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Ohne Leute, die in einem solchen Kontext Verantwortung übernehmen und Durchhaltevermögen an den Tag legen, hält sich ein solches Projekt nicht lange. Gerade in der Startphase herrscht eine besonders große Fluktuation. Zwei Beispiele aus meiner Chorleiterpraxis:Bis so etwas zum Selbstläufer wird, muss irgendjemand verlässlich koordinieren, Termine festsetzen, Ansprechpartner sein, den Leuten hinterhertelefonieren o.ä.
Ein unter meiner Leitung stehender Frauenchor ist in sich gespalten. Die jüngeren und junggebliebenen Mitglieder begrüßen die von mir betriebene behutsame Modernisierung des in die Jahre gekommenen Repertoires, die älteren wollen sich um keinen Millimeter in irgendeine andere Richtung bewegen. Nach mehreren Vereinsaustritten sind praktisch nur noch Mitglieder im Seniorenalter übrig, die endlich widerspruchslos ihre altbackenen Volksliedersätze vor immer weniger Zuhörern vortragen können. Einige Vertreterinnen der ersten Gruppe wollen weitersingen und man trifft die Entscheidung, einen neuen Chor zu gründen. Zur ersten Probe erscheinen 38 Sängerinnen, die Begeisterung ist groß. Allerdings kommt es bald schon zu Zickenkrieg, Intrigen und Auseinandersetzungen, trotzdem gelingen schon bald erste öffentliche Auftritte. Da es keinen richtigen Vorstand gibt und der Chor anderthalb Jahre später noch nicht einmal offiziell gegründet ist, nehme ich neue Engagements andernorts an und der Chor existiert mit Chorleiter Nummer Zwei nach mir immer noch, wenn auch nur auf Sparflamme. Den älteren Chor gab ich ein Jahr später ab und übernahm andernorts einen größeren und erfolgreicheren Verein, da die verbliebenen Hausfrauen und Rentnerinnen auf keinen anderen Probentag wechseln wollten. Drei Jahre später löste sich der Chor sang- und klanglos auf. So kann es gehen, wenn Menschen immer nur wissen, was sie alles nicht wollen.
Eine große Bank gründet einen Betriebschor, der unter günstigen Bedingungen startet: ein großer Vortragssaal mit Steinway-Halbkonzerter steht für Proben und Auftritte zur Verfügung, die Geschäftsleitung zahlt mir ein stattliches Dirigentenhonorar, ein Stagepiano für den mobilen Einsatz wird gekauft, Auftritte der dreistimmig gemischt singenden Formation gelingen gut. Und doch ist nach drei Jahren wieder Schluss - warum? Erfahrene Chormitglieder werden überregional in andere Niederlassungen versetzt, Führungskräfte können aufgrund beruflicher Belastungen immer häufiger nicht an Proben teilnehmen, ein Ausweichen auf den Feierabend ist nicht möglich... - was nützt das Engagieren eines erfahrenen Trainers, wenn aus organisatorischen Gründen die Mannschaft nicht zusammenbleiben kann?
LG von Rheinkultur