Geringschätzung vereinfachter Versionen - eine Deutsche Ideologie?

  • Ersteller des Themas Bernhard Hiller
  • Erstellungsdatum

Ich vergleiche die vereinfachten Fassungen mal ganz kühn mit den Bergbahnen im Gebirge.
Wenn es in Zermatt nur die Gornergratbahn gäbe, um Behinderten, Alten und anderen, die anders keinen Eindruck von der Majestät und Größe des Hochgebirges bekommen könnten, dies zu ermöglichen, dann wäre das okay.
Wenn aber Junge, Fitte aus Faulheit mit vielen Bergbahnen da hochfahren, dann wird's ein Geschäft, und wenn Leute da hochfahren und sich und andere gefährden, weil sie sich dann leichtfertig auf Gletscher und in die Felsen begeben, denen sie nicht gewachsen sind, dann wird's gefährlich! Oder dumm!
 
..wobei viele abgespeckte Versionen eben nicht zum Hochgebirge gehören oder auch nur führen. Um Schüler, die im Tal stehen, dennoch abzuholen, muss man 1.) vom Berg herunterkommen,um sie dort abzuholen, wo sie stehen, und 2.) geeignete Wege finden, sie systematisch auf den Berg zu bringen, Schritt für Schritt. Dazu aber gibt es ja nun auch unzählig viele Originalliteratur. In einigen Ausnahmefällen kann dann auch einmal eine abgespeckte Version eine Rolle spielen, wenn sie durch die Hörgewohnheiten bestimmte Herausforderungen unterstützt. Eigene vereinfachende Eingriffe innbegriffen.
 
Es geht um "Geringschätzung vereinfachter Versionen".

Meine Meinung, und die sagte ich auch schon früher öfter:

Ohne "Vereinfachte Versionen", - wir würden evtl.: John W. Schaum nennen, oder andere - ( es git sogar vereinfachte Versionen von Klavierkonzerten ( mindestens Chopin op. 11, hab ich selber, und etwa Tschaikowsky b-Moll-Konzert, und VIELE ANDERE ) , würden manche Leute gar nicht

a ) zum Klavierspiel finden ODER sie würden es ad acta legen,

und

b ) würde es GENAU DIESE Leute nicht motivieren, sich früher ( oder später ) mit den RICHTIGEN Versionen zu befassen.

Ich halte vereinfachte Versionen daher für sinnvoll und motivierend, SOFERN...

...keine gravierenden FEHLER oder gar UNMAßGEBLICHE Teile, die kaum einer GENAU im Original kennt, angesetzt werden.

Ed(it)ieren "nach Belieben" ist also m.E. nicht so gut, ABER:

Es müssten / sollten die RELEVANTESTEN und WIEDERERKENNBARSTEN Themen in ERKENNBARER Form ohne gravierende melodische Abweichungen ( bedenkt: SANGBAR müsste alles sein und wiedererkennbar ) angeboten werden.

Daher: Ein MOTIVATIONS-PLUS zumindest von mir an: Schaum, und weitere. Z.B. die Bearbeiter für die LEICHTEN Versionen der Chopin-Konzerte und vom Tschaikowsky. Krentzlin auch, und vielleicht noch weitere.

Außerdem: Auch diese LEICHTEN würden von manchen als "mittelschwer" angesehen werden, so denke ich.

LG, Olli / LMG
 
Ich habe null Ahnung von Musiktheorie, kann nicht mal richtig Noten lesen, aber ich bin der Meinung, dass gut komponierte Musik ein harmonisches System bildet, das sich instinktiv erfassen und spielen lässt. In diesem System zählt jede Note.
Ein guter Komponist ist auch nicht mein Feind, sein so brutal aussehendes Notenmassaker ist bei näherem Hinsehen voller Hilfestellungen. Du kannst keine Tonleitern spielen? Macht nichts die kannst du aus der Harmonie zu hören. Du weißt nicht, wo die Taste liegt? Darum liegt auf dem Ton ein Oktavakkord. Und so weiter.

Aber wenn der Bearbeiter die Noten aus den Akkorden gestrichen hat, die du zum Hören brauchst, ist das natürlich schlecht. Dann hilft nur noch transponieren nach c-Dur.

Natürlich ist es technisch einfacher, aber ich bezweifle, dass man sich damit einen Gefallen tut.
 
Dann hilft nur noch transponieren nach c-Dur.

Von Brahms gibt es die Walzer op. 39 in drei originalen Fassungen, vor allem die beiden zweihändigen (schwer und leicht!?) sind hochinteressant. Der Cis-Dur Walzer etwa ist - wenn überhaupt! - in C-Dur kaum leichter als in Cis.
Und was Brahms geritten hat, das wunderschön umschattete As-Dur in Nr. 15 wieder ins vierhändige A-Dur zurück zu transponieren bleibt sein Geheimnis!
 
Ja, ich frage mich , was würden die Leute davon halten wenn ich einfach mal "Light Stimmungen" hinlege, da sie ja ohnehin nur vereinfachte Stücke spielen ? Stimm ich alles auf C, F und G Dur - paßt scho - die anderen Tonarten braucht man ja eh ned :012::005:
Tja Henry, da gibt es einen kleinen, aber wichtigen Unterschied: für deine Stimmungen verlangst du von deinen Kunden Geld. Für mein Geklimper erwarte ich keine Zuhörer, erst recht keine Zahlenden - mein Einkommen beziehe ich anderswoher.
 
Das größte grundsätzliche Problem bei diesen vereinfachten Sachen, ist meiner Meinung nach gar nicht, dass man da ein Stück verhunzt spielt.
Man darf nicht vergessen, die Anfänger, meist Kinder haben überhaupt keine oder kaum Literaturkenntnis.
Die halten dann die verkürzte vereinfachte Elise oder gar irgendeine Symphonie (Haydn Paukenschlag, Mozart 40, Beethoven 5, 9, Dvorak aus der neuen Welt...) für authentisch.
Oder die sind sich gar nicht mehr im Klaren darüber, dass es eine authentische Version gibt und denken man kann da im Prinzip machen, was man will.
Bestimmt denken viele Klavieranfänger und Flötenkinder, Beethovens 9. wäre ein Strophenlied.

Also wenn man so ein Zeug spielen lässt, sollte man das dosiert machen und dem Schüler deutlich vermitteln, dass er ein paar Melodien aus dem und dem Werk spielt und nicht das Werk in Wirklichkeit.
Auch sollte man dann meiner Meinung nach den Schüler mit dem Original vertraut machen.
 
Tja Henry, da gibt es einen kleinen, aber wichtigen Unterschied: für deine Stimmungen verlangst du von deinen Kunden Geld. Für mein Geklimper erwarte ich keine Zuhörer, erst recht keine Zahlenden .

Des siehst Du verkehrt herum...schau mal, meine seelische Grausamkeit dauert 90 Minuten, der Kunde weiß, danach ist s vorbei und zahlt anschließend gern daß diese Marter nun vorüber ist. Geh einfach zu Deinen Nachbarn und sag ihnen daß Du jetzt 90 Minuten spielen wirst und anschließend von Tür zu Tür gehst.......:teufel::-D

LG
Henry
 
Ergänzung für die nicht sehr fortgeschrittenen, die banales Zeig ablehnen, es gibt auch leichtere Zwölftonmusik (Erich Urbanner Bagatellen, die vierte ist ausgesprochen hübsch!)
Und selbst der große Godowski hat vereinfachte Bearbeitungen geschrieben und dazu Erläuterungen:
Bei Imslp z. B. unter Mozarts g-Moll Symphonie bei Bearbeitungen zu finden!
 
Zuletzt bearbeitet:

Und selbst der große Godowski hat vereinfachte Bearbeitungen geschrieben und dazu Erläuterungen

Franz Liszt hat auch eigene Stücke vereinfacht. Teilweise nur mal eine Zeile als Ossia (die sind meine ich aber doch authentisch oder?), dann gibt es eine authentische vereinfachte Version von St. Francois de Paule marchant sur les flots. Die klingt aber nicht gut und wird nie gespielt.
Die Paganini-Etüden und Präludium und Fuge über B A C H werden sogar eigentlich fast nur in der vereinfachten Version gespielt.
Vor allem erstere sind aber trotzdem alles andere als einfach.
 
Franz Liszt hat auch eigene Stücke vereinfacht.
@St. Francois de Paola das ist auf den ersten Blick richtig, aber pauschal gesagt verfälscht es.
Liszt hat vier verschiedene Varianten der Vereinfachung verwendet:
1. Die Transzendental-Paganinietüden erhielten eine schlankere (spielbarere!) letzte Fassung; was heute als La Campanella gespielt wird, ist eine Erleichterung (!) ;-)
Die Etüdenfassungen sind allerdings eine eigene Geschichte, die nichts mit den folgenden Varianten zu tun hat.
2. erleichternde Ossias für Instrumente mit geringerem Tonumfang
3. für einzelne heikle Stellen gelegentlich ein Ossia piu facile
4. radikal kürzende und massiv erleichternde Versionen "für Spieler mittleren Rangs" (! O-Ton Liszt)

Liszt hielt die Hobbyspieler seiner Zeit nicht für fähig, die wunderbare Transkription des Ständchens (Schubert) mit dem Echo zu spielen - stattdessen bot er diesem Publikum eine radikal gekürzte, echofreie Erleichterung an.

Seine Hauptwerke (Sonate etc) haben keine Ossias (!)

Gelegentlich taucht noch statt einer Erleichterung das Gegenteil auf: das Ossia piu difficile

_________________

...der Titel des Fadens... was soll man von Chopin halten? Die Don Giovanni Variationen enthalten eine Alternative zur sauschwierigen Sprüngevariation, diese wird in der Partitur bezeichnet als Version primitive... man wird Chopin wohl kaum deutsche Ideologie unterstellen wollen oder gar nachweisen können ;-);-):-D:-D
 
...der Titel des Fadens... was soll man von Chopin halten? Die Don Giovanni Variationen enthalten eine Alternative zur sauschwierigen Sprüngevariation, diese wird in der Partitur bezeichnet als [I]Version primitive... [/I]man wird Chopin wohl kaum deutsche Ideologie unterstellen wollen oder gar nachweisen können ;-);-):-D:-D

Richtig ….woher denn auch, er war kein Deutscher und hat nicht mal in Deutschland gelebt. Wenn schon, dann hat er eine polnische Ideologie verbreitet. ;-)">

Richtig ….woher denn auch, er war kein Deutscher und hat nicht mal in Deutschland gelebt. Wenn schon, dann hat er eine polnische Ideologie verbreitet. ;-)
 
Zuletzt bearbeitet:
@rolf klar stimmt das. Wollte, was er tat, auch nicht mit Heumann oder so vergleichen. Nur in den Raum stellen, was es noch so gibt.
 
man wird Chopin wohl kaum deutsche Ideologie unterstellen wollen oder gar nachweisen können

Das stört mich sowieso an der Frage in der Threadüberschrift.

Wieso sollte das eine auf das deutsche Staatsgebiet reduzierte "Ideologie" sein?

Betrachten Österreicher, Franzosen, Russen, Chinesen es als zielführend, den Mittelteil der Fantaisie Impromptu in einer vereinfachten Form und in C-Dur statt die Originalfassung und in Des-Dur zu spielen, und nur die Deutschen finden das bäh? :konfus:
 
Das stört mich sowieso an der Frage in der Threadüberschrift.

Wieso sollte das eine auf das deutsche Staatsgebiet reduzierte "Ideologie" sein?

Betrachten Österreicher, Franzosen, Russen, Chinesen es als zielführend, den Mittelteil der Fantaisie Impromptu in einer vereinfachten Form und in C-Dur statt die Originalfassung und in Des-Dur zu spielen, und nur die Deutschen finden das bäh? :konfus:
vielleicht sieht der TE eine allgemeine Tendenz einer Werte-Einschätzung von Dingen (nicht nur in der Musik), die sich seiner Meinung nach in Deutschland breit macht: Alles, was einfach ist, kann nicht gut sein. Nur was furchtbar kompliziert ist (oder aussieht), besitzt einen hohen Wert.

Als überspitztes Beispiel möchte ich die nouvelle cuisine (oder richtiger: was Otto Normalverbraucher dafür hält) heranziehen: Da werden irgendwelche exotischen Gewürze verwendet, deren Namen man nicht aussprechen kann, die Speisen werden kunstvoll auf dem Teller arrangiert, verziert mit Blattgold (für Herrn Ribery). Die Anbieter / Lokale sind auf Jahre ausgebucht, die Preise sind astronomisch und der Geschmack wird von den Schicki-Micki-Gästen hochstilisiert zu einer Komposition von gottgleichen orgiastischen Stimmungen.
ABER: wenn der Maitre nach dem Genuss zu mir kommt und mich frägt, wie ich die geschwitzten Baby-Känguru-Hoden-Filets fand, muss ich antworten: "Rein zufällig hab ich sie gefunden. Nach längerem Suchen unter der Garnierung."
Und um endlich satt zu werden gehe ich dann zu meinem Lieblingswirt und esse einen wundervollen Grillteller mit einem zusätzlichen Wammerl oben drauf, lasse mir ein Weißbier schmecken und zahle keine 20,- €.

Dies ist ein Beispiel von vielen und keineswegs nur ein deutsches Problem, sondern man findet es überall. Die Welt will einfach beschissen werden.
 
eine Alternative zur sauschwierigen Sprüngevariation, diese wird in der Partitur bezeichnet als Version primitive... man wird Chopin wohl kaum deutsche Ideologie unterstellen
Eben. Er hat selbst eine vereinfachte Version geschrieben und damit zum Ausdruck gebracht, daß er sie nicht verachtet (die französische "Version primitive" entspricht meines Wissens nicht der "primitiven Version" sondern der "einfachen Version").
 

Zurück
Top Bottom