Gibt's irgendeinen Grund, einen Flügel auf 444,3 Hz zu ziehen, außer mich zu ärgern?

Ich gebe zu bedenken, dass es ein himmelweiter Unterschied ist zwischen "tot gestimmt" und "totgestimmt". Ersteres gleicht einem Wunder. :-)
 
Würde ich auch. Als ich nach fast 20 Jahren Gehörstimmung das erste Mal eine Software (Verituner) benutzt habe, war ich baff, wie sauber das alles klang. Fand ich (im Gegensatz zu Henry) großartig. Und an ein Digitalpiano musste ich damals auch denken. Andererseits hab ich mich auch gefragt: was hab ich die letzten 20 Jahre eigentlich gemacht? Rumgestümpert? Aber es hatte sich nie einer beschwert und ich war auch immer zufrieden, von daher kann das nach Gehör auch nicht schlecht gewesen sein.
 
In einer Konzertumgebung gibt es keine klimatisch stabilen Bedingungen, Luftentfeuchter hin oder her. Alleine die Anzahl an Personen und deren Ausdünstungen reichen schon für eine Verstimmung.

Da würde mich aber schon sehr die Physik hinter dieser Aussage interessieren.

Durch Unterschiede in der relativen Luftfeuchtigkeit verändern sich ja nicht die klingenden Saitenlängen, dafür sind extreme Temperaturschwankungen zuständig. Bleibt also noch der Sitz der Wirbel im Stimmstock, Ausdehnungen im Resonanzboden und Veränderung der Stegposition, vielleicht noch Reibungen in den Agraffen oder am Capo d'astro.

In meinem Dachgeschoss habe ich es aufgegeben, einigermaßen stabile klimatische Verhältnisse herzustellen. Gerade im Sommer schwankt die Zimmertemperatur im Flügelzimmer zwischen 22°C und 31°C (ab da machen wir die Klimaanlage an) und die Luftfeuchtigkeit bewegt sich in einem Schwankungsbereich von locker 30-70%, je nach Wetterlage.

Und trotzdem sind beide Flügel stabil und müssen nicht jeden Tag bei leicht anderem Wetter neu gestimmt werden.

Dasselbe im Studio: Am Drehtag morgens waren wir bei knappen 45% Luftfeuchtigkeit, am Abend dann bei über 80%, weil mehrere Menschen auf engstem Raum mit ziemlich viel Technik auch noch einen erheblichen Temperaturanstieg erzeugten, von 22°C auf 27°C. Der Flügel war schon am Morgen nicht wirklich gut gestimmt und ich bin davon ausgegangen, dass ich am Mittag noch einmal eine Stunde haben würde, um das zu korrigieren. Dazu kam es nicht, aber dass der Flügel jetzt komplett in die Knie gegangen ist, das kann man wahrlich nicht sagen. Eher, dass sich an der Stimmung überhaupt nichts geändert hat.

Der Steinway im Studio hat erst im März eine komplette Neubesaitung bekommen, der Bechstein daheim vor knapp einem Jahr, also eigentlich beste Voraussetzungen dafür, dass die Kisten sich binnen kürzester Zeit massiv verstimmen.

Taten Sie aber nicht.
 
Da würde mich aber schon sehr die Physik hinter dieser Aussage interessieren.

Durch Unterschiede in der relativen Luftfeuchtigkeit verändern sich ja nicht die klingenden Saitenlängen, dafür sind extreme Temperaturschwankungen zuständig. Bleibt also noch der Sitz der Wirbel im Stimmstock, Ausdehnungen im Resonanzboden und Veränderung der Stegposition, vielleicht noch Reibungen in den Agraffen oder am Capo d'astro.
Kann ich dir nicht erklären, ist aber meine Erfahrung. Ist ja auch nicht immer und bei jedem Instrument so, kommt aber vor. Die Wärme tut auch noch was zur Sache (Scheinwerfer etc).
Halt Glück gehabt.
 
Würde ich auch. Als ich nach fast 20 Jahren Gehörstimmung das erste Mal eine Software (Verituner) benutzt habe, war ich baff, wie sauber das alles klang. Fand ich (im Gegensatz zu Henry) großartig. Und an ein Digitalpiano musste ich damals auch denken. Andererseits hab ich mich auch gefragt: was hab ich die letzten 20 Jahre eigentlich gemacht? Rumgestümpert? Aber es hatte sich nie einer beschwert und ich war auch immer zufrieden, von daher kann das nach Gehör auch nicht schlecht gewesen sein.
Hast Du schon richtig gemacht ohne Stimmsoftware.
Absolute Perfektion ist immer langweilig. Geradezu unmenschlich.
Im Beruf, gerade als Musiker, will man ja immer Perfektion erreichen. Und irgendwann ist man dann auch an dem Punkt, an dem man Perfektion erreicht. Und dann merkt man, daß das nicht das ist, was man will und daß es uninteressant und langweilig ist.
Und dann macht man es mit Absicht und ganz bewusst auf bestimmte Weise wieder unperfekt und erreicht dadurch wahre Schönheit!
 
Und irgendwann ist man dann auch an dem Punkt, an dem man Perfektion erreicht. Und dann merkt man, daß das nicht das ist, was man will und daß es uninteressant und langweilig ist.
Und dann macht man es mit Absicht und ganz bewusst auf bestimmte Weise wieder unperfekt und erreicht dadurch wahre Schönheit!
Glücklich, wenn Du an dem Punkt bist, daß Du Perfektion erreicht hast. Ich kenne nur Musiker (auch hochkarätige!) die zeitlebens daran arbeiten, sich der Perfektion anzunähern. Aber in einem gebe ich Dir recht: Wer von sich glaubt, er habe die Perfektion erreicht (auch davon kenne ich etliche), wird sein Publikum, das er nicht (mit Märzchen) blenden kann, wahrscheinlich langweilen.
 
Hast Du schon richtig gemacht ohne Stimmsoftware.
Absolute Perfektion ist immer langweilig. Geradezu unmenschlich.
Im Beruf, gerade als Musiker, will man ja immer Perfektion erreichen. Und irgendwann ist man dann auch an dem Punkt, an dem man Perfektion erreicht. Und dann merkt man, daß das nicht das ist, was man will und daß es uninteressant und langweilig ist.
Und dann macht man es mit Absicht und ganz bewusst auf bestimmte Weise wieder unperfekt und erreicht dadurch wahre Schönheit!
Das ist jetzt sehr romantisch verklärt.

Beim Stimmen steht man vor dem Problem, dass es Kompromisse geben muss. Es KANN nicht perfekt sein, schon allein durch die Inharmonizität der Saiten und die daraus folgende Spreizung der Stimmung. Dazu kommt noch die Temperatur / pythagoräisches Komma, etc., dh auch ohne die physikalischen Gegebenheiten ist die perfekte Stimmung nicht einmal in der Theorie möglich. Da ist auch das erreichbare Optimum noch weit genug von der Perfektion entfernt, dass es nicht fad wird.

In meinem Dachgeschoss habe ich es aufgegeben, einigermaßen stabile klimatische Verhältnisse herzustellen. Gerade im Sommer schwankt die Zimmertemperatur im Flügelzimmer zwischen 22°C und 31°C (ab da machen wir die Klimaanlage an) und die Luftfeuchtigkeit bewegt sich in einem Schwankungsbereich von locker 30-70%, je nach Wetterlage.
Innerhalb eines Tages? So schnell quillt oder schwindet Holz nicht. Da muss man ihm schon deutlich mehr Zeit geben.

Auf einer Konzertbühne könnte ich mir vorstellen, dass die Stimmung absackt, wenn mehrere starke Scheinwerfer auf das Instrument gerichtet sind es nicht nur beleuchten, sondern auch erwärmen.
Wenn jemand die erwärmten Saiten stimmt und sie danach abkühlen, geht die Stimmung nach oben.
 

Beim Stimmen steht man vor dem Problem, dass es Kompromisse geben muss. Es KANN nicht perfekt sein, schon allein durch die Inharmonizität der Saiten und die daraus folgende Spreizung der Stimmung. Dazu kommt noch die Temperatur / pythagoräisches Komma, etc., dh auch ohne die physikalischen Gegebenheiten ist die perfekte Stimmung nicht einmal in der Theorie möglich. Da ist auch das erreichbare Optimum noch weit genug von der Perfektion entfernt, dass es nicht fad wird.

Die Temperatur einer gleichschwebenden Stimmung (Equal Temperament) kann man mit verschiedenen Methoden erreichen, durch Zählen der Schwingungen bei bestimmten Intervallen. Am Endes des Tages aber kann ein Stimmgerät, das die Inharmonizität eines bestimmten Klaviers berücksichtigt, das besser/konsistenter als jede Stimmung nach Gehör.

Aber eine schöne Stimmung definiert sich (zumindest für mich) nicht danach, wie gleichmäßig die Intervalle innerhalb einer Oktave gestimmt sind, sondern darüber, wie gut die Chöre der einzelnen Töne gestimmt sind. Die Schönheit eines Chores entsteht dadurch, dass man mit dem Gehör Obertöne identifiziert, die 2, 3, 4 oder auch 5 Oktaven über dem Grundton liegen, beispielsweise F3 --> A5 oder A6. Die Kunst, den "Sweet Spot" zu finden, bei dem der Ton aufblüht, das ist es, was eine schöne Stimmung ausmacht.

Und wenn man sich dann verdeutlicht, dass keine Saite zu 100%identisch mit einer anderen ist, sondern sich minimalst in der Obertonzusammensetzung ändert, dann weiß man, dass jeder Chor sowieso ein Kompromiss ist. Alleine deswegen liebe ich es, meinen D-Flügel zu stimmen, weil der von G#3 bis E6 versetzte Stegstifte hat, so dass jeder einzelne Chor mit drei unterschiedlichen Saitenlängen daherkommt. Bei Chören hilft einem auch kein Stimmgerät, deswegen könnt ihr das Geschwafel von wegen "totstimmen" einfach mal ignorieren.
 
Die Temperatur einer gleichschwebenden Stimmung (Equal Temperament) kann man mit verschiedenen Methoden erreichen, durch Zählen der Schwingungen bei bestimmten Intervallen. Am Endes des Tages aber kann ein Stimmgerät, das die Inharmonizität eines bestimmten Klaviers berücksichtigt, das besser/konsistenter als jede Stimmung nach Gehör.
Das stimmt natürlich, aber ich wollte darauf hinaus, dass das Konzept der gleichschwebenden Stimmung schon ein Kompromiss ist - und bzgl. der Terzen gar kein so guter.
 

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