Die Mutter eines Freundes bat mich darum ihren Kindern Klavierunterricht zu geben, nachdem sie mich Spielen hörte. (...)
Sie fragte mehrmals so energisch, dass ich mich irgendwann drauf einließ. Ich wies sie mehrmals und unmissverständlich drauf hin, dass ich zu keinem Zeitpunkt eine professionelle Klavierausbildung genossen habe. (...)
Jetzt, gut zwei Jahre später, hat sich dies wohl herumgesprochen und andere Leute kamen auf mich zu um ihre Kinder zu unterrichten.
Mein Problem bei der ganzen Sache liegt darin, dass ich dabei eine mangelnde Wertschätzung des Musizierens, Klavierspielens und des Klavierlehrens empfinde. Es ist natürlich nicht so gemeint von der Seite der Eltern. Wenn sie beeindruckt sind vom Klavierspiel eines anderen, denken sie, das Klavierspiel ist auch objektiv gut. Dann denken sie, derjenige könne auch Klavier unterrichten und zwar so, dass ihre Kinder Klavierspielen lernen und sich in Musik ausdrücken können.
Es fehlt diesen Eltern das Rüstzeug, das Gute vom weniger Guten oder Schlechten unterscheiden zu können. Was auch nicht einfach ist. Aufgrund der aus meiner Sicht zunehmenden mangelnden Qualität der musikalischen und pianistischen Fähigkeiten der Kinder bedingt durch 25-Minuten-Unterrichtseinheiten, Gruppenunterricht zu schlechten Bedingungen, JEKI, schlecht klingenden Tutorials auf YT, wissen viele gar nicht mehr, was gut ist, wie ein schöner, ausdrucksvoller Klavierton klingt.
Ich freue mich durchaus, dass die Quantität der Musizierenden zugenommen hat eben durch Tutorials, Online-Kurse etc.. Aber es ist mir ein großes Anliegen - eines der Gründe für die Wahl meines Berufes -, interessierten Menschen zu zeigen, was für eine wundervolle Klangwelt sich in der Musik auftut und wie glücklich es macht, diese Welt in sich aufzunehmen, sie zu erforschen, zu hören, zu fühlen, zu spielen. Mir fehlt oft die Qualität.
Diese benötigt ein gutes Handwerkszeug. Es tut mir in der Seele weh, harte, immer gleichlaute, gedrückte Klaviertöne zu hören, die so oft zu hören sind. Ich finde es so schade, dass Eltern oft nicht wissen, vielleicht auch nicht wissen können, dass Klavierspielen etwas anderes ist als Fliesen zu legen. Wie sagt
Altenmüller sinngemäß: Musizieren ist eine der anspruchsvollsten menschlichen Tätigkeiten.
Oft höre und sehe ich die Haltung "Hauptsache, das Kind hat Spaß!" Ja, Klavierspielen sollte Freude machen, aber es bietet so viel mehr! Eine ganze Welt kann sich auftun an vielfältigen Emotionen, am sinnlichen Erleben der Klänge, am Fühlen der Tasten unter den eigenen Händen.
Mir kommt es manchmal so vor, als würde man die Eintrittskarte zu einer neuen, phantastischen, wunderbaren und betörenden Welt erhalten und dann am Anfang beim Burgerstand stehen bleiben.
Ich wünsche mir, dass Eltern mehr wissen, mehr reflektieren und - wenn sie oder ihre Kinder schon musizieren möchten und dies lernen wollen - ihren Kindern jemanden zur Seite stellen, der nicht nur den Burgerstand und ein paar weitere Stände kennt. Sondern der ihren Kindern Ohren, Hände, Augen öffnet, der ihre Persönlichkeit unterstützt, der sie begleitet in jeder Hinsicht.
Wer das nun ist, sollte eine breit gefächerte Ausbildung haben. Er sollte sehr viel können, sowohl fachlich, methodisch, pädagogisch und pianistisch. Ich unterrichte bereits 5jährige Kinder und mache wirklich jedes Mal die Erfahrung, wie wichtig es ist für die Qualität meines Unterrichts, dass ich aus dem Vollen schöpfen kann. Meine Qualität als Pianistin wirkt sich direkt auf meinen Anfangsunterricht aus. Weil ich gelernt habe - übrigens erst gegen Ende meines Studiums - mir gut zuzuhören, zuzuhören, wie ich Töne ende und beginne, wie ich sie verbinde, welche Übestrategien es gibt, was mir weiterhilft, weiß ich, welche Schwerpunkte ich setzen will beim Anfangsunterricht und wie ich vorgehe.
Ich bin der festen Überzeugung, dass nicht nur begabte Schüler diese Welt der Musik kennen lernen und einen guten Lehrer haben sollten. Für die Begabten ein guter Lehrer, für die anderen reicht die Mittelmäßigkeit? Nein, ein guter Lehrer ist gerade auch für die "Normalos" oder auch für die, die sich schwer tun, sehr, sehr wichtig!
Mein Beitrag ist ein flammendes Plädoyer für Qualität! In diesem Zusammenhang für die Qualität des Lehrenden. Lehrer sollten die Besten sein, nicht nur im Bereich der Musik. Das wünsche ich jedem!
Ob nun dieser Lehrer ein Zertifikat besitzt, ist erstmal zweitrangig. Seine Fähigkeiten sind entscheidend. Ich habe schon mit 19 unterrichtet - ich hatte gerade die Aufnahmeprüfung bestanden. Da war nichts mit fachmethodischem Wissen. Allerdings konnten die Eltern meiner Schüler sicher sein, dass ich gut Klavier spielen konnte - es war durch die bestandene Aufnahmeprüfung von objektiver Seite bewertet worden. Außerdem war durch meinen Berufswunsch klar, dass ich Interesse an Klavierpädagogik hatte und nun darin ausgebildet wurde.
Zudem hatte ich schon immer einen guten Draht zu Kindern und so fand ich dann meine Schülerschaft. Ich würde aus jetziger Perspektive sagen, dass ich vieles instinktiv richtig gemacht habe - ich habe z.B. schon immer Anfangsunterricht nach Gehör (audiomotorisch) unterrichtet. Aber selbstverständlich ist das mit jetzt nicht zu vergleichen. Heute habe ich unendlich mehr Wissen, mehr Möglichkeiten, bin viel flexibler, weiß, was ich tue etc..
Durch meine "Zertifikate" weiß jemand, der sich für Klavierunterricht interessiert, allerdings, dass ich eine gute und umfassende Ausbildung genossen habe. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich ein breites pianistisches und pädagogisches Wissen besitze, ist hoch. Ich könnte trotzdem ein Arschloch sein, auf gut Deutsch gesagt. Jeder Lehrer, der etwas auf sich hält, bietet eine Probezeit an, in der der Schüler fristlos am Ende des Monats kündigen kann. Es wird sich schon herausstellen, ob die Chemie stimmt und dabei wird sich auch herausstellen, ob köstliche Gerüche von Gewürzen und Aromen beim Betreten dieser Welt locken.
Lieber kid, es spricht sehr für dich, dass du hier gefragt hast! Du wirst wissen, was du tun wirst.
Liebe Grüße
chiarina