Bachs langer Triller

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Guten Abend zusammen,

ich arbeite mich seit einiger Zeit am ersten Satz des Italienischen Konzertes ab. Dort gibt es in Takt 112 ff. einen schönen langen Triller. Das Stück steht in F-Dur, also sollten es die Töne "D" und "E" sein. Es hört sich aber besser an mit "D" und "Es" und so spiele ich ihn auch.

Bei Youtube gibt es natürlich unzählige Einspielungen, von A. Schiff bis zu kleinen chinesischen Wunderkindern. ( Anscheinend gibt es zu jedem Stück auf YT das passende Wunderkind. ) Nachdem ich mir die alle angehört habe, kann ich beim besten Willen nicht mehr genau sagen, ob die alle D-E oder D-Es trillern. Mein Gehör ist mittlerweile zugemüllt. Das chinesische Wunderkind spielt D-E, man kann seine Hände sehen.

In den Screenshots steht immer eine andere Schreibweise und in meinen eigenen Noten steht eine lange Wellenlinie ohne weitere Zusätze.

Tr 1.jpg Tr 2.jpg Tr 3.jpg Tr 4.jpg Tr 5.jpg

Also, welche Töne sind die amtlichen? Oder ist das wie immer bei Bach, jeder spielt die Verzierungen, wie er will?

Ich halte mich an Version 2. Das ist der Triller mit dem kleinen "b"-Vorzeichen darüber. Das ist also ein ""Es" und das klingt am besten, finde ich jedenfalls.

Vielen Dank für hilfreiche Antworten!

CW
 
Guten Abend,
zufällig spiele ich es auch gerade. Da D und E an dieser Stelle nicht passen, spiele ich auch D und Es. Während des Trillers wird auf g-Moll hingespielt, wo D und Es in die Tonleiter gehören.
 
Außerdem würde zwischen dem E und dem B ein Tritonus entstehen! ;-)
 
Ja, das stimmt, die linke Hand steuert G-Moll an. Da hatte ich noch gar nicht drauf geachtet. Also funktioniert mein Gefühl mit dem "Es" als passenden - oder richtigen - Ton.

CW
 
Hi cw,

mja. Es ist ein "von unten kommender Mauseschwanz" ( ich nenn die immer Mauseschwanz, irgendwo hab ich mal ein Vergleichsbild gemalt, SuFu :):) ) , also steigen wir mit dem c ein, das wir nicht vergessen sollten, wenn wirs ernst meinen.

Ich kenn das Konzert und hab die Schott-Einzelausgabe, Hg.: Alfred Kreutz, + kl. Vorwort, schon sehr lange. Es ist sehr schön!!! Zitate aus Schott-Ausgabe:

upload_2014-10-15_20-52-19.png

Ausführung gemäß Schott-Ausgabe:

upload_2014-10-15_21-1-47.png

_____

Zu Verzierungen bei Bach folgendes: Wir hattens in anderen Threads schonmal kurz angesprochen hier auf Clavio: Es gibt dicke Bücher und lange Traktate ( Bach-Söhne, Marpurg, Quantz, Türck usw. ) - aber es gibt einen, der sie super zusammengefasst hat: Und zwar Kirkpatrick in seiner Ausgabe der "Goldbergvariationen", ich habe die alte Schirmer-Version, sie ist aber genauso wie die neue von Schirmer ( wohl ein Nachdruck ), wie ich mal mit LB im chat festgestellt hatte anhand eines kurzen Vergleichs.

Mein Tip: Holt Euch die Schirmer-Goldbergvariationen von Kirkpatrick.

LG, Olli!
 
Ich weiß nun nicht, ob hier der "Mäuseschwanz" soo wichtig ist... In meiner Ausgabe steht er nicht und in einigen Aufnahmen ist er auch nicht zu hören.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich weiß nun nicht, ob hier der "Mäuseschwanz" soo wichtig ist... In meiner Ausgabe steht er nicht und in einigen Aufnahmen ist er auch nicht zu hören.

Hallo ?

Die Frage ist nicht, ob Du weißt ob der wichtig ist oder nicht. Die Frage ist:

a ) Gibts ein oder mehrere Manuskripte, und was steht dort ?
b ) Warum findet die Kreutz-Ausgabe wohl, dass der wichtig ist ?
c ) Gibt es evtl. weitere, von Bach autorisierte unterschiedliche Versionen ?

Wenn der Mauseschwanz belegt ist, sollte der Mauseschwanz gespielt werden. Da sollte man dann nicht einfach einen Ton weglassen. Wenn der Mauseschwanz nicht belegt ist, sollte geprüft werden, warum er sich in Kreutz' Ausgabe findet.

LG, Olli
 
Ich finde, wenn der Mauseschwanz nicht belegt ist, kann jeder den Triller spielen, wie er will, also mit oder ohne. ;-)
 
Ich finde, wenn der Mauseschwanz nicht belegt ist, kann jeder den Triller spielen, wie er will, also mit oder ohne. ;-)

Und ich finde, selbst wenn er belegt ist, muss man ihn nicht spielen. Von vielen Bach-Werken gibt es Abschriften mit unterschiedlichen Verzierungen, die er dort für verschiedene Schüler eingetragen hat. Sie sind daher als ein Ausführungsvorschlag zu betrachten, aber kaum als strikte Anweisung. Im Italienischen Konzert folgt ein paar Takte später ein ähnlicher Triller. Ich finde es durchaus überlegenswert, die beiden Triller nicht gleich zu spielen, sondern unterschiedlich.

LG, Mick
 
Und ich finde, selbst wenn er belegt ist, muss man ihn nicht spielen. Von vielen Bach-Werken gibt es Abschriften mit unterschiedlichen Verzierungen, die er dort für verschiedene Schüler eingetragen hat. Sie sind daher als ein Ausführungsvorschlag zu betrachten, aber kaum als strikte Anweisung. Im Italienischen Konzert folgt ein paar Takte später ein ähnlicher Triller. Ich finde es durchaus überlegenswert, die beiden Triller nicht gleich zu spielen, sondern unterschiedlich.

LG, Mick
Ja, ich glaube auch kaum, dass es Bach gestört hätte, wenn diverse Noten verändert worden wären.

Und wenn keine Autographen vorhanden sind, dann gibt es ohnehin diverse Möglichkeiten, man beachte zum Beispiel die englischen Suiten. Jeder Verleger hat seine eigenen Versionen, und überall sind Quintparallelen, überflüssige Töne und Dissonanzen vorhanden, die Bach so bestimmt nie geschrieben hätte. Das hat natürlich auch zur Folge, dass jeder Interpret andere Töne spielt.... :-)
 

Nachtrag: Das ist doch ohnehin nur eine kleine Verzierung... Und es ist Musik und keine Wissenschaft. Die Musik muss schön klingen, und das tut sie meiner Meinung nach in beiden Fällen. :musik:
 
Nachtrag 2: Mein Klavierlehrer meint auch, dass man sich nun bei Bach auch nicht immer gaaanz strikt an den Notentext halten muss. Das haben die damals bestimmt auch nicht gemacht.
 
Vermutlich würde eine Diskussion über Verzierungen bei Bach ausarten. Es ist zum Glück offensichtlich, dass jeder diese Verzierungen spielt, wie er will und wie er es kann. Bachs Musik klingt sogar ohne jegliche Verzierung fantastisch. Und sie verträgt es andererseits auch, wenn man noch zusätzliche selbstgestrickte Verzierungen einbaut. Also, jeder nach seinem Gusto!

Ich wollte nur wissen, ob ein "E" oder ein "Es" gespielt werden muss. Es ist also ein "Es" und es freut mich mich zu sehen, dass auch chinesische Youtubewunderkinder Falsches eingebimst bekommen.

CW
 
Ja, ich glaube auch kaum, dass es Bach gestört hätte, wenn diverse Noten verändert worden wären.

Und wenn keine Autographen vorhanden sind, dann gibt es ohnehin diverse Möglichkeiten, man beachte zum Beispiel die englischen Suiten. Jeder Verleger hat seine eigenen Versionen, und überall sind Quintparallelen, überflüssige Töne und Dissonanzen vorhanden, die Bach so bestimmt nie geschrieben hätte. Das hat natürlich auch zur Folge, dass jeder Interpret andere Töne spielt.... :-)

Da würde mich aber mal ein konkretes Beispiel interessieren ...
 
Vermutlich würde eine Diskussion über Verzierungen bei Bach ausarten. Es ist zum Glück offensichtlich, dass jeder diese Verzierungen spielt, wie er will und wie er es kann. Bachs Musik klingt sogar ohne jegliche Verzierung fantastisch. Und sie verträgt es andererseits auch, wenn man noch zusätzliche selbstgestrickte Verzierungen einbaut. Also, jeder nach seinem Gusto!

Ich wollte nur wissen, ob ein "E" oder ein "Es" gespielt werden muss. Es ist also ein "Es" und es freut mich mich zu sehen, dass auch chinesische Youtubewunderkinder Falsches eingebimst bekommen.

CW
Wahrscheinlich, nein sicher, war Bach ja zu seiner Zeit so eine Art Oberchecker, jetzt mal mit modernen Bezeichnungen beschrieben, und hat so ne Art modularen Verzierungsbaukasten überliefert plus seine fantastische Grundmusik, wo man wie bei Ikea die verschiedenen Verzierungen reinkombinieren kann, und alles passt zu allem. Visionäres Konzept, und ich bin sicher, der Geist in der Thomaskirche dreht ne Extrarunde, immer wenn wieder eine schöne Gesamtkombi kreiert wird !
 
Da würde mich aber mal ein konkretes Beispiel interessieren ...
Englische Suite Nr. 3 zum Beispiel. Im ersten Satz ist häufig ein Vierklang zwischen vielen anderen Dreiklängen, der dann an der Parallelstelle fehlt. Oder dann ist da ein ganz offensichtlicher Fehler. Oder am Ende des ersten Teils der Allemande Oktavparallelen (die Gould übrigens nicht spielt...)...
 
Welche Einstellung hatte Bach zu den "Manieren" (wie man damals die Verzierungen nannte)?
  • Bekannt ist die Verzierungstabelle, die er in dem Klavierbuch für seinen Sohn Wilhelm Friedemann erstellt hat. Gemeinhin sieht man diese Tabelle als sakrosankt an, weil aus Bachs Feder. Man möge allerdings bedenken, daß Bach dieses "Klavierbüchlein" 1720 anlegte, als sein Sohn gerade mal zehn Jahre alt war. Was Bach sicherlich bezweckte: die Grundzüge von Verzierungstechniken anzudeuten, daß sie für einen Zehnjährigen faßbar werden. Aber den Reichtum von Bachs Verzierungskunst auf dies Tabelle reduzieren?
  • Wie Bach selber mit Verzierungen und Auszierungen umgegangen ist? Wenn sie ihm wichtig waren, hat er sie minutiös ausnotiert, Note für Note. Die Zeitgenossen fanden dies kleinlich, und Bach wurde dafür auch heftig kritisiert (u.a. von Johann Adolf Scheibe).
  • Spannend ist es, z.B. im Falle der Französischen Suiten die verschiedenen Fassungen aus Bachs Hand und die Abschriften, die seine Schüler für den Unterricht anfertigten, zu vergleichen. Die Unterschiede sind beträchtlich, sowohl was den reinen Notentext als auch, was die Verzierungen anbelangt. Die "normalen" Urtext-Ausgaben suggerieren, daß es den einen Notentext gibt. Tatsächlich ist es aber nur eine (von vielen möglichen) Lesarten. Eine Ausgabe, die diese Vielschichtigkeit des überlieferten Material sehr anschaulich vor Augen führt, hat Judith Schneider beim Verlag Alfred herausgebracht (Best.-Nr. IMP700C). - Ein mögliches Fazit: Der Interpret hat wohl mehr Freiheiten, als die tintengläubige Musikwissenschaft ihm zugestehen will.
 
- Ein mögliches Fazit: Der Interpret hat wohl mehr Freiheiten, als die tintengläubige Musikwissenschaft ihm zugestehen will.
völlig richtig - aber das sollte nicht dazu verleiten, zu generalisieren (die richtige Feststellung bzgl. der Freiheiten in der Ausführung von Verzierungen betrifft vereinfacht gesagt Barockmusik - später sieht das anders aus. Witzigerweise machten die Komponisten später genau das, was Scheibe kritisiert hatte: das "auskomponieren" von Verzierungen (Scheibe hätte getobt, hätte er je Isoldes Gesangslinie im liebestod zu Gesicht bekommen...oder gar das Gitarrenkonzert von Rodrigo...)) :-)
 
Herr Bach schrieb viele Suiten und Tänze,
und mannigfaltig Mauseschwänze!
Warum er dies tat, das wagt Ihr zu fragen ?
Weil Mäuse am Leben der Menschen nagen,
so wie auch an den Speisen Bachs !
Dort sieht er sie ! Er greift den Griffel,
und schnaubt so wütend wie ein Büffel,
und bringt zu Papier das freche Tier,
drum finden's in den Noten wir.
Dies schlechte Gedicht von Olli ist,
wem's nicht gefällt, der sich ver..krümelt.

:-D
 

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