Guten Abend!
Manche sagen, im langsamen Satz des G-Dur Konzerts von Ravel befänden sich Anklänge an Blues -
das scheint aber eher gelegentliche melancholische Partien zu meinen (im Sinne von "den Blues haben"),
denn weder die entsprechenden Form-Schemata noch vergleichbare Harmonik-Patterns lassen sich auffinden
(nicht jede melancholische Kantilene hat den Blues)...
Zur Abrundung dieser "Kleinen Geschichte des Blues" ein Blick auf die
ab 1920 einsetzende Blues-Rezeption in der abendländischen Kunstmusik.
Nicht der Mittelsatz des Ravelschen G-Dur-Klavierkonzerts wäre hier zu nennen,
wohl aber der Mittelsatz von Ravels Violinsonate in G-Dur mit der Satzüberschrift
"Blues Moderato", komponiert zwischen 1923 und 1927:
http://www.google.de/url?url=http:/...sg=AFQjCNExbgKI5Haer7ArZO91CwmipsGYjw&cad=rja
1946 schrieb Strawinsky das dreisätzige "Ebony Concerto" als Auftragskomposition
für Woody Herman und sagte darüber: "The Ebony Concerto is my contribution to the Blues",
was vorallem für das Andante, den langsamen Mittelsatz, gilt.
http://www.google.de/url?url=http:/...sg=AFQjCNGv5Ismx0_Yv6fIfBM9ANVQT7x8hQ&cad=rja
Mit authentischem Blues hat die Musik wenig zu tun. "Blues" ist für Ravel eine Chiffre -
eine unter vielen musikalischen Gegenwelten, die er sich sein Leben lang aufgebaut hat.
Strawinskys Musik ist distanziert. Er behandelt das von ihm verfremdete Idiom,
den "symphonischen Jazz" à la Woody Herman, so wie früher Elemente der russischen Volksmusik
oder des barocken Triosonaten-Stils: als Rohstoff für eine Collage.
Aaron Copland hat zwischen 1926 und 1948 vier "Blues"-Stücke für Klavier komponiert:
http://www.google.de/url?url=http:/...sg=AFQjCNEYl2jSQN9kRYuREXlh80zDTnQBtw&cad=rja
Vom Höreindruck scheint mir "Blues" hier ein Begriff zu sein, der einfach
nur Volkstümlichkeit suggerieren soll, um die sich auch die Musik bemüht,
ohne ihr nahezukommen - was nicht minder für Samuel Barbers op.20 Nr.2 gilt,
zu spielen "in slow blues tempo":
http://www.google.de/url?url=http:/...sg=AFQjCNHszZivcsQ7SRq9bE89J3zpzRwaKQ&cad=rja
Das Bluesigste, das mir aus der abendländischen Kunstmusik je zu Ohren gekommen ist,
stammt von Alexander Skrjabin, einem Komponisten, der diese Musik nicht kannte
und mit ihr nichts hätte zu tun haben wollen, wenn sie ihm bekannt gewesen wäre.
Die vielen blue-note-artigen Wendungen in seinen späten Sonaten und Klavierstücken
erklären sich aus Skrjabins Gebrauch der oktatonischen Skala, deren Klänge und Melodien
als Dur/Moll-Mischungen gehört werden können.
Gruß, Gomez
.