Bach mit Pedal spielen ?

Die Arpeggien in BWV 903 sind doch etwas anders gelagert - dort ist überhaupt nicht präzise festgelegt, in welchem Rhythmus und in welcher Abfolge die Töne gespielt werden sollen - das ist gänzlich dem Interpreten in mehr oder weniger freier Improvisation überlassen - es geht ja auch gar nicht anders, weil die Akkorde unterschiedlich viele Töne enthalten. I

Bingo, völlig einverstanden und in der Aufnahme mit Korolyov spielt er noch viele kleine diatonische und teilweise auch chromatische Nebentöne und Durchgänge (sehr schön und ausdrucksvoll und natürlich mit Pedal!).
Aber ich hatte mich nur auf den allerersten von Bach selbst ausnotierten Akkorde bezogen.
Da gilt selbstverständlich die Anweisung von CPE Bach.
Und dort und in der Fortsetzung würde ich sowohl auf dem Clavichord als auch auf dem Cembalo Fingerpedal anwenden und ich habe auch auf dem modernen Flügel eine Kombination angewendet.
Interessant auch wie (OT ich geb's zu) Beethoven im ersten Satz von op. 2,3 Reprise das Fingerpedal notiert.
Dennoch sehe ich das Präludium in C als dreistimmige Struktur und nicht als fünfstimmige romantisierende Gounod Begleitung ohne Melodie.
 
Dennoch sehe ich das Präludium in C als dreistimmige Struktur und nicht als fünfstimmige romantisierende Gounod Begleitung ohne Melodie.
Man kann es auch mit Pedal (oder Fingerpedal - was aber wegen der fehlenden Obertöne auf dem modernen Instrument weniger gut ist) spielen, ohne es übermäßig zu romantisieren. Man darf nicht vergessen, dass schon durch die Benutzung eines modernen Flügels der Blick auf Bach in gewisser Weise ein romantischer ist - denn es ist nun mal das Tasteninstrument dieser Epoche.
 
Ob es "romantisch" klingt, hängt ja nun mal nicht nur (und schon gar nicht in erster Linie) von der Pedalbenutzung ab - sondern von (Binnen-)Dynamik, Agogik etc.

Dass das so problematisiert wird, liegt u.a. daran, dass Schüler bei Pedalbenutzung gerne in ein waberndes Wischi-Waschi-Spiel verfallen. Klarheit (auch in der rhythmischen Auffassung) auch bei starker Pedalnutzung - das ist ein sehr wichtiger pädagogischer Auftrag.
 
Das Pedal ist das Makeup des Klaviers.
Geh ich auf die große Bühne mit fleissig Scheinwerferlicht, brauche ich großes Makeup, damit die Zuschauer meine Mimik auch in der letzten Reihe wahrnehmen.
Bin ich auf einer Party, dann möchte ich nur zart Vorteile in meinem Gesicht betonen, aber es sollte so natürlich sein, daß man gar nicht weiß, ob ich geschminkt bin oder nicht.
So ist es mit dem Pedal. Große Klänge brauchen viel Klang, kleine wenig...
Wenn ich Bach spiele, dann ist mein Fuß immer am Pedal, bereit, hie und da ein Vibrato zu setzen, oder einen Ton am Ende einer Linie fein abzuphrasieren. Nie sollte der Zuhörer das Gefühl haben, daß ich mit Pedal spiele, er sollte nur verzückt fühlen, welch schöne Musik das ist.
Pedal ist ein Zaubermittel und sollte sehr behutsam und bewußt eingesetzt werden.
Kathegorisch ablehnen ist so dumm - in meinen Augen - , wie Streichern grundsätzlich das Vibrato zu verbieten.
 
Die Threaderstellerin meldet sich noch einmal zu Wort. Am Flügel in der leeren Kirche braucht es für mich kein Pedal. Zuhause spiele ich manche Passagen mit, da total trockener Raumklang mit 114er Klavier.:-)
 
Am Flügel in der leeren Kirche braucht es für mich kein Pedal.

In einer umgebauten Kirche in Italien auf einem Wettbewerb habe ich das einzige Mal in meinem Leben sogar die erste Chopin Etüde ohne Pedal gespielt.
Die in der zweiten Runde folgende op. 106 war dann aber ein wilder Kampf um Reste von Deutlichkeit.
Extreme Akustiken sind für grundsätzliche Erwägungen ohne wirklichen Belang.
 
Eine mögliche Antwort liefert ein Blick über den Tellerrand zu den Cembalisten. Das, was hier im Thread als Fingerpedal bezeichnet wird, läuft allgemein unter Cembalisten als Überlegato.

Ich halte es für einen Irrglauben unter Pianisten, dass man teilweise meint, unter Berufung auf eine Cembalo auf das Pedal verzichten zu müssen. Jeder Cembalist würde - wenn man denn Bach auf dem Klavier spielen möchte - zum Gegenteil raten.

Da ist es allerdings sehr üblich, es auch zu verwenden, wo keine Bindungen stehen, z.B. beim zitierten 806. Belege dafür finden sich z.B. bei Saint Lambert. Man kann das ja sehr schön nachhören: Die erste Cembaloaufnahme, die ich auf YT gefunden habe...und er macht es exzessiv:
View: https://www.youtube.com/watch?v=51TNPtpxfpc


Jetzt kann man natürlich sagen, ok, auf einem Cembalo muss das halt so sein...das sagt nichts über das Klavier, aber das gilt natürlich für die ganze Diskussion. Wenn es zuviel wird, leidet natürlich die Deutlichkeit, aber das gilt auch für romantische Musik.
 
Ich halte es für einen Irrglauben unter Pianisten, dass man teilweise meint, unter Berufung auf eine Cembalo auf das Pedal verzichten zu müssen. Jeder Cembalist würde - wenn man denn Bach auf dem Klavier spielen möchte - zum Gegenteil raten.

Da ist es allerdings sehr üblich, es auch zu verwenden, wo keine Bindungen stehen, z.B. beim zitierten 806. Belege dafür finden sich z.B. bei Saint Lambert. Man kann das ja sehr schön nachhören: Die erste Cembaloaufnahme, die ich auf YT gefunden habe...und er macht es exzessiv:
View: https://www.youtube.com/watch?v=51TNPtpxfpc

Wobei in der verlinkten Aufnahme der Klang durch den halligen Raum entsprechend "angefeuchtet" wird.
 
Zitat von Faden:
Man sollte einfach immer schön (bzw. gut) klingende, gefällige, überzeugende, ... Musik erzeugen (versuchen) am Instrument.

Wenn das Pedal im konkreten Fall dabei mithilft, dann nimmt man es auch. Auch bei Bach.
Ich weiß, jetzt sind alle viel schlauer. Ich schreib' dieses Post trotzdem... :drink::blume:
 

Hier mal Bach auf einer Kopie eines zeitgenössischen Instruments, das Bach auch benutzte und (zumindest die zweite, verbesserte Version) schätzte:


View: https://www.youtube.com/watch?v=Tgt5dlL9s9E


Klanglich wohl kein gutes Argument für kategorische Pedalgegner.

Es gibt Spekulationen, dass die Kunst der Fuge als letzter Teil der Clavierübung genau für dieses Instrument bestimmt gewesen sei, das musikalische Opfer ist dafür komponiert.
Manche "Regeln" zum Bachspiel wie die mit dem Pedal sind als Grundsatz einfach völlig unsinnig. Klar muss Bach transparenter klingen als Debussy. Das Pedalverbot ist wahrscheinlich aber soetwas, worüber man sich in einigen Jahrzehnten lustig machen wird. Auf der einen Seite wird teils noch immer viel puristischer Quatsch bzgl. Pedal erzählt, gleichzeitig ist die historische Aufführungspraxis trotzdem bei Bachs Cembalo-, Clavichord- und Silbermannfortepianowerken auf historischen Instrumenten trotzdem noch die Ausnahme.

Und wenn man versucht, Bach möglichst historisch korrekt darzubringen, wie es z.B. Gulda teilweise seinerzeit mit dem Clavichord (das ganz andere Gestaltungsmöglichkeiten als ein Cembalo oder ein Klavier im heutigen Sinne bietet) hervorragend gemacht hat, dann muss man trotzdem damit leben, dass man nicht so genau wie z.B. bei Rachmaninow weiß, wie Bach gespielt hat.

Wer also sagt, Bach darf nur ganz ohne Pedal gespielt werden, vernachlässigt:
- das Silbermannsche Fortepiano mit viel Nachhall
- den obertonreichen Cembaloklang
- die Möglichkeit, beim Cembalo mehrere Register gleichzeitig zu nutzen und damit den Klang noch obertonreicher zu machen
- die wahrscheinlich häufig halliger klingende Akkustik an irgendwelchen Höfen in Weimar, Potsdam etc. im Vergleich zu den meisten Wohnzimmern und Unterrichtsräumen

Wer also meint, man müsste Bach ganz ohne Pedal spielen, weil das historisch korrekt wäre, der möge seinen Flügel also auf 415Hz stimmen, je nach Literatur eventuell noch irgendeine Neidhardt-Temperatur o.ä. anlegen und am besten das moderne Instrument gar nicht erst nutzen, wenn er sich nicht selbst widersprechen möchte.

Und der trägt dazu bei, dass die ganzen 13jährigen Jugend-Musiziert-Kinder das Wohltemperierte Clavier lustlos wie beim Üben mit Metronom runterdreschen und hassen.
 
Und wenn man versucht, Bach möglichst historisch korrekt darzubringen, wie es z.B. Gulda teilweise seinerzeit mit dem Clavichord (das ganz andere Gestaltungsmöglichkeiten als ein Cembalo oder ein Klavier im heutigen Sinne bietet) hervorragend gemacht hat, dann muss man trotzdem damit leben, dass man nicht so genau wie z.B. bei Rachmaninow weiß, wie Bach gespielt hat.
Guldas Clavichordklänge erinnern eher an einen Synthesizer, ich weiß nicht, ob es ihm wirklich um historische Korrektheit ging als vielmehr um neue Klangfarben.
 
Da melde ich mich doch noch mal zu Wort. Ich spiele weiterhin Bach, aber mit Pedal. Schon alleine, weil ich zu Hause keinen Hall habe. Man muss ja trotzdem nicht alles verschwimmen lassen. Durch Bach und Hanon Übungen ist mein Anschlag klarer geworden, was der Musik zugute kommt. :-)
 
Kleiner persönlicher Tipp am Rande: Hanon macht dumm und erzeugt Schreibmaschinenspiel.
Das kommt Bach überhaupt nicht zugute. Bach will immer gesungen werden.
Brahmsfingerübungen opus 51 sind wahre Geschenke .
Man sollte sie unbedingt unter ärztliche Anleitung einnehmen (Kl), damit man sich nicht verletzt.
Ich kenne kaum so konzentrierte Übungen, die aber immer den Klang im Auge haben.
 
@Tastatula
Danke für den Hinweis mit Brahms. Da schau ich mal. Und keine Angst. Es geht nicht um Schreibmaschine schreiben, aber ich kräftige damit zur Zeit meine Finger und benutze sie zum Einspielen.

Bach braucht Gefühl und ist keine Nähmaschine. Deshalb entdecke ich Bach jetzt so richtig neu im Gegensatz zur Spielweise, die ich vor Jahrzehnten gelernt hatte. Das war Schreibmaschine. Deswegen wollte ich auch erst keinen Bach spielen, habe aber jetzt gelernt, dass es auch anders geht. Tolle Musik.:-)
 
Worum geht es bei der Interpretation von Bachs Musik vorrangig? Um die sinnliche Entfaltung musikalischer Strukturen und Linien.

Um dies (und nur dies!) zu verdeutlichen und zu unterstützen, ist der Pedaleinsatz durchaus sinnvoll.
 

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