Armer Kerl.
Ich kann mich den Verkäufer ganz gut hinein versetzen.
Es gibt schliesslich Geigen, die älter sind als das Klavier, und mit Millionenbeträgen versichert sind. Ein Laie, der davon erfährt, fragt sich, ob er da vielleicht ein Vermögen geerbt hat, ohne es würdigen zu müssen. Jemanden fragen kann er nicht, denn er weiß, daß es Leute gibt, die merken, daß der Fragende keine Ahnung hat, und dann zum Lügen bereit sind ("Och, diese olle Stradivari, die ist nix mehr wert ... ich geb ihnen 50 Euro dafür!"). Wem kann man heutzutage schon vertrauen?
Was macht man also, wenn man etwas besitzt und verkaufen möchte, bei dem man keine Ahnung hat, was es wirklich wert ist? Wenn es ein Gegenstand ist, der öfters angeboten wird, kann man sich an den sonst erzielten Preisen orientieren. Aber ein Klavier dieses Alters wird nicht oft bei eBay angeboten. Stradivaris eben auch nicht. Ergo: Es muß sich bei diesem Instrument um so etwas Ähnliches wie eine Stradivari handeln.
Ist doch logisch, oder?
Wenn ich in seiner Situation wäre, würde ich es vermutlich genauso machen: Erst hoch anbieten, und dann schrittweise heruntergehen. Das ist gar nicht so selten: Ich beobachte seit einigen Monaten bei eBay ein Keyboard, das zuerst für 3600 Euro angeboten wurde, und - in Schritten von jeweils 100 Euro weniger - immer wieder neu eingestellt wurde. Jetzt liegt es bei 2100 Euro, und wenn es bei 800 Euro angekommen ist, dann überlege ich mir, ob ich es kaufe, denn so viel ist es in meinen Augen wert. Aber wahrscheinlich wird es jemand Anderer schon bei 1200 Euro kaufen - Kaufentscheidungen werden eben nicht rational gefällt.
Der Verkäufer hat keine Wahl, er muß es so machen. Und vor allem hat er keine Möglichkeit, zu vermeiden, daß man ihn auslacht. Denn wenn er den Gegenstand unter Preis verkauft, dann ist das Auslachen ja noch viel schlimmer!
Gruß
Der Klimperkerl.