Troubadix
Dorfpolizist
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Hallo zusammen!
Dieses wundervolle Sonate ist mittlerweile so eine Art Lebensaufgabe für mich geworden… irgendwann muss ich das einfach können. Da mir doch noch immer einige Sachen unklar sind und sicher auch in Zukunft noch viele Fragen auftauchen werden, möchte ich einfach mal einen Thread für solche Fragen erstellen. Ich fang einfach mal an mit ein paar Fragen zum ersten Satz.
1. Im ersten Satz gibt es diese signifikante 32tel Girlandenfigur die mehrmals auftritt. Jeder vierte Ton dieser Girlanden und teilweise die Bassakkorde sind markiert (siehe Anhang 1, je nach Ausgabe ein Punkt oder Tropfen). Laut Barenboim und Schiff ist diese Markierung als leichter Akzent zu verstehen, Barenboim meint, dadurch werden verschiedene Instrumente simuliert. So weit so gut. Nun kommt dann aber diese äußerst fiese Stelle in E-Dur (Fes-Dur) und plötzlich fehlen die Markierungen. Auch die Anweisung „leggiermente“ fehlt und wird sonst immer explizit vorgeschrieben. Warum? Ist diese Stelle anders zu spielen? Bülow ist der einzige, der in seiner Ausgabe auch diese Stelle wie gewohnt markiert. Ein einziges Mal tritt die Figur in der linken Hand auf. Bülow markiert auch hier jede vierte Note, andere Herausgeber nicht. Warum?
2. In Takt 75 (siehe Abbildung 2) verschiebt Beethoven die letzten beiden 32tel-Gruppen eine Oktave nach unten. Bülow merkt dazu folgendes an:
„Das befremdliche Hinuntergleiten der schwungvoll aufsteigenden Figur im fünften Achtel, wie die Originalausgabe aufweist, ist, wie einige analoge Incongruenzen in op.111, durch einen rein äusserlichen Umstand zu erklären. Zur Zeit der Composition dieser letzten Klaviersonaten besass der Meister einen ihm von der Londoner Fabrik Broadwood gelieferten Flügel, dessen Umfang sich vom Contra-C bis zum c'''' erstreckte, also den Zuwachs nach der Tiefe gegenüber den Wiener Klavieren durch eine ebenso beträchtliche Einbusse nach der Höhe compensirte. Nun ist zwar nicht zu leugnen, dass dem urschöpferischen Darstellungsmaterials sich zur Quelle neuer eigenthümlicher Schönheiten und Feinheiten verwandelt: bisweilen begegnen uns jedoch Falle, in denen jene, neuerdings in Folge bereicherter Mechanik hinweggefallene, Schranke trübend und entstellend auf die dichterische Absicht influirt hat. Die richtige Unterscheidung solcher Fälle ist eben die Aufgabe kritischer Pietät.“
Bülow verschiebt diese beiden Gruppen also nicht nach unten und betrachtet alles andere als Entstellung. Mir ist keine Aufnahme bekannt, in der diese Stelle wie von Bülow vorgeschlagen gespielt wird. Entstellen unsere heutigen Pianisten diesen Satz? :p
3. Noch eine Frage zu den Girlanden. Kurz vor Schluss ab Takt 105 (siehe Abbildung 3) erscheint die Figur zum letzten Mal. Dann in Takt 109 ändert sich die Figur unerwartet. Die ersten beiden Achtel des Taktes müssten eigentlich c''-as''-es''-as''-c'''-as''-es''-as'' heißen, außer Bülow schreiben aber alle anderen Ausgaben c''-es''-c''-es''-c'''-es''-c''-es''. Es folgen dann noch weitere Abweichungen in den Takten 109 und 110, die ich im Anhang gekennzeichnet habe.
Bülows Kommentar dazu ist: „In diesem, wie dem folgenden Takte haben die früheren Ausgaben abweichende Figurationen, für die kein fasslicher Grund aufzufinden ist.“ Hat er recht oder gibt es einen?
Das ist zwar durchaus einleuchtend, nur ist mir auch hier kein Pianist bekannt der das so spielt, wie von Bülow vorgeschlagen wird.
So, das reicht erst mal. Alle Ausgabe findet man auf imslp.
Ich hoffe auf eure Hilfe!
Viele Grüße!
P.S. Dieser Thread darf natürlich von jedem für weitere diverse Fragen und Kommentare rund um diese Sonate missbraucht werden.
Dieses wundervolle Sonate ist mittlerweile so eine Art Lebensaufgabe für mich geworden… irgendwann muss ich das einfach können. Da mir doch noch immer einige Sachen unklar sind und sicher auch in Zukunft noch viele Fragen auftauchen werden, möchte ich einfach mal einen Thread für solche Fragen erstellen. Ich fang einfach mal an mit ein paar Fragen zum ersten Satz.
1. Im ersten Satz gibt es diese signifikante 32tel Girlandenfigur die mehrmals auftritt. Jeder vierte Ton dieser Girlanden und teilweise die Bassakkorde sind markiert (siehe Anhang 1, je nach Ausgabe ein Punkt oder Tropfen). Laut Barenboim und Schiff ist diese Markierung als leichter Akzent zu verstehen, Barenboim meint, dadurch werden verschiedene Instrumente simuliert. So weit so gut. Nun kommt dann aber diese äußerst fiese Stelle in E-Dur (Fes-Dur) und plötzlich fehlen die Markierungen. Auch die Anweisung „leggiermente“ fehlt und wird sonst immer explizit vorgeschrieben. Warum? Ist diese Stelle anders zu spielen? Bülow ist der einzige, der in seiner Ausgabe auch diese Stelle wie gewohnt markiert. Ein einziges Mal tritt die Figur in der linken Hand auf. Bülow markiert auch hier jede vierte Note, andere Herausgeber nicht. Warum?
2. In Takt 75 (siehe Abbildung 2) verschiebt Beethoven die letzten beiden 32tel-Gruppen eine Oktave nach unten. Bülow merkt dazu folgendes an:
„Das befremdliche Hinuntergleiten der schwungvoll aufsteigenden Figur im fünften Achtel, wie die Originalausgabe aufweist, ist, wie einige analoge Incongruenzen in op.111, durch einen rein äusserlichen Umstand zu erklären. Zur Zeit der Composition dieser letzten Klaviersonaten besass der Meister einen ihm von der Londoner Fabrik Broadwood gelieferten Flügel, dessen Umfang sich vom Contra-C bis zum c'''' erstreckte, also den Zuwachs nach der Tiefe gegenüber den Wiener Klavieren durch eine ebenso beträchtliche Einbusse nach der Höhe compensirte. Nun ist zwar nicht zu leugnen, dass dem urschöpferischen Darstellungsmaterials sich zur Quelle neuer eigenthümlicher Schönheiten und Feinheiten verwandelt: bisweilen begegnen uns jedoch Falle, in denen jene, neuerdings in Folge bereicherter Mechanik hinweggefallene, Schranke trübend und entstellend auf die dichterische Absicht influirt hat. Die richtige Unterscheidung solcher Fälle ist eben die Aufgabe kritischer Pietät.“
Bülow verschiebt diese beiden Gruppen also nicht nach unten und betrachtet alles andere als Entstellung. Mir ist keine Aufnahme bekannt, in der diese Stelle wie von Bülow vorgeschlagen gespielt wird. Entstellen unsere heutigen Pianisten diesen Satz? :p
3. Noch eine Frage zu den Girlanden. Kurz vor Schluss ab Takt 105 (siehe Abbildung 3) erscheint die Figur zum letzten Mal. Dann in Takt 109 ändert sich die Figur unerwartet. Die ersten beiden Achtel des Taktes müssten eigentlich c''-as''-es''-as''-c'''-as''-es''-as'' heißen, außer Bülow schreiben aber alle anderen Ausgaben c''-es''-c''-es''-c'''-es''-c''-es''. Es folgen dann noch weitere Abweichungen in den Takten 109 und 110, die ich im Anhang gekennzeichnet habe.
Bülows Kommentar dazu ist: „In diesem, wie dem folgenden Takte haben die früheren Ausgaben abweichende Figurationen, für die kein fasslicher Grund aufzufinden ist.“ Hat er recht oder gibt es einen?
Das ist zwar durchaus einleuchtend, nur ist mir auch hier kein Pianist bekannt der das so spielt, wie von Bülow vorgeschlagen wird.
So, das reicht erst mal. Alle Ausgabe findet man auf imslp.
Ich hoffe auf eure Hilfe!
Viele Grüße!
P.S. Dieser Thread darf natürlich von jedem für weitere diverse Fragen und Kommentare rund um diese Sonate missbraucht werden.
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