Guten morgen Pianovirus
Vielen Dank für deine ausführliche Stellungnahme zu meiner Interpretation. Deine Anmerkungen zur Gestaltung der Triolen und des Basses sind nachvollziehbar.
Ich versuche mal, verbaliter meine Idealvorstellung, die ich von diesem Stück habe, zu präzisieren.
Hier treffen drei Ebenen aufeinander: Oben eine schwebende Gigue in Zeitlupe. Gewissermaßen ein "Reigen seliger Geister". Wenn ich pianistisch dazu in der Lage wäre, sollte diese obere Sphäre völlig unakzentuiert und emotionsfrei ablaufen.
(Der sonst von mir hochgeschätzte J.E. Gardiner lässt das wie eine richtige Gigue abspulen. Für mich ein klassischer Fall von Thema verfehlt!)
Darunter der Choral, die vox humana. Durchaus emotional vor allem in der dritten Choralzeile nach der Modulation. Die Oberstimme sollte davon aber im Idealfall völlig unberührt bleiben.
Dass Angela Hewitt hier alle Stimmen zu einem einheitlichen dramatischen Höhepunkt verdichtet mag ich nicht.
Darunter der Bass, die unbeirrbar fortschreitende Zeit. 60 Viertel pro Minute ist für mich das Idealtempo. Ich habe bei aller angestrebten Tempokonstanz schon versucht, auch hier melodische Zusammenhänge herauszuarbeiten. Klappt leider noch nicht so ganz zufriedenstellend.
Ich (erklärter Agnostiker mit Tendenz zum Atheismus) bin von der Welt, die sich in dieser Musik auftut fasziniert. Gerade weil die innere Ruhe und Gewissheit, die diese Musik ausstrahlen kann für uns (oder auf jeden Fall für mich) heute so unerreichbar geworden ist.
Leider bin ich den hier beschriebenen Anforderungen pianistisch nicht wirklich gewachsen. Der Idealfall Lipatti wird wohl - und zwar nicht nur von mir - unerreicht bleiben.
Gruß Motz-art
P.S. Was ich noch sagen wollte: Ich würde für keine Note in dieser Bearbeitung das Wort "Begleitung" verwenden.
P.P.S. Ich habe mir gerade folgendes zum ersten mal angehört. Ich finde es furchtbar!
http://www.youtube.com/watch?v=jLyrY7RJYlE