ich verfasse mal wieder einen Beitrag zu dem eigentlich abgekauten Thema Tonleitern.
(1)
(Fast) Jeder spielt sie, übt sie, aber die Frage bleibt wie.
(2)
Ich habe festgestellt dass ich Tonleitern verstärkt üben muss, warum ich gleich begonnen habe. Mein Ziel ist es alle 24 Dur und Moll Tonleitern "während des Zeitungslesens" spielen zu können, völlig aus dem Stehgreif und in einem flüssigen Tempo.
(3)
Das Problem ist nur das zu viel Zeit benötigt wird um jeden Tag alle Tonleitern zu spielen. Es würde mich interessieren wie ihr das angehen würdet. Welche übemethode sich bei euch bewährt hat.
hallo,
also ganz so abgekaut ist das Thema nicht, auch nicht auf sehr hohem Niveau (Chopin Polonaise op.53, Tschaikowski Kadenzen aus dem Klavierkonzert in G-Dur usw.)
zu (1)
ich weiss nicht, ob fast jeder sie übt - ich beobachte aber bei meinen Studenten/innen, dass es auch hier Defizite gibt (besonders bei beidhändigen raschen Skalen, insbesondere dann, wenn diese im Terzen-, Sexten- oder Dezimenabstand gefordert sind) - aber viel krasser noch: ich weiss auch nicht, ob es sinnvoll ist, sie eigens und isoliert zu "üben"!
zu (2)
das ist ein recht abstraktes Ziel - ich würde es nicht so sehr in den Vordergrund stellen. "alle Tonleitern spielen können" ist wie alle Buchstaben ausagen können, also rein quantitativ. Eigentlich genügt es, eine Tonleiter mit beiden Händen sehr schnell und sehr gleichmäßig zu können (z.B. H-Dur, Des-Dur oder Fis-Dur)
zu (3)
was ich Dir jetzt empfehle, wird Dir womöglich unsinnig erscheinen:
- - Bachs kleines d-Moll Menuet (aus dem Notenbüchlein) und/oder den 1. Satz der Mondscheinsonate in allen 12 Moll-Tonarten spielen können
- - das Thema der Variationen aus Beethovens Appassionata in allen 12 Dur-Tonarten spielen können
warum? es schärft den Blick für das Gelände!!
dann schwieriger:
- - die erste Seite (Thema) vom 1. Satz der Waldsteinsonate in allen 12 Durtonleitern
- - das Thema (die ersten 8 Takte) der Etüde op.25 Nr.12 von Chopin in allen Moll-Tonarten
ok, das waren Beispiele für einfaches bis hohes manuelles Niveau (ich weiss ja nicht, wo Du Dich einordnest), man könnte auch Kadenzen in allen Tonarten spielen.
Auf jeden Fall
sieht man sie dann besser auf den Tasten, und zur Kontrolle könnte man in jeder Dur- und Moll-Tonleiter alle Sextakkorde rauf und runter spielen.
Sobald man die Skalen als Tasten"gelände" auf diese Weise verinnerlicht hat, kann man anfangen, mit
natürlichen Fingersätzen zu spielen: am angenehmsten ist, wenn beide Daumen gleichzeitig spielen (deshalb eingangs H-, Des- & Fis-Dur), vgl. Neuhaus & Georgii.
ich bin als Schüler mit den offiziellen Fingersätzen geplagt worden, und wenn ich lieber von alleine natürliche genommen hatte, bekam ich Schelte - bis ich mit 12 das c-Moll Konzert von Beethoven lernte, und dort (endlich hatte ich bei einer sehr guten russischen Klavierprofessorin Untericht) die Daumen in den Anfangsskalen gleichzeitig mehnen durfte.
Ich bin davon überzeugt: Tonleitern üben ist sinnlos - Tonleitern sehen (als Gelände) und begreifen/verstehen ist nicht sinnlos. --- exakt das erkläre ich auch meinen Studenten. Ist ulkig: da können manche vieles aus der schwierigen Polonaise op.53 spielen, aber die raschen b-Moll Skalen wollen nicht so recht...
ich weiss nicht, ob Dir das exotisch oder esoterisch oder sinnvoll vorkommt - wenn Du magst, probiers aus (auch Chopins Regentropfen-Prelude für Dur oder das c-Moll Prelude für Moll wäre machbar)
sowie man verschiedene Sachen in allen Tonleitern kann, hat man mit den Tonleitern selber keine Probleme mehr.
Gruß, Rolf