Lieber Tobias,
du bist hier so etwas wie mein Amateur-Idol. Es ist echt unglaublich, was du alles im Repertoire hast und auf welch hohem Niveau deine Darbietungen sind. Und jetzt spielst du auch noch meine Lieblings-Sonate von Beethoven ein…
Was du dort machst ist wirklich sehr schön anzuhören, ich beneide dich! Ich werde nun einige Vorschläge machen, wie man gewisse Sachen anders machen könnte ohne dabei den Anspruch erheben zu wollen, dass man das so machen muss wie ich es glaube. Es handelt sich lediglich um meine unmaßgebliche Meinung, denn ich bin ja bekanntlich selber nur Amateur mit unzureichendem Sachverstand und du spielst diese Sonate um einiges besser als ich. Deswegen verstehe alles was nun folgt bitte nicht als Kritik. Vielleicht kann ich dich ja dennoch zu dem einen oder anderen Punkt inspirieren.
Also…
- Satz
Takt 3: Lass dir für den Triller ruhig mehr Zeit. Ich höre nur ein Crescendo, kein folgendes Decrescendo im Triller.
(siehe auch Barenboims Ausführungen)
Die anschließende Kantilene ist klasse, ebenso die Girlanden!
Takt 23: Die Vierergruppe im dritten Viertel spielst du als komplett gebundene Vierergruppe. Das spielen auch viele Profis so. Notiert ist die Stelle ausgehend von den Legato-Bögen als zwei gebundene Zweiergruppen. Ich finde es schön, wenn man das mehr hervorhebt, also statt dadadadadaaaadaaaa, lieber dadap-dadap-daaaadaaaa.
Takt 45 ff: Ein herrlicher Dialog in der linken Hand ist das! Die steigende und fallende Dynamik in jeden zweiten Takt kann etwas deutlicher ausfallen, das ist mir ein bisschen zu zart und eintönig.
Takt 55: Crescendo bis zu den Trillern, dann Diminuendo.
Takt 58: Crescendo – Takt 59 Diminuendo... Auch das klingt dynamisch für mich zu gleichbleibend.
Takt 62: Klasse!
Takt 65: Ab drittem Viertel Crescendo bis zum Forte zu Beginn von Takt 67, dann Diminuendo bis zum pp ab Takt 69.
Takt 69: Ich spiele dort ritardando (ähnlich Brendel) und „una corda“, „tre corde“ erst wieder ab Takt 73 drittes Viertel (ich sehe deine Füße nicht und weiß nicht, wie du es dort machst). Die E(Fes)-Dur-Girlanden klingen nicht ganz so locker und geschmeidig (sind aber auch schwierig), wie die in As-Dur zu Beginn.
Takt 77: Du spielst ritenente bereits hier auf dem dritten Viertel und sf auf dem ersten Viertel von Takt 78, danach folgt kein Crescendo oder ritenente in Takt 78 mehr. Dadurch nimmst du meiner Meinung nach dem schönen Effekt von Takt 78 und 79 (Crescendo bis zum Forte (!!!) auf der letzten Doppeloktave in Takt 78 und ritenente auf dem letzten Viertel, dann subito piano ab Takt 79) völlig die Wirkung.
Takt 82: siehe Anmerkung Takt 23
Takt 84: Ich „rolle“ den ersten Akkord. Ist zwar nicht notiert, hab ich mir aber von Gould abgeschaut…gefällt mir einfach.

(gilt auch für Takt 25)
Takt 100: Vor dem zweiten Viertel setze ich kurz ab. Viele Ausgabe geben von dort an bis Takt 105 einfach nur Decrescendo an. Du spielst dort so, wie Arrau es notiert, also so, wie im Bild im Anhang gezeigt.
Takt 111: Etwas zarter... der Kontrast zwischen dem Forte zum Ende von Takt 110 und subito piano ab Takt 111 ist mir nicht groß genug. Dann Takt 112 wieder Crescendo bis zum Forte (da passiert dynamisch gar nichts in dem Takt bei dir) und wieder subito piano ab Takt 113.
Die letzten beiden Akkorde: Hier muss die Oberstimme unbedingt mehr hervorgehoben werden. Diese Akkorde sind wie ein Echo des ersten Akkordes der Sonate und dem Beginn von Takt 4, wo ja auch dass C mit Akzent gespielt wird. Dass das C bei den Schlussakkorden besonders hervorgehoben wird ist auch deshalb wichtig, weil der zweite Satz auf demselben Ton beginnt, meiner Meinung nach „attacca“ gespielt werden sollte und der Übergang zwischen den Sätzen dann besser wirkt.
2. Satz
Der A-Teil gefällt mir ausgesprochen gut!
Takt 40ff: Die Dynamik-Unterschiede könnten etwas deutlicher sein, also Takt 48
und 49 ff(s) – Takt 50: p(s); Takt 56
und 57 ff(s) – Takt 58 p(s) usw.
Ansonsten: Der B-Teil ist widerborstig…Gute Arbeit!
3. Satz
Takt 1: Ab drittem Viertel Crescendo bis Taktende, dann ppp subito ab Takt 2 (da streitet sich die Fachwelt drüber)
Takt 13: Vor Takt 13 kurz absetzen.
Zur Gestaltung vom Arioso... Kennst du Barenboims Ausführungen dazu?…
hier.
Die Fuge lasse ich unkommentiert stehen und verneige mich einfach ehrfürchtig.
Ich komme mir irgendwie komisch dabei vor, mich zu deiner Einspielung zu äußern, da ich es nicht mal annähernd so gut hinbekomme wie du

…wie auch immer.
Schön, dass du wieder da bist!
Viele Grüße!
P.S.: Ich habe neulich deine Einspielung der 4. Skrjabin-Sonate gesucht, konnte sie aber auf deinem Youtube-Channel nicht finden... Gibt es die noch irgendwo?