Im Alstertal Einkaufszentrum (AEZ) in Hamburg, wo ich wohne, steht ein Schimmel-Flügel. Bei einem Einkauf habe ich einmal den Deckel hochgeklappt und nur einige Akkorde angeschlagen, um zu sehen, ob das Instrument gestimmt ist und wie es klingt. Es dauerte keine zehn Sekunden, da kam ein Wachmann vom AEZ und machte mich rüde an, ob ich wohl etwas begriffstutzig sei, das Instrument sei doch mit einem Seil abgesperrt und nur für Veranstaltungen da, und wenn ich noch einmal darauf spielen würde, würde er mir Hausverbot erteilen.
Im Zweifelsfall immer erst versuchen, einen potenziellen Ansprechpartner zu finden und sich erkundigen, ob man mal spielen darf, um sich solche unerfreulichen Erlebnisse zu ersparen. Wenn es gut läuft, ergibt sich sogar die Gelegenheit, ganz offiziell dort spielen zu können, dann auch gegen Bezahlung. Einfach so ans Instrument gehen und losspielen, davon rate ich ab. Selbst nach langjähriger Berufspraxis auf dem Terrain der Piano-Livemusik frage ich grundsätzlich immer erst vorher nach - vor allem dann, wenn es irgendwelche "Sicherungsmaßnahmen" wie einen Aufsteller "Bitte nicht berühren" gibt. Ähnliches gilt auch, wenn ich mit meinen Chören auf Reisen bin und irgendeine Institution besichtige, wo man gut auftreten könnte, zum Beispiel eine bekannte Kirche. Wenn nicht ohnehin ein (zwangsläufig öffentlicher) Auftritt für uns organisiert wurde, ist eine Nachfrage bei Aufsichtspersonal oder Besucherführung obligatorisch. Dann ist man immer auf der sicheren Seite und niemand empfindet eine solche Darbietung als störenden Akt der Selbstdarstellung.
Seitdem kaufe ich da nicht mehr ein.
Das interessiert das Wachpersonal des Einkaufszentrums aber nicht. Eher schon die Betreiber des Unternehmens, die natürlich an gutem Umsatz und zufriedener Kundschaft interessiert sind. Piano-Livemusik in solchen Häusern erfüllt meist die Funktion der "Verkaufsförderung", da sich positiv angesprochen fühlende Kundschaft dort länger aufzuhalten pflegt und die Konsumfreudigkeit zunimmt. Deshalb ist dort weniger ein "Konzertieren" als vielmehr ein subtiler Dialog mit den anwesenden Personen gefragt, da die Leute ja nicht primär wegen der Klaviermusik kommen. Dazu habe ich in diversen Fäden schon einiges geschrieben. Wer "konzertieren" möchte und daran interessiert ist, dass man ihm aufmerksam zuhört, hat dazu besser passende Gelegenheiten an Orten, die ohnehin für Konzerte genutzt werden oder sich zumindest dafür eignen würden.
@Pianist685 Sowas erzählt man heutzutage am besten gleich in Echtzeit einem Multiplikatormedium (z. B. Twitter) und schaut dann zu, wie die zuständigen Marketingkasper (also diejenigen, die den Flügel dort haben aufstellen lassen) anfangen zu rotieren. Nicht vergessen die Smartphone-Kamera mitlaufen zu lassen, kommt immer gut.
Solche Videos gibt es zuhauf auf YouTube & Co. - ja und? Braucht keiner. Natürlich beabsichtigen die "Marketingkasper" damit höhere Umsätze - das ist ja ihr Job, für den sie auch Investitionen tätigen müssen: Beschaffung und Pflege des Instruments und die Verpflichtung qualifizierter Instrumentalisten. Dafür muss ja schließlich auch zunächst bezahlt werden, bis hoffentlich höhere Umsätze in der Kasse landen. Und die zuständigen Auftraggeber, die beispielsweise mit den Künstlern das Honorar aushandeln, haben auch eine Chefetage über sich, wo man kaufmännisch denkt und das auch tun muss, damit der Laden läuft.
Zum Thema: Hast Du schon mal neben den schon genannten Spielorten in Pfarrgemeinden schon mal an Senioren- oder Pflegeeinrichtungen gedacht? Gerade da sind künstlerisch tätige Personen durchaus willkommen, die für das oftmals sehr dankbare Publikum dort musizieren oder sogar in der Lage sind, diese Menschen aktiv mit einzubeziehen, zum Beispiel mit ihnen etwas zu singen. Auch dazu habe ich an anderer Stelle bereits einiges geschrieben. Allerdings erhält der zuständige Sozialdienst auch dort meist viele Initiativangebote professioneller Künstler und viele externe Kräfte sind dort ehrenamtlich oder nur für kleine Aufwandsentschädigungen tätig, was man bei der Frage nach der Bezahlung im Hinterkopf haben sollte.
LG von Rheinkultur