Für Elise

  • Ersteller des Themas Valldemossa1838
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Ich hab mal eine andere Frage - für jemanden der eigentlich hauptsächlich einen Bezug zu der Romantik hat, welche Sonate von einem klassischen Komponisten (Beethoven?) wäre da am empfehlenswertesten als Einstieg bzw. Transition…vllt Waldstein?
Der Keim der Romantik ist bereits in der Klassik angelegt. Es gibt In der Musikwissenschaft auch die Ansicht, dass es sich bei Klassik und Romantik um eine Epoche handelt (was einleuchtend ist, wenn man bedenkt, dass es bei fast allen anderen Epochenwechseln radikale Umbrüche gab, während in der Musik die Klassik in die Romantik überging).
Du findest bereits bei Haydn z.T. romantische Anklänge, z.B. im zweiten Satz der Es-Dur-Sonate für Frau Auenbrugger oder in dem f-Moll-Variationen. Beethovens Waldsteinsonate hat auf jeden Fall auf die Romantik ausgestrahlt.
Als Einstieg in den Übergang der Klassik in die Romantik empfehle ich dir auch, dich mit Schubert und seinen Sonaten auseinanderzusetzen.
 
Es gibt In der Musikwissenschaft auch die Ansicht, dass es sich bei Klassik und Romantik um eine Epoche handelt (was einleuchtend ist, wenn man bedenkt, dass es bei fast allen anderen Epochenwechseln radikale Umbrüche gab, während in der Musik die Klassik in die Romantik überging).
Wobei das nicht für die gesamte Romantik gilt. Brahms' 4. Sinfonie von 1885 steht noch erkennbar in der Tradition Beethovens. Wagners 20 Jahre vorher (sic!) entstandener Tristan hat diese Tradition bereits weit hinter sich gelassen und schlägt ein gänzlich neues Kapitel der Musikgeschichte auf.
 
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Wagners 20 Jahre vorher (sic!) entstandener Tristan hat diese Tradition bereits weit hinter sich gelassen und schlägt ein gänzlich neues Kapitel der Musikgeschichte auf.
Aber auch das ist eine kontinuierliche und folgerichtige Weiterentwicklung innerhalb einer Stilepoche. Echte Epochenumbrüche sind ja an einem musikalischen Paradigmenwechsel mit oft radikaler Vereinfachung der musikalischen Strukturen zu erkennen:

Renaissance - Früh-Barock: Monodie statt Vokalpolyphonie
Spätbarock - Klassik: Homophonie statt satztechnisch und harmonisch komplexer Fugentechnik
Spätromantik - Moderne: hier als ein Beispiel: kurze, sparsam besetzte Formen (Webern) statt in zeitlicher Dauer und Besetzung ausufernde Kompositionen (Mahler)

Und Wagner war auch nicht von Anfang an Wagner, sondern irgendetwas zwischen Bellini und Meyerbeer. Während bei Epochenumbrüchen eine Abwendung vom Vorigen stattfand, ist es bei Wagner ein kontinuierliches Aufbauen auf dem Entstandenen, eine Weiterentwicklung. In gewissem Sinne Evolution statt Revolution.
 
... woher kommt - oder kam - eigentlich dieser ganze Wandel?
War das vielleicht so, dass am Anfang Kunstmusik als etwas "göttliches, reines" betrachtet wurde, und dementsprechend kunstvoll und "ernst" zu sein hatte? Und dass sich die Kunstmusik erst später dann erlaubt hat, auch dediziert Emotionen zu integrieren und zu reflektieren?
(sorry für die Frage... ich könnte sicher auch durch Wikipedia etc. graben, aber ihr kriegt eine Antwort vielleicht schneller auf den Punkt)
 
... woher kommt - oder kam - eigentlich dieser ganze Wandel?
War das vielleicht so, dass am Anfang Kunstmusik als etwas "göttliches, reines" betrachtet wurde, und dementsprechend kunstvoll und "ernst" zu sein hatte? Und dass sich die Kunstmusik erst später dann erlaubt hat, auch dediziert Emotionen zu integrieren und zu reflektieren?
(sorry für die Frage... ich könnte sicher auch durch Wikipedia etc. graben, aber ihr kriegt eine Antwort vielleicht schneller auf den Punkt)
In aller Kürze die Motive für die Stilumbrüche (vereinfachte Darstellung der Ausführungen von Ingo Harden):

Wandel Renaissance - Barock: Monodie als Notwendigkeit, um die Idee der Wiedergeburt des antiken Dramas in Form der neu geborenen Gattung Oper zu verwirklichen

Wandel Barock - Klassik: Geschmacksempfinden. Den neuen, galanten Stil der Frühklassik kann man als Weiterentwicklung des Rokoko betrachten, das z.B. in Vivaldi schon in der Barockzeit einen Vertreter hatte ("leichter" Stil gegenüber dem "schweren" Stil von Bach und Händel)

Wandel Spätromantik - Moderne: der Wunsch eines radikalen Bruchs mit der vollständig ausgeschöpften Dur-Moll-Tonalität. Dabei wurden verschiedene Wege gegangen: Impressionismus (Debussy, Ravel, Skrjabin), Zweite Wiener Schule (Schönberg, Berg, Webern), Hinwendung zur Volksmusik (Bartok).
 
Naja, vermutlich würde die "Geschichte der Kunstmusik" tatsächlich in der prähistorischen Zeit beginnen...

Eigentlich weiß "Mister Allesschlau" da offenbar wieder alles (Hab' ich mir früher auch irgendwann mal durchgelesen, aber alles wieder vergessen...)


Auch den Links darin folgen, wie z.B.

Da steht etwas von zeremonieller Anwendung, und Signalen z.B. für die Jagd... könnte gut sein, dass manche Elemente der Musik "archaisch" bis heute in mancher Hinsicht auf Menschen wirken (Signale, Wehklagen, Herzschlag/Atmung usw.)
 
Aber auch das ist eine kontinuierliche und folgerichtige Weiterentwicklung innerhalb einer Stilepoche. Echte Epochenumbrüche sind ja an einem musikalischen Paradigmenwechsel mit oft radikaler Vereinfachung der musikalischen Strukturen zu erkennen
Das erscheint mir als Definition reichlich willkürlich. Auch die Klassik war nicht plötzlich da und warf alles Vorherige über den Haufen. Schon bei J.S. Bach ist in späten Werken eine deutliche Hinwendung zum galanten Stil erkennbar, ohne dass er dazu mit allem brechen musste, was er sonst komponiert hat. Und die klassische Sonate entwickelte sich ebenfalls kontinuierlich - Vorläufer gibt es schon in der frühbarocken venezianischen Schule.

Ein Klaviertrio Haydns und eine Triosonate Corellis haben in vielerlei Hinsicht mehr Gemeinsamkeiten als der Tristan mit Norma.
 
Eine interessante Diskussion hier, die mich aber erstaunt.

Ich habe nämlich ein Problem damit, dass Klassik und Romantik als eine Epoche gesehen werden könnten. Ich kann mir das gar nicht vorstellen.

Die Französische Revolution 1789 hat doch einen riesigen gesellschaftlichen Wandel zur Folge gehabt, der sich auch in der Musik ausdrückte. Aus der Sonatenhauptsatzform, der Sonate, als Form der Klassik, um es mal grob vereinfachend zu sagen, wurde das Charakterstück der Romantik. Gleichzeitig tat sich im Klavierbau ungeheuer viel und in der Romantik entwickelte sich unser Instrument (industrielle Revolution) fast bis zur heutigen Form.

Die Entwicklung im Klavierbau hatte logischerweise eine immense klangliche Entwicklung des Klaviers/Flügels zur Folge und bot den Komponisten ungeheure Möglichkeiten, die sie auch nutzten.

Ich habe es auch noch nie gehört, dass Klassik und Romantik als eine Epoche gelten können, bin aber keine Musikwissenschaftlerin. Was sagst du denn dazu, lieber @mick?

Liebe Grüße

chiarina
 
Es ist wie mit Dialekten in der Sprache, in den Grenzgebieten finden sich Elemente beider Bundesländer.
So ist ja auch die Musikentwicklung ein analoger Prozess.
 

OT: Mir ist vollkommen egal, ob man z.B. Beethoven oder Schubert zur Klassik oder zur Romantik zählt. Hauptsache, es gibt diese Musik;-).
 
Spätbarock - Klassik: Homophonie statt satztechnisch und harmonisch komplexer Fugentechnik
Ganz so einfach und pauschal ist es sicher nicht. Es lassen sich ohne Schwierigkeit auch im Spätbarock harmonisch und von der Stimmführung schlichtere Werke finden und in der Frühklassik hingegen folgendes z.b. (Haydn, op. 20, ca. 1772)Screenshot_20241128_180904_Samsung Notes.jpg
 
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Ein Klaviertrio Haydns und eine Triosonate Corellis haben in vielerlei Hinsicht mehr Gemeinsamkeiten als der Tristan mit Norma.
Die frühen vielleicht, die späten (immerhin 15 Werke) sicher nicht.
Oder welche Gemeinsamkeiten kannst Du harmonisch oder formal z.B zwischen dem E-Dur Trio von Haydn Den Anhang 73021 betrachten und einer Corelli-Triosonate feststellen, außer dass das Cello noch weitgehend an die linke Hand des Pianisten gebunden ist?
 

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Ich würde nie Klassik und Romantik zu einer Epoche zusammenfassen, aber wenn wir die Sterbedaten der großen Romantiker Weber (1826) und Schubert (1828) mit dem des großen Klassikers Beethoven (1827) zusammenbringen und dann auch noch Clementi (vor Mozart geboren und nach Beethoven, Weber und Schubert gestorben) ansehen, so scheint der Epochenwechsel doch recht kontinuierlich verlaufen zu sein.
 
Eigentlich schade, dass diese sehr spannende Diskussion so versteckt irgendwo in einem "Für Elise" Faden stattfindet. Wäre das nicht was für einen eigenen Faden? Vielleicht kann man das verschieben?
 
Ganz so einfach und pauschal ist es sicher nicht.
Nein, natürlich nicht. Ich habe nur im Sinne eines Basisschemas eine grobe Entwicklungslinie und allgemeine Veränderungsprozesse (vorige Epoche endet komplex, nächste Epoche beginnt relativ einfach strukturiert) darzustellen.
So läuft grundsätzlich jeder Unterricht in der Schule: Zuerst wird ein Basisschema (allgemein, grob und vereinfachend) etabliert. Wenn dies verstanden ist, wird es ausdifferenziert, das hast du z.B. mit deinem Beitrag gemacht.
 
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Nein, natürlich nicht. Ich habe nur im Sinne eines Basisschemas eine grobe Entwicklungslinie und allgemeine Veränderungsprozesse (vorige Epoche endet komplex, nächste Epoche beginnt relativ einfach strukturiert) darzustellen.
Wann beginnt, wann endet eine Epoche? Das ist doch gerade das Problematische. Man kann immer Gründe genauso gut für als auch gegen Abgrenzungen finden. Je nachdem, was man sich heraussucht.

So läuft grundsätzlich jeder Unterricht in der Schule: Zuerst wird ein Basisschema (allgemein, grob und vereinfachend) etabliert. Wenn dies verstanden ist, wird es ausdifferenziert, das hast du z.B. mit deinem Beitrag gemacht.
Nur sollte das "Basischema" (was immer das in geschichtlichen Zusammenhängen auch sein mag) sich nicht allzuweit von der Realität entfernen.
 
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