Flügel als "Nur-Resonanzkörper"

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Bernhard Hiller

Bernhard Hiller

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In der Ruhestellung des Flügels liegen die Dämpfer auf den Saiten auf, und er wird durch andere Instrumente, die in seiner Nähe spielen, nur wenig in Schwingungen versetzt.
Anders sieht es aus, wenn man das Pedal tritt und alle Dämpfer hebt: nun kann so allerhand mitschwingen. Oder "gezielter": der Klavierspieler drückt ein paar Tasten stumm nieder und hält sie gedrückt (oder nimmt das mittlere Pedal zur Hilfe) - nun schwingen nur bestimmte Saiten mit. Und das, ohne daß irgendein Ton aktiv angeschlagen wird.
Gibt es irgendwelche kammermusikalischen oder Orchester-Werke, die diesen Effekt nutzen und das Klavier so als Extra-Resonanzkörper einsetzen?
Oder Interpretationen von Werken, bei denen das zwar nicht notiert ist, die Interpreten sich das aber mal "erlauben"?
 
Ja, zum Beispiel hier am Ende:

 
In "Thirteen ways of looking at a blackbird" von Lukas Foss kommt das vor


z.B. werden bei 2:20 die Saiten als "Harfe" genutzt, während man stumm an der Tastatur Akkorde anschlägt, die dann nachklingen. Bei 8:20 kommt ein Superball zum Einsatz, ein Gummi(?)ball, mit dem der Percussionist auf dem Resonanzboden reibt, während der Pianist das Pedal tritt. Hört man in der Aufnahme leider nicht so gut.
 
Schubert - Gretchen am Spinnrade: Dort ist es zwar nicht ausdrücklich komponiert, aber ein interessanter Effekt, wenn die Sängerin „sein Kuss!“ singt (gefolgt von einer Pause) und in der Pause der Gesang aus dem Klavier nachhallt, weil der Pianist zuvor das Dämpferpedal getreten hat.

Das funktioniert sicherlich auch bei anderen Liedern.
 
Arvo Pärt, Thema bis ca. 00:40 ......
 
(1) Anders sieht es aus, wenn man das Pedal tritt und alle Dämpfer hebt: nun kann so allerhand mitschwingen. Oder "gezielter": der Klavierspieler drückt ein paar Tasten stumm nieder und hält sie gedrückt (oder nimmt das mittlere Pedal zur Hilfe) - nun schwingen nur bestimmte Saiten mit. Und das, ohne daß irgendein Ton aktiv angeschlagen wird.
(2) Gibt es irgendwelche kammermusikalischen oder Orchester-Werke, die diesen Effekt nutzen und das Klavier so als Extra-Resonanzkörper einsetzen?
(3) Oder Interpretationen von Werken, bei denen das zwar nicht notiert ist, die Interpreten sich das aber mal "erlauben"?
@Bernhard Hiller dein Beitrag enthält mehrere Fragen bzw. es ergeben sich verschiedene Fragestellungen
(1) Schönberg verwendet als "Flageolett" stumm gegriffene Akkorde im ersten der "Drei Klavierstücke op.11"
stumm Flageolett.png
(2) in diese Richtung weist Ligetis "Atmospheres", der Flügel ist ungedämpft (schwingt also mit) und wird zeitweilig auf den Saiten gebürstet (sic)

(3) das betrifft eine ganz gehörige Menge der pianistischen Praxis, ausführlich dargestellt in https://karlbetz.de/kapitel7.pdf
 
Ist vielleicht ein bißchen off topic, aber ich ertappe mich oft dabei, dass ich Sängern Pedal gebe. Wenn sie also alleine singen und mein Klavier schweigt, dann trete ich den Fuß...
 
Freut mich, daß die "Resonanz" sich nicht nur im Titel befindet, sondern sich auch in euren Beiträgen zeigt. Das ist ne ganz schöne Menge, die ich noch durcharbeiten werde. Schon mal vielen Dank an euch - und viel Spaß am Weiterresonieren!
 
„sein Kuss!“ singt (gefolgt von einer Pause) und in der Pause der Gesang aus dem Klavier nachhallt
Interessante Idee - ursprünglich dachte ich an mitschwingende Saiten.
Yehudi Menuhin hat den Flügel gelegentlich als Hallgerät missbraucht

ich Sängern Pedal gebe. Wenn sie also alleine singen und mein Klavier schweigt
Das trifft es. Hier schwingen also alle Saiten mit - nicht ein paar ausgewählte. Hast du letzteres auch mal probiert?
 
Bisher noch nicht, aber das ist eine interessante Idee!
Besonders wenn sie lange Töne haben, gebe ich Pedal.
 
Bei 8:20 kommt ein Superball zum Einsatz, ein Gummi(?)ball, mit dem der Percussionist auf dem Resonanzboden reibt, während der Pianist das Pedal tritt. Hört man in der Aufnahme leider nicht so gut.
Schade daß es kaum vernehmbar ist.
Hier zeigt sich die Moderne: der Versuch, alle "unkonventionellen" Klangmöglichkeiten des Instrumentes auszuloten.
 

@Bernhard Hiller
Der Gesang klingt ja durch die in Schwingung gebrachten Saiten nach. Es ist im Prinzip das Gleiche, das @Tastatula meinte.
 
Meisterkurs mit dem Schwerpunkt Zeitgenössisches Repertoire bei dem Flötisten Aurèle Nicolet. Ein Kursteilnehmer spielt "Le Merle noir" von Olivier Messiaen, Rheinkultur spielt den Klavierpart. Nicolet animiert den Flötisten, die solistischen Abschnitte gezielt in den geöffneten Flügel hinein zu spielen, und den Pianisten, diese Flötensoli so zu pedalisieren, wie er es mit einem Klaviersolo täte, so dass nun auch die Flöte weitgespannte gebrochene Akkorde spielen kann, deren Klang den ganzen Raum ausfüllt:



Ein beliebtes Prüfungsstück - aber dieser Effekt gibt dem Stück eine räumliche Dimension, die man zuvor nicht erwartet hätte. Eine großartige Erfahrung - aber der Kursleiter scheint sich diesbezüglich mit dem Komponisten zu Lebzeiten ausgetauscht zu haben. Das Stück wurde einst (1952) als Prüfungsstück am Pariser Conservatoire konzipiert für die Flötenklasse von Gaston Crunelle, der u.a. James Galway und seinen Nachfolger Jean-Pierre Rampal (Uraufführung der Poulenc-Sonate) ausbildete. In diesem Umfeld entstanden beispielsweise auch die Dutilleux-Sonatine und "Chant de Linos" von Jolivet, die ebenfalls zur Standardliteratur gehören.

LG von Rheinkultur
 
Dazu fällt mir eine Begebenheit ein, als ich meinen Flügel gerade frisch hatte, Michael bei mir war und an der ausgebauten Dämpfung beschäftigt war, stellte sich unser Hund vor die Tür und bellte einmal laut.

Der Flügel antwortete.
 
an der ausgebauten Dämpfung beschäftigt war, stellte sich unser Hund vor die Tür und bellte einmal laut.

Der Flügel antwortete.
Interessant, sollte man mal ausprobieren. Was bei mir stets antwortet, sowohl beim Hundebellen als auch auf Rufe in der richtigen Stimmlage, sind meine drei Ukulelen an der Wand sowie die Glastüren meiner Vitrinen. Mit denen kann man richtige Konversationen führen.
 
Am Ende der a-Moll-Fuge aus Bachs WTK1 habe ich manchmal das Kontra-A stumm niedergedrückt (und mithilfe des Sostenutopedals gehalten). Das gibt vor allem dem letzten Akkord eine Fülle, die er sonst nicht hätte.

Im obigen Beispiel aus Ligetis Musica Ricercata müsste man in der kleinen Oktave eigentlich G halten statt A. Die Obertonresonanzen des A tragen ja beim klingenden D wenig bei.
 
Von Dutilleux gibt es das tolle Werk "Figures de Resonances" für zwei Flügel, in welchem beide Instrumente jeweils auch als Resonanzkörper für das andere Instrument dienen (das ist sozusagen auch der zentrale Gedankengang dieses Werks, wie man schon am Titel merkt):



Ein wirklich tolles Stück! Es wirkt nur leider auf youtube nicht so, wie es live wirkt...

Verwandt zu dieser Idee ist noch die Idee des "Piano d'Amore" von Marco Stroppa. In seinem Zyklus "Miniature Estrose" werden bei jedem Stück andere (aber fixierte und sehr viele) Töne ins mittlere Pedal genommen, die beim Spielen dann mitschwingen, und den Klang des Klaviers entsprechend einfärben:



P.S. Auch ich spiele mit meiner Flötistin oft so, dass sie in den Flügel hineinspielt und ich das Pedal trete, um Resonanzeffekte gezielt auszunutzen, auch wenn diese nicht notiert sind.
 
Habe es mir auf Naxos mit "Premium Klangqualität" angehört - und auch da kommt der Effekt nicht rüber. Man hört nur massiven Pedaleinsatz, aber nicht die resonante Zwiesprache. Vielleicht kriege ich es ja mal live zu hören.
In ca. einem Jahr werden mein Klavierduopartner und ich es sicher öffentlich spielen, allerdings in München^^. Diese weite Anreise lohnt sich dann vielleicht nicht unbedingt... . Aber die Klänge sind wunderbar "spektral" ausbalanciert! Es ist wirklich schön...
 
Hat Feurich nicht für genau diesen Zweck im kleineren Maßstab das "Pédale Harmonique" entwickelt? Dafür gibt es sicher nicht Massen an Literatur, aber im Grunde ließe sich solch ein Resonanzeffekt damit auch solistisch realisieren.
 

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