Dabei ist der Affentanz schon für normal denkende Münchner (vor allem die Pendler, die Öffis benutzen) ein alljährliches Zentralärgernis
Ich komme normalerweise zweimal im Monat nach M., aber während der Oktoberfestzeit passiert mir das höchstens aus Versehen (vor zwei Jahren hatte ich eine Opernkarte für einen Samstag, an dem neben dem Oktoberfest auch noch Bayernspiel war: da gings zu wie in Dantes tiefstem Kreis der Hölle und ich litt unter der Vorstellung, neben Papst Bonifaz Nummer 8 hüfthoch in der Scheiße zu stecken). Die Vulgarisierung des Oktoberfests ist mit einem Namen verbunden, nämlich dem von Gabriele Weishäupl, die als Tourismuschefin und offizielle Leiteren des Oktoberfestes seit Mitte der 80er Jahre mit großem Aufwand begann, es weltweit zu vermarkten. Und die eine Kampagne startete, dass alle Einheimischen "selbtverständlich" in Tracht erscheinen zu hätten, um den Touristen ein Bild bayerischer Identität zu vermitteln. Vorher dachte kein Mensch daran, in etwas anderem als einem normalen Anzug au die Wiesn zu gehen, und wer eine Tracht trug, war als Oberlandler ausgemacht, da brauchte er zum Beweis gar nicht den Mund zum Gurgeln landesüblicher Urlaute aufsperren. Lederhosen waren in meiner Jugend Klamotten für Kinder und Jugendliche, von meiner Mutter sogenannte "Reißteufel" halt. Ich hatte außer meinem "Sonntagsstaat" auch nix anderes. Und habe es dennoch einmal geschafft, eine zu zerreißen, und zwar bei missglückten Überklettern eines lanzenbewehrten Eisenzauns. Meine Mutter war außer sich - wegen der zerrissenen Lederhose, nicht wegen des Gedankens, dass ich mir bei Ausrutschen ja auch fachgerecht den Bauch hätte aufschlitzen können ...
Die meisten Dirndl und Trachtenanzüge, die man heute auf dem Oktoberfest sieht, sind nichts als widerwärtiger Ramsch. Ein richtiges(-r) Dirndl / Trachtenanzug ist in der Herstellung anspruchsvoll und keineswegs grell kitschig, und man wartet bei einer guten Schneiderin auch locker ein Jahr ab Bestellung. Dafür hat man was Zeitloses, das auch ewig hält. Meine Frau trägt sowas auch, ich als Franke würde allerdings nicht im Traum dran denken, mich in ein bairisches Gewand zu stürzen, und kann nur den Kopf schütteln, wenn ich sehe, wie der Ober-Bayer Söder sich da täglich zum Affen macht.
Bestimmte Grossunternehmen und Institutionen in M bekommen ja alljaehrlich einige Freikarten fuer die Wiesenzelte von den jeweiligen Betreibern
Hihi, der war gut. Die reservieren ein Jahr im Voraus und blechen dafür heftig. Aber es gehört halt zur Pflege dessen, was sich heutzutage corporate identity nennt, dass alle sich da mal zusammenrotten. Zu ihrem Glück müssen sie in dem ganzen Krach ja nix reden.
2Mio Nuernberger Volksfest, [...]Annafest Forchheim 0,5 Mio, Sandkerwa Bamberg 0,3 Mio,....
Das hat nur damit zu tun, dass das östliche Franken und die angrenzende Oberpfalz vergleichsweise dünn besiedelt sind und daher die "Einheimischen" nichts dabei finden, 100 km zu einer Lustbarkeit zu fahren (chineische Besucherströme in Heeresstärke habe ich in Forchheim noch nie gesehen, und auch sonst geht es nicht so vulgär zu wie auf dem Oktoberfest). Zu den Club-Spielen kommen sie ja auch in hellen Haufen, obwohl das Gebote selten in einem angemessenen Verhältnis zum Aufwand steht.
Ach ja, nächste Woche gehe ich mit meiner Tochter auf das Oktoberfest in Princeton - als Enttäuschung des Tages, denn ein leibhaftiger Bayer (den Unterscheid zwischen Bayer und Baier kennt dort natürlich kein Mensch) ohne Lederhosen: das kann doch nur ein fake sein.