Beeinflusst Erwartungshaltung den Unterricht?

@siggi: kennst du wirklich jemanden, der bis zu einer bestimmten Woche keinen Spaß am Klavier spielen hat, und in der nächsten Woche Klavier studieren will und diese Verhaltensänderung dann so lange anhält?
 
Hacon,

nein, so jemanden kenne ich (noch) nicht. Aber ich kenne Menschen, die nach äußeren Ereignissen oder einem inneren Entwicklungsprozess oder einfach nur so spontan (oder nach längerer Überlegung) andere Entscheidungen getroffen haben und die dann konsequent umgesetzt haben.

Einer davon ist ein Bruder von mir. Er hat nach der Schule - eine reichlich lang anhaltende Phase! - einiges bezüglich Beruf/Studium ausprobiert und immer wieder abgebrochen, bis er durch seinen Ersatzdienst (da war er glaube ich älter als die meisten zu dem Zeitpunkt) in Kontakt mit Behinderten kam. Und zum ersten Mal ohne Murren früh aufstand, Wochenenddienst machte usw.

Er hat direkt im Anschluss sehr zielgerichtet eine Ausbildung zum Krankenpfleger gemacht und arbeitet seither mit Behinderten, in psychiatrischen Alteneinrichtungen, mit Demenzkranken usw. Ich habe nie von ihm gehört, dass er unzufrieden sei mit seinem Beruf, die Alten werden von ihm als "niedlich", "witzig", "lieb", "freundlich", "lustig" bezeichnet.

Ob die Verhaltensänderung bei Dir anhält, kann ich natürlich nicht sagen, bin ja kein Orakel, kenne dich nicht einmal. Damit habe ich aber genau so wenig Anlass zu glauben, dass Du das nicht durchhälst!
 
Was aber offenbar ganze Heerscharen von absolut talentfreien und sowas von abgelöschten Menschen nicht davon abhält, dennoch Klavierlehrer (oder sonst ein Instrument) zu werden.

:klavier:

Dennoch sollte man so unterrichten, dass der eine der wirklich begabt ist nicht durch die Maschen fällt.

Viele nicht so begabte Lehrer merken auch nicht, wenn sie einen begabten Schüler vor sich haben. Wie auch?

Manche Leute erkennen Begabung nicht mal wenn sie ihnen aufs Gesicht sitzen würde.

Hi Pianist,

woran erkennt ein Lehrer denn einen begabten Schüler?

Ich bin Klavieranfänger und jeder, der mehr als "Alle meine Entchen" spielen kann, hat meine Bewunderung. Ich dachte, dass jeder Lehrer einen begabten Schüler erkennen kann.

Gruß
Gaby
 
Also ich versuche es mal, eine Antwort zu geben. Ich rede jetzt ausschliesslich von Begabung/Hochbegabung. Das heisst nicht, dass ich nicht mit den "normalen" Menschen arbeiten kann/will resp. dass diese nicht tolle Leistungen erbringen können (Ehrgeiz, Fleiss und Durchhaltewillen resp Disziplin sind sehr starke Faktoren zum Erfolg).
Ich beziehe mich auf den kleinen Prozentsatz der "Vergessenen der Pädagogik" (leider hat man jahrzehntelang die Hochbegabten in der Schule ignoriert, weil man glaubte, diese kommen schon allein zurecht und man müsse nur die Benachteiligten fördern. Das ist natürlich fatal, denn man hat Generationen von Underachievern resp. produzierten Versagern hervorgebracht)

Es gibt natürlich viele Anzeichen, woran man Begabung erkennen kann.
Leider leider erkennt noch lange nicht jeder Lehrer (nicht aufs Klavier begrenzt) Talent, Begabung oder Hochbegabung.

Natürlich (rein statistisch gesehen) sind auch bei weitem nicht alle, die Lehrer wurden, selber begabt oder gar hochbegabt.

Geht man davon aus, dass es rund 2% hochbegabte Menschen gibt (stat. Wert, in der Psychologie/Pädagogik als Wert etabliert), dann ist klar, dass auch lange nicht alle Klavierlehrer so sind (allerdings mehr als 2%, denn von den 98% der anderen ist die Wahrscheinlichkeit relativ gesehen geringer, so ein Studium absolvieren zu wollen/können).

Nun, das ist noch kein Garant oder gar eine Bedingung, Begabung erkennen zu können und/oder richtig fördern zu können.

Vielmehr müssen Menschen/Lehrer, die das können (wollen), einige oder alle von mehreren Punkten erfüllen (nicht vollständig, nicht alle zwingend; es geht mir nur mal so um das Grundsätzliche):

- Erfahrung haben. Dadurch hat man grosse Vergleichsmöglichkeiten. Wenn ich zB bereits mehr als 150 Schüler hatte, dann kann die Leistungen/Fähigkeiten eines Einzelnen ziemlich gut einschätzen.

- Sensibel sein auf gewisse Anzeichen (einige davon werden weiter unten erläutert) und diese richtig deuten können.

- Das Gespür haben, die mentale und quantitative Grenze des Schülers ausloten zu können. Hochbegabte resp hochintelligente Menschen haben zB statistisch eine sehr hohe Sitzenbleiberquote, d.h. viele hochbegabte wiederholen nicht eine Klasse, weil sie zu doof sind, sondern weil sie massiv unterfordert sind, desinteressiert (weil Lehrer zu langsam, Kameraden zu langsam), gelangweilt und sich ausklinken. Das sind so genannte Underachiever. Achtung: Nicht jeder der repetiert hat ist hochbegabt! :cool:
Insofern muss ein unmotivierter, fauler Schüler der wenig übt und wenig Resultate erzielt nicht unbedingt unbegabt sein. Er könnte auch nur masslos unterfordert sein (und/oder der Lehrer ein Volldepp).

- Zulassen wollen, dass Menschen/Schüler/Kinder anders/besser/schneller sein können als der Lehrer. Ich zB bin selber hochbegabt, aber ich habe zB ein Mädchen, das ist motorisch unglaublich: die kann eine noch so komplizierte Bewegung 2-3x machen, dann hat sies (also zB chromatische TL noch nie gesehen, 3x langsam geübt, und ab gehts in einem Sautempo). Da kann man nur sagen: DAS kann ich zB nicht und werds nie können.

- Lernen wollen, zu verstehen, wie Hochbegabte denken. Nachvollziehen können desselben bedingt, selber mindestens so zu sein. Es verstehen und erkennen zu können, bedingt dies hingegen nicht.



Man kann sich auf mehreren Wegen (parallel, einer allein bringt mE gar nix resp führt mich als Pädagoge nie so weit wie mehrere zusammen) solche Dinge aneignen:

- selber begabt/hochbegabt/hochintelligent sein. Inselbegabte, Savants und Autisten sind dazu denkbar schlecht geeignet, denn sie haben zwar alle Merkmale auch, aber den meisten fehlt jegliche Fähigkeit, sich in jemand andern einzufühlen, andere zu beurteilen, andere überhaupt richtig wahrzunehmen. Als Lehrer also unbrauchbar. Als Pianisten aber genial (zB Glenn Gould, oder ein mE nicht gutes Beispiel David Helfgott).

- es gibt seit einiger Zeit gezielte Studiengänge dazu, zB in der Schweiz das da:
http://www.fhnw.ch/ph/iwb/kader/de/kader/begabungsfoerderung

- Arbeit/Praktika/Studien mit Begabten/Hochbegabten, auch an speziellen Schulen/Klassen wo es solche Schüler hat. Diese Schulen gibts ja auch immer mehr.

- Es gibt mittlerweile auch massenhaft gute Literatur/Tools in Internet, Büchern, auch Studien, Dissertationen, Fördervereine, wo man sich privat weiterbilden kann (ich zB suche regelmässig die neusten Trends zusammen, dies aber auch aus Berufsinteresse, ich plane auch ein Studienbuch zum Thema Musikunterricht und Hochbegabung).


2. Teil folgt (Text zu lang) :D
 
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2. Teil meiner Ausführung (1. Teil siehe oben):


So, nun noch einige Punkte, die bei überdurchschnittlich häufigem/schnellem/komplexen Auftreten auf besondere Begabung/Hochbegabung hinweisen können/dürften*:

* Achtung: Wenn jemand nur wenige dieser Zeichen aufweist, ist es dennoch möglich, dass er eine gewisse Begabung haben kann.
Das Auftreten einiger oder vieler dieser Anzeichen lässt jedoch einen ziemlich deutlichen Schluss zu.
Der Profi im Erkennen und Fördern von Begabten hat natürlich auch noch konkretere Möglichkeiten, zB Intelligenztests, Lerntypenanalyse, Gedächtnispotentialtests etc.
Dies ist natürlich in der Fachliteratur Psychologie / Pädagogik bestens belegt.
Falls gewünscht, könnte ich mal einige gute Bücher posten (auch für den interessierten Laien verständlich).




- Fähigkeit, schneller und nachhaltiger Noten zu lernen/blattspielen.

- Fähigkeit, in der Gehörbildung deutlich überdurchschnittliche Resultate zu erzielen (zB Rhythmen nachklatschen, Melodien erkennen, Intervalle etc). Auch Melodien nachspielen können (der 1. Ton wird verraten)

- Fähigkeit, eine gewisse musikalische Logik zu erkennen (ich teste dies zB oft mit kleinen Mozartstückchen wie den ersten Menuetten etc, indem ich dem Schüler - er kennt das Stück nicht resp hat es nicht gespielt - vorspiele und kleine Fehler einbaue wie zB im Menuett einen Takt plötzlich auf 4 zählen oder einen fremden Ton einbauen; der Schüler muss dann genau sagen wo der Fehler war resp erklären können was falsch daran war)

- Fähigkeit, sehr schnell und nachhaltig auswendig zu lernen

- Fähigkeit, konzentriert und effizient zu arbeiten

- Fähigkeit, in einer Woche verhältnismässig viel weiter zu kommen als die meisten andern (relativ zum Niveau natürlich; ich habe manchmal Kinder, die sind nach 6 Mt weiter als andere, die bereits seit 2 Jahren in meiner Klasse sind)

- psychomotorische Fähigkeit, Bewegungen richtig abzugucken und überdurchschnittlich schnell umsetzen zu können (zB Bewegungsablauf des Nachgetretenen Pedals). Hochbegabte sind meistens motorisch sehr gewandt.

- Fähigkeit, Strukturen zu erkennen (zB wann hört eine Phrase auf; sofort erkennen, dass links c-g und rechts e1-b1 zusammen einen Dominantseptakkord gibt, nämlich C7, oder zB Chopinetüde op.10/3 T46-52 sind nur 3 versch Harmonien, nämlich alle Verminderten oder T38-42 bestehen ausschliesslich aus Tritonus-Sequenzen, links chromatisch abwärts, rechts chromatisch aufwärts aber inversiv etc)

- Fähigkeit, Analogien zu erkennen, zB Sequenzen, wenn ein Thema verändert wieder kommt (Tonart, Rhythmus, etc). Können auf Gelerntem aufbauen, zB im einen Stück gelernt, einen Triller mit der oberen Note zu beginnen. Im nächsten (stilgleichen) Stück auf einem andern Triller sofort richtig ausführen ohne nachzufragen.

- Fähigkeit, musikalische Anlagen zu erkennen (zB spiele ich 4 Takte vor wo es in der Mitte ein crescendo hat und dann ein diminuendo, um wieder Anfangslautstärke zu haben. Der Schüler muss erkennen was geschehen ist. Das klingt nun einfach, aber du würdest staunen wieviele "normale" Kinder auch nach 2-3x vorspielen nichts Besonderes erkannt haben wollen)

- Fähigkeit, komplex denken zu können (zB automatisch erkennen, dass ein Quartsext rechts mit 3 besser geht, links mit 2). Sich Abläufe durch reines Überlegen/intelligentes Denken vorstellen zu können.
Beispiel: Ich erkunde mit Anfängern stets zuerst das Klavier, d.h. ich nehme alle Deckwände ab damit man das Innenleben sieht. Dann frage ich, was passiert, wenn man das rechte Pedal gedrückt hält und einen Ton anschlägt. Was passiert beim linken Pedal?
Auf meine immer gestellte Frage, warum es leiser ist, wenn man das linke Pedal drückt, hat ein 7-jähriger Junge nach ca. 5-sekündigem Überlegen gesagt:
"Weil dieses Hämmerchen dann weniger Anlauf hat."
(physikalischer Impuls mit den Worten eines intelligenten Kindes erklärt hehe)
Ich habe jedes Jahr ca 10 neue Anfänger (7-9J), diese Antwort kommt vielleicht alle 2-3 Jahre einmal, falls überhaupt...

- Fähigkeit, Vorausdenken zu können, sich allenfalls ergebende Probleme schon vorstellen zu können (zB beim Betrachten einer Sequenz, die 1x in F-Dur, einmal in As-Dur erscheint sofort erkennen, dass hier wohl nicht der gleiche Fingersatz zum Ziel führen kann)

- Fähigkeit, gute/sinnvolle/durchdachte Fragen zu stellen

- Fähigkeit, sich selber gut einschätzen zu können (zB hat mir kürzlich ein Mädchen 9J bei einem neuen Stück von Kabalewski gesagt, dass sie denke, sie werde länger brauchen, bis sie diese polyphone Stelle - wir hatten sie noch nicht gespielt, nur angeguckt - könne, weshalb sie lieber 2 Linien weniger bringen wolle nächste Woche)

- Kreativität (Neigung zum Gedichte schreiben, Theater spielen, gut Malen/Zeichnen, Komponieren, Improvisieren). Ich fordere die Schüler explizit auf, zu komponieren (anfangs natürlich ohne Notation, sie spielens mir dann vor). Wir suchen dann vermeintliche Schwachstellen und überlegen uns Verbesserungen.

- Neigung, viele verschiedene Dinge zu machen (viele Hobbies zu haben, auch in anderen Dingen relativ gut sein).

- Fähigkeit, sich verbal überdurchschnittlich gut ausdrücken zu können (Wortschatz, Syntax, Zeiten)

- Fähigkeit zu sozialen Beziehungen/Verhalten in der Gruppe (kann man Beobachten wenn man bei Klassenstunden/Vorspielübungen alle zusammen hat, die sich sonst nie sehen/nicht kennen)

- Fähigkeit, praktisch zu denken (ich beobachte die Kinder zB immer, wenn sie die Noten in den vollen Schulsack packen oder die Art wie sie Kleider ausziehen/aufhängen/wieder anziehen: gewisse ziehen eine Jacke so aus, indem sie nachher beide Ärmel nach innen gekehrt haben. Dumme Methode, weil nicht weiter gedacht!). Oft gebe ich ihnen auch den Auftrag, die Wandtafel im Zimmer ganz sauber zu putzen. An der Materialwahl (Lappen/Schwamm, nass/trocken), der Methodik (wahllos rumzuwischen oder waagrecht/senkrecht Linien zu ziehen) sowie natürlich am Resultat (wenn viel geschrieben war resp. noch farbige Kreide, müsste 2x geputzt worden sein)sieht man durchaus eine gewisse Konzeptfähigkeit.


Soweit mal zufrieden mit meinen Ausführungen?
 
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Hacon, sag deine Lehrerin, wohin du willst.
Du kannst jetzt nicht ewig auf diesem Trip namens "Ich warte bis meine Lehrerin merkt, dass ich Musik studieren will, wenn sie das nicht tut, bin ich ein hoffnungsloser Fall" bleiben.
Vll hilft es auch einfach, die Lehrerin zu wechseln. Wird nach 7 Jahren sowieso langsam Zeit, da du auch noch andere Sichtweisen kennen lernen solltest.
Du musst dich langsam entscheiden, welchen Weg du gehen willst.
Sprich deine Lehrerin an und frag, was sie meint, ob du es schaffen könntest mit deinem neu gewonnen Fleiß.

@thepianist73: Danke für die ausführliche Information!
 
Hacon, sag deine Lehrerin, wohin du willst.
Du kannst jetzt nicht ewig auf diesem Trip namens "Ich warte bis meine Lehrerin merkt, dass ich Musik studieren will, wenn sie das nicht tut, bin ich ein hoffnungsloser Fall" bleiben.
Vll hilft es auch einfach, die Lehrerin zu wechseln. Wird nach 7 Jahren sowieso langsam Zeit, da du auch noch andere Sichtweisen kennen lernen solltest.
Du musst dich langsam entscheiden, welchen Weg du gehen willst.

Ich sehe das genau so!

Sprich deine Lehrerin an und frag, was sie meint, ob du es schaffen könntest mit deinem neu gewonnen Fleiß.

Ich würde sogar noch bei mindestens jemand ganz anderem vorspielen und ihn/sie nach der meinung fragen. Der eigene Lehrer ist doch - ob er will oder nicht - wahrscheinlich nicht ganz objektiv was einen langjährigen Schüler betrifft.
 
So ein Mist!!!
Jetzt hatte ich grade eine ausführliche Antwort zum Bericht von thepianist73 verfasst . und ich Esel hab ihn dummerweise gelöscht:evil: :evil:

@thepianist73:
Trotzdem: einen super Beitrag! Wow! Eigentlich sollte jeder, der in irgendeiner Form mit Schülern, egal welchen Alters, zu tun hat, über Hochbegabung und Unterforderung Bescheid wissen!

Grüße, Madita

PS: Habe ein Problem beim Zitieren. Klingt bestimmt doof, aber:
Immer, wenn ich nur die gewollte Zeile markiere, taucht der komplette Bericht der zu zitierenden Person auf. Was mach ich falsch???
 
Habe ein Problem beim Zitieren. Klingt bestimmt doof, aber:
Immer, wenn ich nur die gewollte Zeile markiere, taucht der komplette Bericht der zu zitierenden Person auf. Was mach ich falsch???

Also ich machs wahrscheinlich ganz primitiv: Ich zitiere alles und lösche alles raus was ich nicht brauche. Gehts denn noch anders?

:cool:

PS: Danke für die Blumen betr. meinem Beitrag.

JA, es sollte jeder eine Ahnung davon haben und keine Angst davor haben, mit Kindern zu arbeiten, die uU schneller, komplexer und nicht mehr nachvollziehbar für den Lehrer denken. Ist aber noch lange nicht so.

Es ist leider gar nicht anders möglich, dass nur die wenigsten Pädagogen wirklich erfahren/geschult sind in gezielter Erkennung und Förderung von Hochbegabung. Damit muss man sich intensiv beschäftigen (und natürlich auch das entsprechende "Material" sprich Hochbegabte zum Arbeiten haben). Genau wie man lernen (wollen) muss, mit Lernschwachen zu arbeiten (Dyslexie, Dyskalkulie, ADS, Minderintelligenten...). as ist enorm schwierig und erfordert Fachleute.

Die Pädagogik und Psychologie kennt das Thema schon sehr lange, es wurde aber ebenso lange stiefmütterlich behandelt. Nun gibt es aber immer mehr Publikationen und Studiengänge dazu.
Und man wird nicht mehr ganz so oft gemieden/gemobbt/missverstanden, wenn man von Hochbegabtenförderung redet oder sich - oh Schande oh Schande - gar als Betroffener outet. Obwohl immer noch viele Hochintelligente für dämliche Klugscheisser halten, die nichts können ausser irgendwelche unnützen Dinge überlegen. Lustigerweise sind es nicht selten genau die Leute, zwar selber kaum einen logischen Gedanken auf die Reihe kriegen, aber sich befähigt fühlen, sich über IQ und son Zeugs äussern zu können.
Es ist zB deshalb auch nicht sonderlich clever, einen sehr hohen IQ in einer Bewerbung anzugeben. Welcher Chef stellt schon jemand ein, der intelligenter ist als der Chef? Höchstens ein sehr intelligenter Chef, und dann ist er wohl nicht mehr viel weniger schlau :D
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Also ich machs wahrscheinlich ganz primitiv: Ich zitiere alles und lösche alles raus was ich nicht brauche. Gehts denn noch anders?


Es ist leider gar nicht anders möglich, dass nur die wenigsten Pädagogen wirklich erfahren/geschult sind in gezielter Erkennung und Förderung von Hochbegabung. Damit muss man sich intensiv beschäftigen (und natürlich auch das entsprechende "Material" sprich Hochbegabte zum Arbeiten haben). Genau wie man lernen (wollen) muss, mit Lernschwachen zu arbeiten (Dyslexie, Dyskalkulie, ADS, Minderintelligenten...). as ist enorm schwierig und erfordert Fachleute.

:D


So hab ichs auch schon versucht, da war dann komischerweise das ganze Zitat weg :-)

Also, neuer Versuch!

Zu Zitat 2:
Ich denke, das neben der Problematik des enormen Zeitaufwands zur Schulung im Bereich der Hochbegabung noch der Item einer vielfachen Interessenlosigkeit bzw. Gleichgültigkeit/Bequemlichkeit hinzukommt.

Viele Pädagogen sind doch der Ansicht, dass es genügt, normal begabte Menschen zu fördern und diesen das erforderliche Grundwissen beizubringen. Alles, was darüber hinausreicht, fällt ihrer Ansicht nach aus dem Rahmen und gehört "in Hände von Fachkräften". Dass aber solches Fachwissen, zumindest in Ansätzen, für jeden einzelnen und "normalen" Pädagogen wichtig ist, sehen viele nicht ein.

Grüße, Madita
 
Viele Pädagogen sind doch der Ansicht, dass es genügt, normal begabte Menschen zu fördern und diesen das erforderliche Grundwissen beizubringen. Alles, was darüber hinausreicht, fällt ihrer Ansicht nach aus dem Rahmen und gehört "in Hände von Fachkräften". Dass aber solches Fachwissen, zumindest in Ansätzen, für jeden einzelnen und "normalen" Pädagogen wichtig ist, sehen viele nicht ein.

Ich befürchte, es ist oft auch eine Verweigerungshaltung im Sinne von "Warum jene fördern die es ohnehin am leichtesten haben und ihren Weg schon machen?".

Das ist eben ein grundlegend falscher Ansatz. Nichtfördern eines jeden Menschen, ob minderintelligent, normal oder hochbegabt führt zwangsläufig zu einer Fehlreaktion: bei den schwächeren ist es eindeutig das "ich bin eh blöd"-Prädikat, bei den Normalen kann es sich verschieden äussern und bei den Hochbegabten führt es nicht selten zu den Underachievern und zu jenen, die irgend einmal merken, was in ihrem Leben von andern alles kaputt gemacht wurden.
Was da sonst noch für Gedanken s hin zu Störungen kommen, kann sich jeder denken, die gehören aber nicht hierhin...
 

Hallo zusammen,

um nochmal auf Siggis Thema zurückzukommen:

Ich denke, wenn der Schüler das Gefühl hat, dass der Lehrer ihm etwas "unterschlägt", dann wurde am Anfang nicht genau darüber geredet, was das Ziel des Schülers ist. Oder?

Wenn ich mit 35 Jahren anfange Klavierstunden zu nehmen, dann muss ich nicht unbedingt aussprechen, dass ich nicht mehr studieren möchte. Das ist von Anfang an klar. Und falls doch, dann hätte ich das gesagt und dann würde ich sicher einen ganz anderen Unterricht bekommen, als jetzt.
Wenn ein 6 oder 7 jähriges Kind anfängt, dann sollte man zwar ein Studium nicht von Anfang an ausschliessen, es aber zu nichts zwingen. Es zu gegebener Zeit aber auf jeden Fall ansprechen.

Wenn ich sage, es genügt mir, wenn ich zuhause für mich ein bisschen vor der Familie vorspielen kann, dann ist es vielleicht wirklich besser, den Triller (um bei diesem Beispiel zu bleiben) mit Finger 3-4 als mit 4-5 zu spielen. Ich habe nicht so hohe Ansprüche also muss ich auch nicht mit so viel Aufwand üben.

Wenn ich aber sage, ich würde schon später gerne mal so den einen oder anderen Auftritt machen, auch wenn es nur im kleineren Rahmen ist, dann sollte ich so viel wie möglich üben und auch den Triller mit 4-5.

@Siggi: Ich denke, dein Lehrer meinte es nur gut. Wie ich mich aus einem Gespäch auf dem Treffen erinnere, hast du ja wirklich viel zu tun und nur begrenzte Zeit zum üben und da wollte er dir vielleicht einen Gefallen tun, dich etwas entlasten. Aber wenn du ihm das nächste mal sagst, dass du so viel aus dir herausholen möchtest, wie es geht, dann wird er das sicher verstehen.

Kommunikation ist das A und O!!!!

Liebe Grüsse
Astrid
 
Und falls doch, dann hätte ich das gesagt und dann würde ich sicher einen ganz anderen Unterricht bekommen, als jetzt.

Das ist eben der Punkt, den ich nicht verstehe, bzw. an den ich nicht glaube.
Was im Unterricht gearbeitet wird, ist doch nicht davon abhängig, ob ein Schüler später mal Musik studieren will, sondern von seinen Fähigkeiten (und natürlich auch von seinen Mängeln, an denen ja auch gearbeitet werden muß). Den "ganz anderen Unterricht" kanns garnicht geben. Was sollte man denn stattdessen machen, als den Schüler bestmöglich in seinem Musikverständnis und seinen klavierspielerischen Fähigkeiten zu fördern?
 
also ich unterrichte hin und wieder Deutsch.

Wenn mir der Schüler am Anfang sagt, er braucht deutsch, um später Germanistik zu studieren und weil er gerne - was weiss ich - selber Geschichten und Gedichte (Vergleich zu Komposition) schreiben möchte auf deutsch, oder Nachrichtensprecher werden möchte, dann werde ich schon ein bisschen anders unterrichten, als wenn der Schüler sagt, er ist hier für 2 Jahre beruflich und muss nur das nötigste können, damit er beim Bäcker ein Brot kaufen kann, da in seiner Firma eh alle z.B. englisch reden, dann bekommt er von mir das Nötigste.

Sie bekommen beide ein Grundgerüst, aber der zukünftige Germanistikstudent wird viel intensiver und mit einem anderen Ziel unterrichtet und so kann ich mir das bei Klavierlehrern schon auch vorstellen.

Liebe Grüsse
Astrid
 
Eigentlich sollte jeder, der in irgendeiner Form mit Schülern, egal welchen Alters, zu tun hat, über Hochbegabung und Unterforderung Bescheid wissen!

In Deutschland ist Hochbegabung noch immer ein relativ heikles Thema! Da kommt ganz schnell Neid durch und ein Zurechtgestutztwerden auf "Normalniveau", nach dem Motto "Sie (Ihr Kind) halten sich wohl für was Besseres?"

The Pianist: Danke für den ausführlichen Beitrag. Habe ich mir gerade mal ausgedruckt, um ihn in Ruhe zu lesen; bin im Urlaub und daher momentan nur sporadisch und für recht kurze Zeit im Internet.
 
@Siggi: Ich denke, dein Lehrer meinte es nur gut. Wie ich mich aus einem Gespäch auf dem Treffen erinnere, hast du ja wirklich viel zu tun und nur begrenzte Zeit zum üben und da wollte er dir vielleicht einen Gefallen tun, dich etwas entlasten. Aber wenn du ihm das nächste mal sagst, dass du so viel aus dir herausholen möchtest, wie es geht, dann wird er das sicher verstehen.

Hallo Astrid,

ja, wenig zu tun habe ich nicht gerade - und nehme mir trotzdem sicher vergleichsweise viel Zeit für das Klavier, es gibt wenige Tage, wo ich weniger als zwei Stunden übe, und oft genug mehr. Das "nicht genug Zeit" beruht insbesondere darauf, ich ich mir sehr vieles vornehme, und die Zeit eben NIE reicht, dass ich das alles auch machen kann ...

Ich denke schon, dass mein Lehrer mich "schonen" wolle, dass er vielleicht auch verkannt hat, in welchem Detail ich das Klavierspielen lernen möchte, weil er sich das vielleicht nicht vorstellen kann. Andererseits sieht er ja auch mein Verhalten, dass ich von mir aus mehr mache als wir tatsächlich an Hausaufgaben besprechen, dass ich mich zudem mit Theorie, Gehörbildung beschäftige usw. Das ist an sich kein Schülerverhalten, wo man rücksichtsvoll vereinfachen muss.

Es war zwar anfangs nicht ganz leicht zu formulieren, dass ich "große Werke irgendwann möglichst gut spielen können möchte", mit Betonung auf "gut, und dann sehen wir wie weit ich komme", wusste ja schließlich nicht, ob ich überhaupt etwas zu Stande bringe in Bezug auf Klavier, bevor ich angefangen hatte. Aber grundsätzlich haben wir natürlich geklärt, dass ich viel Wert lege auf gute Grundlagen/Detail.

Logisch sollte ich das bei Gelegenheit noch mal meinem Lehrer sagen, zumal er insgesamt sehr gut ist, ich ihn also nicht wechseln möchte (sonst könnte ich ihn ja problemlos aufgeben, ich habe aus der Vertretungszeit ja noch eine weitere Lehrerin, mit der ich andere Sachen mache, und ich wollte beide behalten, weil beide völlig unterschiedliche Stärken haben, die ich mag - Du siehst, "keine Zeit" ist wirklich relativ). Davor ist es aber manchmal ganz gut, andere Meinungen zu hören. Denn ich möchte meinen Lehrer nicht mit "Unsinn" ansprechen, sondern mir das schon vorher überlegen und dann auch so formulieren, dass es nicht verletztend sondern konstruktiv ist.
 
Wenn ich mit 35 Jahren anfange Klavierstunden zu nehmen, dann muss ich nicht unbedingt aussprechen, dass ich nicht mehr studieren möchte. Das ist von Anfang an klar. Und falls doch, dann hätte ich das gesagt und dann würde ich sicher einen ganz anderen Unterricht bekommen, als jetzt.

Stell Dir mal einen Erwachsenen mit 35 vor, der zu einem Klavierlehrer kommt und sagt, er möchte später Klavier studieren - was für eine Überleblichkeit läge darin!

Unabhängig davon, dass die meisten Hochschulen (wenn nicht alle) keine so alten Studenten nehmen, es keinerlei mir bekannte Konzertpianisten (Klassik zumindest) gibt, die erst so spät begonnen haben, gilt es oft genug, überhaupt gegen Vorurteile anzugehen, dass man als Kind begonnen haben muss, damit es überhaupt was wird.

Und: ohne etwas ausprobiert zu haben und zu sehen, was denn überhaupt geht, kann man doch so etwas gar nicht ernsthaft formulieren.
 
Das ist eben der Punkt, den ich nicht verstehe, bzw. an den ich nicht glaube.
Was im Unterricht gearbeitet wird, ist doch nicht davon abhängig, ob ein Schüler später mal Musik studieren will, sondern von seinen Fähigkeiten (und natürlich auch von seinen Mängeln, an denen ja auch gearbeitet werden muß). Den "ganz anderen Unterricht" kanns garnicht geben. Was sollte man denn stattdessen machen, als den Schüler bestmöglich in seinem Musikverständnis und seinen klavierspielerischen Fähigkeiten zu fördern?

Na ja, Du kennst doch das deutsche Schulsystem mit Grundschule, Realschule und Gymnasium, damit auch keiner mehr lernt, als er braucht:

In der Grundschule lernst Du, das Gedicht zu lesen.
In der Realschule musst Du es lesen können und darüber hinaus auswendig schön vortragen können.
Im Gymnasium musst Du es lesen können, schön vortragen können, vor allem aber musst Du es auch analysieren können und das dann gut ausgedrückt schriftlich oder in einem mündlichen Vortrag darbieten können.

Und da der Stoff durch den Schultyp festgelegt ist, ist auch irrelevant, was Du persönlich leisten könntest, Du lernst nicht mehr, als der Schultyp erlaubt. Was bei Klassenunterricht natürlich irgendwie formalisiert sein muss, geht ja nicht wirklich anders. Ich fürchte aber, wir haben dieses System so verinnerlicht, dass es auch leicht auf Einzelunterricht übertragen wird.

Und ähnlich wie man bei einem Schulanfänger nicht sagen wird, "der wird XX Studieren", kann man das meist auch bei einem Instrument nicht sagen, da müssen die Grundlagen idealerweise weitreichend so gelegt werden, dass alle Optionen offen sind, wenn irgendwann eine Entscheidung getroffen werden kann.
 
Wie ich sehe, wird das Thema Hochbegabung welches nun wirklich kein leicht zu nehmendes ist hier im Forum immer mehr zum Thema.

Zunächst einmal denke ich dass eine richtige Förderung aller Schüler, ob Hoch-oder Minderbegabt nur durch eine komplette Umkrempelung des Schulsystems erfolgen kann. Damit meine ich allerdings nicht unbedingt das Abschaffen des dreigliedrigen Schulsystems- wäre sicherlich auch noch Möglichkeit- sondern vielmehr die Unterrichtsweise innerhalb einer Weiteführenden Schule. Da die meisten Hochbegabten- bis auf ein paar Extremfälle von Underachievern- auf dem Gymnasium sind, will ich jetzt erst mal von der Umkremkelung der Unterrichtsmethoden des Gymnasiums ausgehen. Da gäbe es zunächst einmal Enrichment: Wenn man merkt (und das kann man nur am Anfang merken), Kinder unterfordert wird, gäbe es mehrere Möglichkeiten diesem Kind zu helfen:
1. Wenn bestimmte Kinder zum Beispiel im Matheunterricht immer viel schneller mit den Aufgaben fertig sind als der Großteil der Klasse sollte man diesen zusätzlich schwierigere Aufgaben geben, die für diese eine Herausforderung darstellen.
Nicht nur das wirklich hochbegabte Kind sollte diese Aufgaben erhalten, sondern auch ein paar gut begabte Schüler, um eine Sonderbehandlung eines einzelnen Schülers zu verhindern.
2. Es müsste erlaubt werden dass ein sprachlich hochbegabtes Kind zum Beispiel nicht dazu gezwungen wird sich entweder für Französisch oder Latein als zweite Fremdsprache zu entscheiden sondern dass es beide Fächer belegt.
3.Es gibt eigentlich immer die Möglichkeit Fernbriefe einer Universität anzufordern, welche der Schüler dann bearbeitet.

Dann gäbe es die Möglichkeit einer umfassenderen Projektarbeit bei der sich der hochbegabte Schüler das Thema aussucht das ihn interessiert, in diesem kann er dann vollständig aufgehen.
Als Beispiel, Thema: Aspirin
Unterteilung in: Weg durch den Körper und Verarbeitung( biologisch)
Die chemische Substanz un Reaktionen im körper( chemisch)
Der sprachegabte erhält nur Unterrichtsmaterial auf englisch.

So gäbe es noch weitere Möglichkeiten, da dies allerding der falsche Thread ist und das Thema nicht wirklich in dieses Forum gehört und ich keinen Ärger bekommen will, solls das von mir sein.
 
Na ja, Du kennst doch das deutsche Schulsystem mit Grundschule, Realschule und Gymnasium, damit auch keiner mehr lernt, als er braucht:

Den Zusammenhang sehe ich allerdings garnicht.
In Schulklassen kann ja eh nicht individuell auf die Fähigkeiten jedes Schülers eingegangen werden, und deshalb gibt es ja auch immer ein Drittel der Schüler, die garnichts mehr kapieren und ein Drittel, die sich zutode langweilen. Aber das ist ein anderes Thema...

Klavierunterricht ist Einzelunterricht (jedenfalls überwiegend) und da kann der Lernstoff an den jeweiligen Schüler angepaßt werden. Es hilft nämlich nichts, wenn ich vom Schüler Sachen verlange, die er einfach auf seinem gegenwärtigen Stand nicht kann. Andererseits wird man aber immer wieder testen, ob ein Schüler vielleicht schon schwierigere Sachen spielen kann. Aber es gibt halt schon verschiedene Schwierigkeitsstufen, die aufeinander aufbauen. Jemanden, der noch nie eine Bach Invention gespielt hat, wird man nicht eine Beethoven Sonate spielen lassen. Alles der Reihe nach.
 
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