erfahrene Klavierbauer gelten zu können. Kann stimmen, kann auch sein, dass nicht. Wissen wir nicht. Vielleicht waren es 482, vielleicht 481 ... , vielleicht waren es nur um die 200? 300? 400? K.A.

… zurück nach Braunschweig. Das heutige Unternehmen Grotrian-Steinweg ist die Fortschreibung von THEOS Firma, gegründet ein oder zwei Jahre nach dem Familien-Abflug gen USA.
 
DAMIT er ausreisen durfte, MUSSTE Heinrich Steinweg über die Regierung seinen Ausreisewunsch PUBLIZIEREN, damit eventuelle Gläubiger noch vor seiner Abreise ihre Ansprüche anmelden und decken konnten. Sonst hätte er die Ausreisepapiere seitens der Braunschweiger Herzoglichen Regierung gar nicht erst bekommen ...

... weil Heinrich Steinweg NICHT sein Klavierbauer-Business verkaufte, mitsamt Haus und Hof, sondern Haus und Hof alleine.
Ineressante Details, bedankt.

Trotzdem 2 Ungereimtheiten:

- Warum hat Heinrich sein Geschäft nicht mitsamt Haus&Hof verkauft? Wäre doch für die Azsreise wohl einfacher gewesen.
- Wenn er das Business nicht verkauft hat, ist die Steinweg- Klavierbau ja nicht erloschen gewesen. Was ist dann daraus geworden? Nach meiner Kenntnis hat Heinrich es Theodore übertragen, der aber aus Seesen weg ist und es dann zunächst in Wolfenbüttel neu begonnen und dann mit Grotrian am Bohlenweg weiter aufgegaut hat, aber bei rechtlicher Fortschreibung des alten Steinway-Klavierbaus.
- Selbst wenn Theodore rechtlich (doch nicht) von Heinrich die Firma übertragen bekommen hat, so hat er den Kern von Heinrichs Steinway-Klavierbau, das Wissen, die Werkzeuge und vermutlich auch den einen oder anderen Mitarbeiter mitgenommen. In dem Fall wäre das heutige Unternehmen, welches offiziell immer noch Grotrian, Helfferich, Schulz, Th. Steinweg Nachf. GmbH heisst (Grotrian-Steinweg ist nur der Markenname), zwar nicht von ihm gegründet, aber der Kern wäre dann doch Steinwegs alter Seesener-Klavierbaugeschäft gewesen.
- Deine Quelle zum Nachlesen?

Und wenn Heinrich doch seinen alten Laden komplett aufgelöst hatte ohne irgendwas Theodore zu überlassen (was ich für Unwahrscheinlich halte), dann hat Theodore das heutige Grotrian mit seinem im väterlichen Betrieb erworbenen Wissen aufgebaut. Und das würde ich jetzt eh als wichtiger Ansehen als ob die direkte rechtliche Übertragung stattgefunden hat oder nicht.
 
Ja und nein. Ein guter Restaurator bekommt das auch hin, ohne in der entsprechenden Firma gearbeitet zu haben. Bei Restaurierungen sind die Leute, die den Flügel damals gebaut haben, üblicherweise nicht mehr in der Firma und auch diverse Maschinen wurden ersetzt.
Da gibt es vielleicht noch ein Promille mehr Geheimwissen aus dem Firmenarchiv, aber ich denke, dass das in den meisten Fällen keine relevanten Auswirkungen hat.
Ich sagte ja auch, das geschichtliches Wissen der Restauration hilft, nicht dass es Grundvoraussetzung ist. Und das schließt jetzt nicht nur Firmeninternas mit ein, sondern z.B. auch allgemeines Geschichte über die zu der Zeit verwendeten Materialen und handwerklichen Verfahren.
 
Ich sagte ja auch, das geschichtliches Wissen der Restauration hilft, nicht dass es Grundvoraussetzung ist. Und das schließt jetzt nicht nur Firmeninternas mit ein, sondern z.B. auch allgemeines Geschichte über die zu der Zeit verwendeten Materialen und handwerklichen Verfahren.

Ja, hilfreich wäre es allemale.

Kann mich an einen Blüthnerflügel Bj. um 1905 rum, da hätten wir zum Zwecke der Überholung schon ganz gern die Daten dieses Instrumententypes gehabt.

Blüthner hätte uns auch liebend gern Auskunft gegeben - nur leider ist das Büthnerarchiv im 2. Weltkrieg völlig vernichtet worden; über die Vorkriegsinstrumente ist so rein gar nichts mehr überliefert und herauszubekommen.

Ich denke Blüthner selbst, hätte auch ein großes Interesse an den alten Daten.

Warum wohl gibt es noch so viele Liebhaber des Vorkriegsblüthners?

Weil er nach dem Krieg, einfach nimmer der selbe war.
 
Ineressante Details, bedankt.

Trotzdem 2 Ungereimtheiten:

- Warum hat Heinrich sein Geschäft nicht mitsamt Haus&Hof verkauft? Wäre doch für die Azsreise wohl einfacher gewesen.
- Wenn er das Business nicht verkauft hat, ist die Steinweg- Klavierbau ja nicht erloschen gewesen. Was ist dann daraus geworden? Nach meiner Kenntnis hat Heinrich es Theodore übertragen, der aber aus Seesen weg ist und es dann zunächst in Wolfenbüttel neu begonnen und dann mit Grotrian am Bohlenweg weiter aufgegaut hat, aber bei rechtlicher Fortschreibung des alten Steinway-Klavierbaus.
- Selbst wenn Theodore rechtlich (doch nicht) von Heinrich die Firma übertragen bekommen hat, so hat er den Kern von Heinrichs Steinway-Klavierbau, das Wissen, die Werkzeuge und vermutlich auch den einen oder anderen Mitarbeiter mitgenommen. In dem Fall wäre das heutige Unternehmen, welches offiziell immer noch Grotrian, Helfferich, Schulz, Th. Steinweg Nachf. GmbH heisst (Grotrian-Steinweg ist nur der Markenname), zwar nicht von ihm gegründet, aber der Kern wäre dann doch Steinwegs alter Seesener-Klavierbaugeschäft gewesen.
- Deine Quelle zum Nachlesen?

Und wenn Heinrich doch seinen alten Laden komplett aufgelöst hatte ohne irgendwas Theodore zu überlassen (was ich für Unwahrscheinlich halte), dann hat Theodore das heutige Grotrian mit seinem im väterlichen Betrieb erworbenen Wissen aufgebaut. Und das würde ich jetzt eh als wichtiger Ansehen als ob die direkte rechtliche Übertragung stattgefunden hat oder nicht.
Er hat Haus & Hof verkauft. Er hatte wen gebraucht, der ihm Geld fürs Haus gab, um es für die Reise und dann zum Neubeginn in New York zu nutzen. Ich weiß nicht, ob er nach wem suchte, der in Seesen seinen Klavierbau hätte fortsetzen wollen. Können hätte es sein Sohn Theo gekonnt, aber der hatte kein Geld, doch zur Ausreise brauchte Vater Heinrich Geld von einem Käufer seines Hauses. Theo war dieser jener welcher nun nicht.

Nach heutigem Begriffsverständnis dürfte es wohl so sein, dass Heinrich S in seiner Person als Einzelkaufmann quasi die virtuelle Fa. "Heinrich Steinweg" mit aufs Schiff nahm, um sie in irgendeiner Weise nach US-Recht in NYC erneut zu etablieren.

Nun müssten wir wissen, weiß ich .. aber nicht, wie das damalige Gesellschaftsrecht war. Es war das des Herzogtums, und nicht das BGB, das wurde zum 1.1. 1900 gültig, und ich weiß nicht, was im Hzm. Braunschweig galt. Da müsste ggfs. ein historisch-juristisch Beschlagener mal einspringen.

Theo ist nach Holzminden als Erstes. Hat dort angefangen, im Kleinen Musikinstrumente zu reparieren. Ob GENAU DAS als "Fortsetzung Fa. Heinrich Steinweg" angesehen werden kann, ist mir fraglich - aber das will ich nicht komplett ausschließen. Dann hätten die Grotrian-Sagen eine Relevanz bzw. wären keine.

Die Bude von Theo hieß dann "C.F. Theodor Steinweg". Also für Theo nix mit "Heinrich Steinweg, Instrumentenmacher", Seesen. Auch von daher ist mir fraglich, ob man von einer Fortsetzung der Seesener Fa. Heinrich Steinweg per Theos Wirken als Musikalien-Reparateur anfangs sprechen könne.

Mitarbeiter hat Theo keine mitgenommen, weil Vater Heinrich keine hatte, außer eben seine Kinder, die mit werkelten.

Quellen gibt es ca. Dutzende. Irgndwo habe ich vor Jahren mal mein komplettes Steinway-Buchinventar hier aufgelistet. Googele mal bitte selber, ansonsten die Quellenangaben in der Wikipedia, ist eh ca. zur Hälfte von mir ... ... ...
 
Da liegt nämlich der Hase im Pfeffer - auch Tante Google und schon garned Wiki hat da zuverlässige Überlieferungen.
Heute war "im Netz" (nee ich sage nicht wo) eine Persiflage unter Weinfreunden deutscher Edel-Weine - wie eine KI wie ChatGPT die besten Weinlagen Deutschlands verschubladisiert. Ich gehe hier nun nicht in die Details, warum der Moselwein vom Doktorberg bei Bernkastel-Kues (m.E.) der beste Deutschlands sei, aber der Johannisberg von ChatGPT ist es ganz gewiss nicht.

Mein Kommentar dort war dann, dass es zwei Axiome auch mit Gültigkeit für die KI gibt:

A- das Google-Axiom , was Google nicht kennt, existiert nicht ...

Und B- das Kuhfladen-Syndrom. Eine Million Fliegen sind eine Referenz. die können sich nicht irren, so ein Kuhfladen//Wein muss folglich unglaublich lekker sein ...

Daher, Donautaler Kadarka, Schwarze Mädchentraube, Amselfelder, oops, ist alles nicht D, sondern Balkanesien, na in D dann der Affental-Herr und andere Affensachen wie der Kröver Nacktarsch.

... und da ich ja bekanntermaßen ein Prophet bin: unglaublich im Kommen wird der Neubeckumer Knallensack sein. Wo ja schon der Name ansagt, dass das Zeug gut knallt... Auch keine Quelle. Neubeckumer Insider only.

Ab dem 11.11. 11:11:11 dann wieder:
Rummskedie!
 

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