Designunfälle ?!?

@sla019
Der Seiler wurde gebaut und war auch anno dunnemal auf der Musikmesse. Mit hydraulischer Klappe ;-) Fotografiert bei einem Kumpel mit viel Trockeneis ;-)

Barock/Rokoko: Ich grüble gerade. Könnte mirs natürlich leicht machen und sagen, dass hier Design als Kriterium nicht anwendbar ist - ebenso wie bei einem Gemälde. Solange man Design als Reduzierung auf Funktion versteht, würde das zutreffen. Nun gibt es aber z.B. bei Möbeln u.a. "Memphis-Design" u.v.m, das zunächst auch viel scheinbar Dazugepapptes aufweist. Gehen wir doch mal ran und nehmen im Geiste einige berühmte Bauwerke aus den von Dir genannten Zeiten. Dann nehmen wir irgendwo was weg - und: voila - es "bricht in 90% der Fälle optisch zusammen". Das Kriterium des Nicht-wegnehmen-Könnens dürfte also selbst bei dieser Opulenz zutreffen.

Nun nehmen wir zum Vergleich das Batman-Teil und probieren das Gleiche. Nehmen eine Kante weg oder einen Schwung - da tut sich dann gar nicht so viel... das zeigt die "Belanglosigkeit"

Also definieren wir gutes Design nicht als ultimative Reduktion bis hin zur nackten Schönheit der Shaker, sondern als größtmögliche Reduktion INNERHALB des durch Zeitgeist und Funktion sowie Harmonie vorgegeben Rahmens?
 
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@sla019Also definieren wir gutes Design nicht als ultimative Reduktion bis hin zur nackten Schönheit der Shaker, sondern als größtmögliche Reduktion INNERHALB des durch Zeitgeist und Funktion vorgegeben Rahmens?

Also einverstanden und wichtig: der Referenzpunkt des Urteils wechselt mit dem Geschmack der Epoche und man muß den Objekten historische Gerechtigkeit widerfahren lassen. Aber sind dann hier vielleicht nicht einige Instrumente falsch, nämlich aus unserer derzeitigen Sicht beurteilt worden? ich muß z.B. über die Nierentisch-und-Tulpenleuchte-Ästhetik meiner Kindheit auch lachen. Aber damals war sie doch eine, amerikanische Impulse aufnehmende, Lossagung von dem megalomanischen Neoklassizismus der Nazizeit. Bevor ich jetzt schreibe "Gerechtigkeit für die Tulpenleuchte" (oder das Sauter-Piano mit den Nierentisch-Beinen, das es auch gab; leider hab ich kein Photo mehr) stelle ich die viel interessantere frage: wie begründen wir unser Urteil über diese historischen Gegenstände? Müssen wir uns darauf beschränken, zu sagen, daß einer nach den Maßstäben seiner Epoche ge- oder mißlungen ist? Oder gibt es"gerechte" Möglichkeiten, den historischen "Designunfall" als solchen zu beurteilen?
 
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Ui, danke für den Fund! Nicht exakt dieses, aber ein sehr ähliches stand wenigstens ein Dezennium bei Fricke in Ansbach. Ich hätts aus Mitleid beinnahe mal gekauft, konnte mich dann aber doch nicht zu so viel Nostalgie für mein Arbeitszimmer durchringen. Über die Bezeichnung "Art deco" für das von Dir verlinkte Stück mußte ich lachen - das ist ein astreines Spätfünfzigerjahre Musikmöbel, in dem statt Saiten auch ein Plattenwechsler stecken könnte , der "Zwei kleine Italiener..." dudelt.

Nachtrag: Ich habs - es steht inzwischen, zu einem irrwitzigen Preis, in Erlangen:

http://www.pianova.com/de/products/9268-klavier-piano-sauter-108

Die Beine sind es, die den Unterschied machen.
 
@sla019

wie begründen wir unser Urteil über diese historischen Gegenstände? Müssen wir uns darauf beschränken, zu sagen, daß einer nach den Maßstäben seiner Epoche ge- oder mißlungen ist? Oder gibt es"gerechte" Möglichkeiten, den historischen "Designunfall" als solchen zu beurteilen?

Jein. Zunächst einmal müssen wir unser Geschmacksempfinden ausblenden (das können in der Regel nur Profis) und das Ding per se betrachten. Ist es "in sich stimmig"? Das trifft für das Nierentisch-Klavier ganz gewiss zu. Befolgt es "Regeln", ist gestalterische Logik erkennbar? Auch das wird man bejahen können. Diese zwei Fragen eliminieren schon einmal die schlimmsten "echten Unfälle".

Anschließend kommt wieder das Thema "Wegnehmen". Bleiben wir beim Nierentisch-Klavier. Hier kann man z.B. die netten Füsse wegnehmen, ohne dass an der großen Form irgendwas passiert. Es fehlt zwar nun ein Zeit-Stilelement, aber für die Form scheint das nicht relevant zu sein.

Und genau das geht eben mit den zeitgebundenen Stilelementen z.B. am Straßburger Münster nicht. Sie sind formal bedeutsam, gewichtig.

Also könnte man nun schlussfolgern, dass unabhängig von jeder Zeitepoche, die Regel des Wegnehmes/Nichtwegnehmens Gültigkeit hat?

Aber sind dann hier vielleicht nicht einige Instrumente falsch, nämlich aus unserer derzeitigen Sicht beurteilt worden?
Grundsätzlich sollten wir uns immer hüten, unseren "Geschmack", unser derzeitiges Empfinden als Maßstab anzulegen. Wir müssen die Dinge wertneutral nach sich selbst beurteilen. Daher sind auch einige Nazibauten durchaus als stilistisch wichtig und formal richtig einzustufen, obs uns nun passt oder nicht.

ich muß z.B. über die Nierschtisch-und-Tulpenleuchte-Ästhetik meiner Kindheit auch lachen. Aber damals war sie doch eine, amerikanische Impulse aufnehmende, Lossagung von dem megalomanischen Neoklassizismus der Nazizeit.
Ein wunderbares Beispiel. Ein Extremausschlag in die eine Richtung bedingt meist einen ebensolchen Ausschlag in die andere Richtung. Was die Masse der Dinge angeht, so entstehen in solchen Zeiten eher wenige Sachen von hoher Designqualität, weil das Bemühen um "Antwort, gar Revolution" die Konzentration auf die Schönheit des Dings überwiegt.

N.B. Im gegensatz zum Nierentisch-Klavier ist der dreibeinige, gestreifte Nierentisch-Klassiker formvollendet. Nicht kann hinzugefügt, nichts entfernt werden. Das Ding ist in sich vollkommen stimmig. Parallel zu diesem Zeitdokument entstanden natürlich Hunderte von nachäffenden Plagiaten, die diese Stimmigkeit nicht aufweisen und ins Dekorative abgleiten. Wir müssen also stets aufpassen, nicht epochal zu vereinfachen, sondern müssen immer das einzelne Bauwerk, Produkt oderwasauchimmer betrachten und beurteilen. Soll heißen: Es gibt auch aus der Nierentischzeit sehr wohl Produkte in Museumsreife. Und in der Regel stehen sie dann auch da.
 
...aber nur in den USA ;-)
 
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Ich glaube, Lanz, Du schätzt mich falsch ein ;-). Wenn "Herr" - dann ein englischer ;-)
 

Man beachte dabei unbedingt die Ortsangabe !!! - Seb.-Bach-Str., ...
 
Schade, daß es oben nicht auch so abgerundet wie unten ist, dann könnte man es rollen...:lol:
 
Schätze mal, da hat jemad den 50er Jahre Stil ratzfatz umgebaut und das Ganze für die Seventies passend gemacht. Gor ned schlecht gemacht.
 
Wie wär's denn mit diesem Modell von David Klavins (in Planung):
Klavins Flügel.jpg
 
Oder für Freunde des Purismus (ebenfalls von David Klavins):
Klavins una corda Piano.png

Nähere Informationen findet Ihr hier: David Klavins
 

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