In der Avantgarde nach 1945 wird mit "Blues" einer bestimmten Haltung
nichtklassischen Musizierens gedacht - sowie der damit assoziierten Gefühlsinstensität.
In John Cages "Sixteen Dances" aus dem Jahre 1951 gibt es einen "Blues":
YouTube - Cage: "Sixteen Dances" 4/6‏
Anfang der fünfziger Jahre befand sich Cage in einer merkwürdigen Umbruchssituation:
Er versuchte, seine leidenschaftliche Liebe zur Musik Erik Saties mit der zu Anton Webern
unter einen Hut zu bekommen. Vom Material wie auch vom Umgang mit dem Material her
könnte es kaum zwei unterschiedlichere Komponisten geben als Satie und Weberm -
wenn man von beider Hang zur Verknappung, zur Kürze und präzisen Fomulierung absieht.
Die größte Gemeinsamkeit ist die von Cage auskomponierte: eine friedliche Koexistenz
von Modalität/Tonalität und der Verzicht auf jede Tonartbindung, von Ruhe und Heftigkeit.
Die "Sixteen Dances" sind als Parergon zum gleichzeitig komponierten "Concerto for
prepared piano and orchestra" mit Hilfe einer quasi-seriellen Baukastentechnik entstanden:
Karteikarten mit darauf notierten Tönen, Aggregaten und Pausen werden ausgewählt.
Ihr Mischungsverhältnis ändert sich im Laufe der Komposition. Wie man sieht, ist Cage dabei,
sich als komponierendes Subjekt zurückzuziehen. An seine Stille tritt der Zufall.
Beim "Blues" hat er aber noch ein wenig nachgeholfen - zum Beipsiel mit den Trompeten-Ostinati.
In Bernd Alois Zimmermanns 1966 komponiertem "Konzert für Violoncello und Orchester
en forme de pas de trois" heißt der Schlußsatz "Blues e Coda":
http://www.google.de/url?url=http:/...sg=AFQjCNFh-2LJFHPqlN2ksf9XNTBNU9bYGQ&cad=rja
Hier ist Blues eine Chiffre für die akustische Gegenwelt. Der Blues, von Menschen
in einem Zustand größter Unfreiheit entwickelt, dient hundert Jahre später anderen
als ein Hort imaginierter Freiheit.