Beim Stimmen steht man vor dem Problem, dass es Kompromisse geben muss. Es KANN nicht perfekt sein, schon allein durch die Inharmonizität der Saiten und die daraus folgende Spreizung der Stimmung. Dazu kommt noch die Temperatur / pythagoräisches Komma, etc., dh auch ohne die physikalischen Gegebenheiten ist die perfekte Stimmung nicht einmal in der Theorie möglich. Da ist auch das erreichbare Optimum noch weit genug von der Perfektion entfernt, dass es nicht fad wird.
Die Temperatur einer gleichschwebenden Stimmung (Equal Temperament) kann man mit verschiedenen Methoden erreichen, durch Zählen der Schwingungen bei bestimmten Intervallen. Am Endes des Tages aber kann ein Stimmgerät, das die Inharmonizität eines bestimmten Klaviers berücksichtigt, das besser/konsistenter als jede Stimmung nach Gehör.
Aber eine schöne Stimmung definiert sich (zumindest für mich) nicht danach, wie gleichmäßig die Intervalle innerhalb einer Oktave gestimmt sind, sondern darüber, wie gut die Chöre der einzelnen Töne gestimmt sind. Die Schönheit eines Chores entsteht dadurch, dass man mit dem Gehör Obertöne identifiziert, die 2, 3, 4 oder auch 5 Oktaven über dem Grundton liegen, beispielsweise F3 --> A5 oder A6. Die Kunst, den "Sweet Spot" zu finden, bei dem der Ton aufblüht, das ist es, was eine schöne Stimmung ausmacht.
Und wenn man sich dann verdeutlicht, dass keine Saite zu 100%identisch mit einer anderen ist, sondern sich minimalst in der Obertonzusammensetzung ändert, dann weiß man, dass jeder Chor sowieso ein Kompromiss ist. Alleine deswegen liebe ich es, meinen D-
flügel zu stimmen, weil der von G#3 bis E6 versetzte Stegstifte hat, so dass jeder einzelne Chor mit drei unterschiedlichen Saitenlängen daherkommt. Bei Chören hilft einem auch kein Stimmgerät, deswegen könnt ihr das Geschwafel von wegen "totstimmen" einfach mal ignorieren.