Hallo PianoPuppy,
Ich schaffe es heute immer wieder während meiner Antworten andere Beiträge zu überspringen. Ein paar Präzisierungen meinerseits, bevor ich geduldig Deiner nächsten Ausführungen harren werde.
Zuerst möchte ich aber ein Mißverständnis ausräumen, das hier meines Erachtens entstanden ist. Ich bin keineswegs der Meinung, daß die Regel über leichte und schwere Takte, so wie ich sie eingangs beschrieben habe, allgemeine Gültigkeit hat - das habe ich in meinem ersten Beitrag auch erwähnt und extra darauf verwiesen, daß man bei Bartók sicher fündig wird, wenn man Stücke sucht, die diesen Regeln nicht entsprechen. Es hat ja auch die Funktionstheorie ihre Grenzen, die umso deutlicher werden, je mehr man sich der Musik der Gegenwart nähert.
Mir kommt die Bezeichnung als leichte bzw. schwere Takte ein bißchen unglücklich vor, schließlich erstrecken sich musikalische Schwerpunkte meist nicht über gesamte Takte (bei choralartigen Werken zum Beispiel kommt das aber durchaus vor). Daß nun musikalische/melodische Schwerpunkte bzw. (Zwischen-)ziele in einigen Takten vorkommen, in anderen wiederum nicht, ist allerdings eine Binsenwahrheit. (Auch daß ähnliche Teile eines Musikstücks eine ähnliche Betonungsstruktur aufweisen, stelle ich keineswegs in Abrede.) Mir scheinen nur Werke, die sich ganz oder zu großen Teilen quasi atomisch in minimale periodische Betonungseinheiten zerlegen lassen und dabei diese Regel nötig machen, eher die Ausnahme zu sein. (Und gerade für sangliche Stücke bin ich diesbezüglich skeptisch.)
Mir erscheint die Betonung auf den Fuß forciert. Vielleicht kann ja Fredericus sich des Themas mal annehmen, werde ihn mal nach dem Wochenende fragen. Wenn er sich dazu äußert wird das sicher ein sehr informativer und spannender Beitrag.
Flapsig gesprochen ist es ja geradezu das Wesen der Betonung, forciert zu sein. Es gibt zwar wahrscheilich prägnantere Beispiele als die Liedzeile, aber noch einmal können wir sie wohl noch - etwas launisch - verwursten:
Kommt ein Vogel geflogen,
setzt sich nieder auf mein' Fuß. (Und legt sich nicht etwa.)
Kommt ein Vogel geflogen, setzt
sich nieder auf mein' Fuß. (Keinen anderen.)
Kommt ein Vogel geflogen, setzt sich
nieder auf mein' Fuß. (Nicht etwa herauf.)
Kommt ein Vogel geflogen, setzt sich nieder
auf mein' Fuß. (Zielen kann er gut.)
Kommt ein Vogel geflogen, setzt sich nieder auf
mein' Fuß. (Den Typen neben mir kann er, scheint's, nicht leiden.)
Kommt ein Vogel geflogen, setzt sich nieder auf mein'
Fuß. (Glück gehabt. Am Kopf bin ich kitzlig.)
Mit anderen Sätzen lassen sich noch frappierendere Bedeutungsverschiebungen erzielen.
Das kann ich nicht nachvollziehen, warum ändert die Tatsache, daß es nur zwei Akkorde gibt das Spannungsverhältnis zwischen Tonika und Dominante? Das erste Viertel aus Takt 3 ist eine Septime des Dominantakkords und verstärkt somit die Spannung noch, während das erste Viertel aus Takt 4 die Quinte der Tonika ist. Das mit der Reharmonisierung kann ich mir schwer vorstellen, wie könnte eine passende Akkordfolge in diesen Takten aussehen, damit sich das Spannungsverhältnis hier ändert?
Ich glaube, hier habe ich ein paar Mißverständnisse provoziert. Als ich die Spannung in meinem ersten Beitrag ins Spiel brachte, bezog sich das lediglich auf den Melodieverlauf ohne Berücksichtigung der Harmonisierung. (Probier's aus: das c im vierten Takt erzwingt geradezu eine Fortsetzung - das b könnte dagegen als wahrer Ruhepunkt durchgehen. :cool:) Demgegenüber wirkt die Abfolge zweier Akkorde (trotz unbestreitbarer Spannungsbeziehung zueinander) einigermaßen handzahm.
Der Verweis auf eine alternative Harmonisierung war vor diesem Hintergrund
pocchissimo scherzando gemeint und weniger als hauptsächliches Argument. (Da geht aber tatsächlich was auch ohne grobe Verrenkungen. Vielleicht geh' ich am Wochenende basteln...)