Auswendig lernen einzelner Stellen durch harmonische und theoretische Reflexion

Joh

Joh

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Hallo zusammen,

um einzelne Stellen richtig zu verstehen und theoretisch zu memorieren und damit sicher auswendig zu lernen, gibt es ja die Methode wie bei "Modernes Klavierspiel" von Leimer / Gieseking beschrieben. Die Beispiele dort sind relativ klar verständlich und auch gut umsetzbar und lassen sich ohne Probleme auch ohne Klavier durchführen.

Ich möchte einfach mal die Leute fragen, die das auch so praktizieren, wie das dann bei komplexeren Stellen aussieht, wo doch schon relativ viel passiert und man eher dazu geneigt ist, nur so ungefähr auswendig zu lernen und dann doch mehr nach Gehör / Gefühl zu spielen (siehe Anhang).

Ich habe mir die Mühe gemacht, die ersten 4 der 8 Takte mal aufzuschreiben (hoffentlich richtig), so wie ich das zunächst mal versuchen würde zu memorieren:

Harmonische Entwicklung über 4 Takte, jede Takthälfte besteht aus je 4 zusammenhängenden Stac.-Achteln, welche eine Grundharmonie darstellen.
1. g-moll: zuerst eine Viertelnote (re. Terz 1-3 und li. Quinte 1-5 darunter), dann 2 Achtel-Akkorde rechts (normaler Vierklang ab b / 3, dann übermäßiger Dreiklang gleiche Lage)
2. Es-Dur7: li. gebr. Es-Dur (Bassnote Es, dann Töne 3-5-3 eine Lage höher), re. 4 Akkorde Es-Dur7 (Oktav-Vierklang ab b / 5 ohne Hauptnote Es, dann wieder übermäßiger gleiche Lage, 3. wie 1., 4. nur noch die untersten beiden)
3. c-moll6: li. gebr. c-moll6 (Bassnote A / 6, dann Töne 5-1-5 eine Lage höher), re. 4 Akkorde (c-moll Dreiklang + b / 7, dann verminderter gleiche Lage, 3. wie 1. nur mit a / 6 oben, 4. nur noch die untersten beiden)
4. D-Dur7: li. gebr. D-Dur7 (Bassnote D, dann Töne 3-7-3 eine Lage höher), re. 4 Akkorde (verm. Vierklang ab c = D-Dur7935, dann D-Dur7 Dreiklang ab c = D-Dur713, 3. und 4. wie 1. und 2.)

Wahrscheinlich gibt es bessere / kürzere Methoden, deshalb bitte ich euch einfach mal Vorschläge zu machen, wie ihr das machen würdet.

PS.: bitte keine Posts wie: spiel doch so lange vom Blatt bis du es kannst usw. (ich hoffe ihr versteht)
 

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Ich habe mir die Mühe gemacht, die ersten 4 der 8 Takte mal aufzuschreiben
Du meinst 4 Gruppen (2 Takte)?
Zusätzlich zur harmonischen Analyse wie von Dir beschrieben (vielleicht nicht einmal so ausführlich) würde ich auf jeden Fall gedanklich die Basslinie (Quintfall) und die Auftaktentwicklung der Oberstimme (jeweils vom 2. Taktteil zum Schwerpunkt des nächsten Taktes) hervorheben.
Das c-Moll6 würde ich als Septakkord der II. Stufe denken, nicht als c-Moll. Ich bin es aber ohnehin gewohnt, in Stufen und Funktionen zu denken.
 
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So aehnlich wie @Musikanna glaube ich, dasz es erst einmal darum geht, das Grundgeruest zu verstehen, z.B. was passiert auf den ganzen Zaehlzeiten, was passiert mit der "Melodielinie" usw. Es bringt wenig, nur "vertikal" die Harmonien zu analysieren, die muessen ja irgendeinen Fortgang und eine Funktion haben und das Stueck (die Baszlinie, die Melodie) entwickeln. D.h. heiszt, ich bemuehe mich, eine sehr vereinfachte Form zu erstellen und die dann wieder "aufzufuellen".
Jannis
 
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Klar meinte ich 2 Takte - nicht 4.
Natürlich ist mir die große harmonische Entwicklung und die Bassline (Quintfall) sofort klar - das habe ich vergessen zu erwähnen. Aber mir geht es tatsächlich darum, wie detailiert man etwas zum Lernen wirklich beschreiben sollte bzw. wie das Andere von euch genau machen.
 
Hab nicht gezweifelt, dass Dir diese Dinge klar sind. Ich habe sie nur erwähnt, weil sie für mich die grundlegende Bedeutung beim Memorieren dieser Stelle haben. Gedanklich gehe ich also erst die Basslinie mit den dazugehörigen gebrochenen Akkorden und dazu die Melodielinie durch.
In den Gruppen, die Du beschrieben hast, gibt es immer eine "Basis"harmonie und Fremdtöne/Vorhalte. Ich harmonisiere also zunächst beim Auswendig-im-Kopf-abspielen das Hauptgerüst nur mit diesen wichtigen Harmonien. Dann merke ich mir, wie diese in jeder einzelnen Gruppe "angereichert" werden und gehe das wieder im Kopf durch. Usw. Ich habe jetzt kein Klavier da, aber ich denke, morgen werde ich die Stelle (vielleicht zunächst mit kleinen Ungenauigkeiten) gleich spielen können.
Meintest Du eine solche Beschreibung des Memorierens?
 
Genau das meinte ich.
Ich mache das zwar schon einige Jahre so, aber eine solche Stelle könnte ich nicht NUR durch Memorieren sofort spielen - ich müsste wahrscheinlich doch noch andere Hilfsschritte (Hören, Spielen / Üben) dazunehmen, um sie dann auswendig zu spielen.
 
Nun ja, ich habe ein ziemlich gutes visuelles Gedächtnis, was mir zusätzlich hilft, die Erinnerung an die Griffe durch die "Form" des gedruckten Bildes (d.h. nicht, dass ich mir die einzelnen Noten visuell merke!) aufzurufen.
 
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Nun ja, ich habe ein ziemlich gutes visuelles Gedächtnis, was mir zusätzlich hilft, die Erinnerung an die Griffe durch die "Form" des gedruckten Bildes (nicht, dass ich mir die einzelnen Noten visuell merke) aufzurufen.

Das habe ich auch - möchte mich aber nicht darauf verlassen. Schließlich möchte ich wirklich erst verstehen und dann spielen / üben. Das andere wäre so eine Art vom Blatt spielen aus dem Gedächtnis
 
Nein nein, das meinte ich nicht. Natürlich zuerst verstehen und innerlich hören.
Das Bild ruft aber das manuelle Gefühl für die Griffe hervor (wie beim Spielen aus den Noten), und die ungefähre Vorstellung des grafischen Bildes unterstützt (nicht ersetzt!) diesen Prozess auch beim Auswendigspielen.
 
OK ich verstehe - das passiert dann quasi automatisch, wenn man die Noten durch Lesen lernt. Es greifen dann quasi mehrere Lernmethoden ineinander, wobei ich eben der Meinung bin, dass manche vielleicht nicht ganz so sicher greifen und längerfristig zum speichern helfen.
 
Längerfristig fängst Du ja an, es real zu spielen, dann kommen noch ganz andere Prozesse dazu, und ich denke, die Mischung macht das.
 

Klar - aber irgendwie weiß ich jetzt schon, dass ich diese Stelle öfters durchgehen muss wie andere, da sie immer etwas "schwimmen" wird und sich nicht so tief und sicher verankert, daher war mein Interesse einfach, wie ich die Stelle noch besser beschreiben und memorieren könnte.
Vielleicht habe ich mich wirklich zu wenig bzw. zu kurz auf den großen Zusammenhang konzentriert.
 
Und nun habe ich einen Ohrwurm, der mich gerade beim Schreiben meiner e-Mails massiv gestört hat, da ich mich immer wieder durch ihn ablenken ließ :lol:
 
Ich bin zwar pianistisch "Welten weiter unten" unterwegs als Joh, mich hätte aber mal allgemein interessiert, ob es irgendwelche Erkenntnisse darüber gibt, wie visuelles Gedächtnis, audielles Gedächtnis und Theoriekenntnisse ineinandergreifen.
 
Ja, ich auch ;-)
Mein Gehör merkt sich die Musik leider etwas zu intensiv - aber nicht detailiert genug um es sofort zu spielen
 
Ich bin zwar pianistisch "Welten weiter unten" unterwegs als Joh, mich hätte aber mal allgemein interessiert, ob es irgendwelche Erkenntnisse darüber gibt, wie visuelles Gedächtnis, audielles Gedächtnis und Theoriekenntnisse ineinandergreifen.

Je mehr du in einem Bereich weißt und verstehst, desto besser kannst du daran anknüpfen.
Die verschiedenen Gedächtnisse sind voneinander abhängig und eng verknüpft, wobei bei verschiedenen Menschen verschiedene Bereiche stärker ausgeprägt sind als bei anderen.
D.h. ohne zu wissen, wie sich ein Akkord anfühlt oder wie er klingt, ist es viel schwerer, diesen auswendig zu lernen, auch wenn die theoretischen Gegebenheiten klar sind.
 
Je mehr du in einem Bereich weißt und verstehst, desto besser kannst du daran anknüpfen.
Die verschiedenen Gedächtnisse sind voneinander abhängig und eng verknüpft, wobei bei verschiedenen Menschen verschiedene Bereiche stärker ausgeprägt sind als bei anderen.
D.h. ohne zu wissen, wie sich ein Akkord anfühlt oder wie er klingt, ist es viel schwerer, diesen auswendig zu lernen, auch wenn die theoretischen Gegebenheiten klar sind.

Ja, das ist mir schon klar. Der Bereich "Lernen/Gedächtnis" ist absolut nichts Neues für mich.
Meine Bemerkung ist eher so gemeint: "Gibt es irgendwelche interessanten Arbeiten über eben die Verknüpfung dieser Gedächtnisarten?" (Prinzipiell stelle ich es mir allerdings sehr schwierig vor. Die emotionale Komponente müsste m.E. übrigens auch noch dazu. Etwas, was uns gefällt, erlernen und behalten wir immer leichter.)
 
Oh Gott, das ist noch schlimmer geworden. Jetzt habe ich im Kopf eine Mischung aus Deinem Beispiel und einem nahtlosen Übergang (nicht weiterlesen, wenn Du das nicht auch noch kriegen willst!) zum Chopins Op.10, 3, und zwar die Übergangsstelle vom dramatischen Mittelteil zu der Reprise.:blöd:

Und ich muss jetzt noch weitere Mails schreiben :konfus:
 
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Klar - aber irgendwie weiß ich jetzt schon, dass ich diese Stelle öfters durchgehen muss wie andere, da sie immer etwas "schwimmen" wird und sich nicht so tief und sicher verankert, daher war mein Interesse einfach, wie ich die Stelle noch besser beschreiben und memorieren könnte.
Vielleicht habe ich mich wirklich zu wenig bzw. zu kurz auf den großen Zusammenhang konzentriert.
Ja, ich auch ;-)
Mein Gehör merkt sich die Musik leider etwas zu intensiv - aber nicht detailiert genug um es sofort zu spielen

Bei solchen Stellen hilft mir nur, sie zusaetzlich langsam zu ueben und den Klang so genau wie moeglich zu erleben. Ich habe z.B. bei Schubert oft das grosze Problem, dasz viele Stellen mit und ohne Terzverdoppelungen vorkommen, aber man staendig durcheinander kommt, wo nun die Terzverdopplung war und wo nicht. Lern mal seine Sonate op. 53 auswendig: Viele Akkorde, vieles "inkonsequent". Der zweite Satz und letzte Satz sind fuer mich in dieser Hinsicht besonders schwierig gewesen. Z.T. musz man sich das natuerlich intellektuell einfach merken, aber es hilft, sich die Klaenge auch vom Hoereindruck her moeglichst gut einzupraegen. Dazu hilft mir vor allem langsames Tempo.
Leider praegt sich bei mir dann auch eine Verstimmung des Klaviers z.B. mit ein. Wenn ich dann auf einem anderen Instrument spiele, das anders verstimmt ist, kann mich das irritieren. Wenn das Stueck aber "richtig sitzt", ist das natuerlich kein Problem.
Ich uebe dann abschnittsweise in langsamem Tempo und versuche, mit dem Ohr zu kontrollieren, ob alles richtig war. Nur mit Noten ist der Hoereindruck aber nicht so intensiv. V.a. kann man sich nicht so leicht durch Hinzunahme oder Veraenderung bestimmter Noten vergewissern, dasz es nur so sein kann, wie es dasteht.
Jannis
 
Ja, natürlich wird die Stelle nach dem Memorieren langsam geübt. Ich muss nochmal dazuschreiben, dass die Stelle natürlich leicht machbar für mich ist und nicht zu den schwersten dieses Stückes gehört. Es hat mich eben nur interessiert, wie man vielleicht noch effektiver werden kann beim Lernen.

PS.: Die Akkorde schon ziemlich logisch und konsequent, wenn man die linke Hand dazu sieht (Stimmverdoppelungen vermeiden etc.). Bei Schubert / Mendelssohn etc. kann das natürlich schon mal sehr unlogisch sein, wenn er mal eine Terz dazunimmt und dann wieder weglässt.

LG, Joh
 

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