Kraftentfaltungsgrenze - kein echtes forte möglich?

kleiner scherzando Exkurs: der lisztige Chopin part one

Wenn ich meine, dass Chopin kein Liszt-Fortissimo gespielt hat, dann hat das mit "brav" und "Pianissimo" eigentlich nichts zu tun, oder? :confused:

mal ein paar typisch lisztige Stellen aus Chopins Oeuvre :) - - und der Frederic meinte durchaus, was er da notiert hatte ;)

die Anhänge hier und im nächsten Teil sind nicht von Liszt!! - sehen der Lisztschen Speilweise aber sehr ähnlich (vgl. Les Funerailles, h-Moll Sonate, Isoldens Liebestod etc)

die waren trotz manchem Zank (Liszt hatte mal die Wohnunhg Chopins für ein Techtelmechtel verwendet, was Chopin mißbehagen bereitet hatte) wirklich gut befreundet und die zwei sind musikalisch und pianistisch nun wahrlich nicht Lichtjahre voneinender entfernt :D
 

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scherzando Exkurs part two

weitere paar typisch lisztige Stellen aus Chopins Oeuvre :) - - und der Frederic meinte durchaus, was er da notiert hatte ;)

(die brachialen Stellen aus der f-Moll Fantasie, fis-Moll Polonaise [ungewohnt wuchtiger Klaviersatz] und Polonaise-Fantaisie erwähne ich nur ergänzend)

Gruß, Rolf

(die frei polyphone, sehr dichte Satzweise in Nr.8 ist manchen Abschnitten des Wagner/Lisztschen Liebestods sehr ähnlich)

und man findet noch mehr :)


Nachtrag
die Notenbeispiele sind aus: Ballade Nr.2 F-Dur, Ballade Nr.4 f-Moll, Sonate Nr.2 b-Moll, Polonaise As-Dur op.53, Nocturne c-moll op.48 Nr.1 (ich hoffe, ich hab nichts vergessen)
 

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Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Die Kraftentfaltungsgrenze ist ja nun bei jedem Pianisten unterschiedlich.

Wenn eine Stelle in einem gewissen Tempo nicht mehr mit der richtigen Technik, dem richtigen Schwung gespielt wird sondern mit Krafteinsatz nachgeholfen werden muss, ist die Verkrampfung nicht mehr aufzuhalten.

Ich sehe die fettgedruckten Stellen im Zitat deshalb als Aufforderung, diese Grenze bei sich zu erkennen, wenn aus lockerem Spiel ein Kraftakt wird. Und die Angabe, nur bestimmte Viertel zu betonen hilft sehr, die Lockerheit nicht zu verlieren und ist darüberhinaus aber ein wichtiger Hinweis für solche ff-Stellen allgemein.

Ich fand Lalonas Bemerkungen zu Chopin eigentlich recht passend. Sicher war er ein andere Typ als Liszt. Aber auch Dynamikbezeichnungen sind immer relativ. Wir verwenden zum Glück keine genauen Lautstärken Angaben wie in Tempoangaben, wo wir ein absolutes Tempo vorschlagen können.

Aber ff kann in Dezibel ausgedrückt eine ziemliche Bandbreite bedeuten. Wichtig ist doch, dass es im Verhältnis zur musikalischen Umgebung passt.

Ich denke schon, dass Liszt bei seinen Vorträgen absolut lauter gespielt hat als Chopin. Aber die Pianisten hier hängen keinesfalls einem romantischen verträumten Chopinbild nach sondern kennen die expressive Kraft von chopin recht gut, die sich ja in seinem Werk immer wieder zeigt. Die von Rolf gezeigten Beispiele sprechen für sich.

Warum soll nicht ein Mozart f ein absolut anderes sein als ein
Chopin oder Liszt forte. vielleicht war Chopin der grössere Pianissimo Künstler und hatte dann mit seinem ff die gleiche Wirkung wie Liszt, bei dem alles nur absolut eben lauter war.

Eigentlich gilt doch für jedes Musikstück: Kein Ton ist wie der Andere. Gerade von guten Streichquartetten kann man viel lernen und da offenbart genaues Hinhören, dass es keine 2 Töne gibt, die einander völlig gleich sind.

Es gibt Ausnahmen, bei denen der maschinenartige Martellatosound gewollt ist, aber hier in diesem Scherzo cis-moll ist dies sicher nicht der Fall.

Dynamikangaben geben einen Hinweis auf ein Level, nicht mehr. so kann ja in einer piano Stelle die Melodie durchaus mf sein, während die Begleitung pp gespielt wird. Und auch eine ff Angabe heisst nicht, dass jeder Ton ff sein soll, sondern dass der Gesamtausdruck der Stelle besonders laut sein muss.

Undifferenziertes ff Spiel wird schnell hässlich und leblos und entfernt sich von der Musik.
 
Und wenn er eher ein schwaches Wesen war, heißt noch lange nicht, daß er auch am Klavier ein schwaches Wesen war. Im Gegenteil:...

Man braucht zum Glück keine Mutmaßungen anstellen, die Zeitzeugenaussagen, die im Buch "Chopin as seen by his pupils" von Eigeldinger sind eindeutig:
Darin kommt zum Ausdruck, dass Chopin vor allem außerordentlich leise und gefühlvoll gespielt hat. So wir er sein "ff" gespielt hat, war dies bei anderen Leuten gerademal ein "mf". Ich stimme da Lalona völlig zu. In dem erwähnten Buch ist eine "Übersetzungstabelle" aufgeführt. Chopin hat alles leiser gespielt, und konnte wahnsinnig leise spielen. Eine Kunst, die nur wenige beherrschen.

Das eine ist, wie laut bzw. vor allem, wie leise Chopin gespielt hat. Die andere Sache ist, wie man selbst Chopin interpretiert. Was jedoch die Spielweise Chopins angeht, kann man sich getrost auf ausreichend Zeitzeugenaussagen verlassen. Meine eigene Mutmaßung ist, dass Chopin schon sehr laut hätte spielen können, laut draufdreschen kann ja schon jedes Kleinkind. Er wollte bloß nicht.
 
@rolf: dass die beiden zusammen in Paris rumgegurkt sind und auch befreundet waren, der Franz und der Frederic, das ist mir wohl bekannt. Ich glaube aber, dass diese Freundschaft nie zu einer echten Konkurrenz ausarten KONNTE, weil sie - obwohl beide Klaviervirtuosen - nunmal voellig verschieden waren, auch am Klavier. Ich finde nicht, dass man die beiden vergleichen kann. So aehnlcih sie sich sein moegen, so sehr repraesentieren sie doch zwei unterschiedliche Pole der Klaviermusik, oder?
lg
 
Natürlich gibt es beim Klavierspielen eine "Kraftentfaltungsgrenze".
Diese befindet sich dort, wo ein schöner, voller, großer Ton in Lärm übergeht.

Noch mehr Kraft oder noch schnelleres Anschlagen ;) führt über dieser Kraftentfaltungsgrenze nicht mehr zu mehr wohlklingender Lautstärke.

Hallo Franz,

spielt da aber nicht auch das Handgelenk eine große Rolle?
Meistens entsteht dieser schrille, nicht mehr wohlklingende Klang, wenn man mit steifen Handgelenk anschlägt. Sobald das Handgelenk beim Anschlag aber locker und elastisch bleibt, kann man ein gutes Forte spielen, ohne daß es den Ohren weh tut.

Am Besten könnte man es am Klavier demonstrieren.

Auch ich demonstriere in meinem Unterrichten meinen Schülern immer, ab wann ein Forte den Ohren weh tut. Und ein schrilles, nicht mehr wohltuende Forte zu vermeiden ist.

P.S.: Was das martialische betrifft. Werde mein Temperament im Forum etwas zügeln! :D
Aber nicht am Klavier! ;)

Liebe Grüße, Mario
 
Das Fatale ist doch: wenn man das mal kann (und es gibt ff-Oktaven, gegen welche das 3. Scherzo harmlos ist), denkt man gar nicht mehr darüber nach und macht es. Du hast völlig recht, dass man bei "Stützfinger-Übungen" nicht verkrampfen muss - denn stützen heisst nicht, nutzlos in den Tastenboden zu drücken oder gar pressen (die schönsten "Stützfinger-Übungen" die ich kenne, befinden sich in op.25 Nr.10 und op.28 Nr.24 von Chopin!! :D ).

Ich selber rate von einem fixierten Handgelenk ab

Hallo Rolf,

in diesen Punkten stimme ich Dir völlig überein. Und auch ich rate von einem fixierten Handgelenk ab. Ich hoffe ich hatte mich darüber nicht etwas unglücklich ausgedrückt. Das Handgelenk ist auch bei mir komplett locker, nur die Finger sind fixiert.

Liebe Grüße, Mario
 
Exkurs Chopin und Liszt

Ich finde nicht, dass man die beiden vergleichen kann. So aehnlcih sie sich sein moegen, so sehr repraesentieren sie doch zwei unterschiedliche Pole der Klaviermusik, oder?
lg

@Lalona
ist das wirklich so?
ist in den leisen, zerbrechlich zarten, tränenumflorten (wow, ein poetischer Ausdruck) Abschnitten von Les Funerailles keine sehr enge "Seelenverwandtschaft" zu Chopins Musiksprache spürbar?
ist ein schlichtes Meisterwerk wie die Consolation in Des-Dur von Chopin weit entfernt?
Berceuse und au bord d´une source sind nicht miteinander verwandt?
die Oktaven der heroischen Polonaise und in Les Funerailles?
...und ganz oben, auf dem Gipfel des Klavierolymps: sind f-Moll Ballade und h-Moll Sonate einander völlig fremd?

Chopin und Liszt sind in ihrer musikalischen und in ihrer pianistischen Sprache einander ähnlicher, als alle anderen Komponisten dieser Generation (plus minus ein-zwei Jahrzehnte)!!!

es ist unsinnig, Chopin und Liszt einander gegenüber zu stellen oder gar als Antagonisten aufzufassen, da gebe ich Dir recht - allerdings gebe ich zu bedenken, dass sie einander ähnlicher, verwandter sind, als es gerne pauschalisierend dargestellt wird.

auch und besonders pianistisch sind sich Chopin und Liszt eher ähnlich als fremd: beiden wird eine absolut klare, poetische, ggf alles andere an Virtuosität und Geschmack übertreffende Spielweise attestiert - man muss einfach nur die Legendenbildung aus den Berichten aussortieren (und das ist bzgl.Chopin gar nicht so schwer, denn schon fast zu seinen Lebzeiten hat sich das Bild des überfeinerten zarten und nur leisen Chopin als beliebt erwiesen...)

freilich gibt es einen gewaltigen Unterschied: Liszt wurde deutlich älter, starb nicht so früh wie Chopin - wer weiß, was Chopin noch alles komponiert hätte, wenn ihm ein längeres Leben gegönnt gewesen wäre? Die Tendenz solcher Meisterwerke wie Ballade f-Moll, Polonaise-Fantaisie weist harmonisch und strukturell durchaus eher in die Richtung der Wagner/Lisztschen "Zukunftsmusik", als in andere Bereiche. Zu einer h-Moll Sonate a la Liszt oder einem Mephistowalzer ist es bei Chopin nicht mehr gekommen - aber das mindert ja Chopins Leistungen in keiner Weise. Es ging nach Chopin (und mortuis causae ohne ihn) halt weiter.

von 1830-50 sind sich Chopin und Liszt sehr ähnlich, wobei Liszt durchaus viel von Chopin gelernt hat - evtl nicht in Sachen Technik/Virtuosität etc (eine Transkription der fantastischen Sinfonie steht 2 mal 12 epochalen Etüden in nichts nach - und man sollte bedenken, dass die Transkription vor den Etüden vorlag...), aber sicher in Sachen poetisch-lyrischer Schreibweise!

kurzum: sie repräsentieren bei genauer Betrachtung keine gegensätzlichen Pole (aber beliebt sind solche Bilder, analog auch der vermeintliche Antagononismus Wagner-Verdi - aber die beiden sind sich auch ähnlicher und einander näher, als alles andere, was zu dieser Zeit Opern schrieb!)

Gruß, Rolf
 
(...)
(1)
Wenn eine Stelle in einem gewissen Tempo nicht mehr mit der richtigen Technik, dem richtigen Schwung gespielt wird sondern mit Krafteinsatz nachgeholfen werden muss, ist die Verkrampfung nicht mehr aufzuhalten.

Ich sehe die fettgedruckten Stellen im Zitat deshalb als Aufforderung, diese Grenze bei sich zu erkennen, wenn aus lockerem Spiel ein Kraftakt wird. Und die Angabe, nur bestimmte Viertel zu betonen hilft sehr, die Lockerheit nicht zu verlieren und ist darüberhinaus aber ein wichtiger Hinweis für solche ff-Stellen allgemein.

(2)
Ich fand Lalonas Bemerkungen zu Chopin eigentlich recht passend. Sicher war er ein andere Typ als Liszt. Aber auch Dynamikbezeichnungen sind immer relativ. Wir verwenden zum Glück keine genauen Lautstärken Angaben wie in Tempoangaben, wo wir ein absolutes Tempo vorschlagen können.

Aber ff kann in Dezibel ausgedrückt eine ziemliche Bandbreite bedeuten. Wichtig ist doch, dass es im Verhältnis zur musikalischen Umgebung passt.

Ich denke schon, dass Liszt bei seinen Vorträgen absolut lauter gespielt hat als Chopin. Aber die Pianisten hier hängen keinesfalls einem romantischen verträumten Chopinbild nach sondern kennen die expressive Kraft von chopin recht gut, die sich ja in seinem Werk immer wieder zeigt. Die von Rolf gezeigten Beispiele sprechen für sich.

Warum soll nicht ein Mozart f ein absolut anderes sein als ein
Chopin oder Liszt forte. vielleicht war Chopin der grössere Pianissimo Künstler und hatte dann mit seinem ff die gleiche Wirkung wie Liszt, bei dem alles nur absolut eben lauter war.
(...)
(3)
Es gibt Ausnahmen, bei denen der maschinenartige Martellatosound gewollt ist, aber hier in diesem Scherzo cis-moll ist dies sicher nicht der Fall.
(4)
Dynamikangaben geben einen Hinweis auf ein Level, nicht mehr. so kann ja in einer piano Stelle die Melodie durchaus mf sein, während die Begleitung pp gespielt wird. Und auch eine ff Angabe heisst nicht, dass jeder Ton ff sein soll, sondern dass der Gesamtausdruck der Stelle besonders laut sein muss.
(5)
Undifferenziertes ff Spiel wird schnell hässlich und leblos und entfernt sich von der Musik.

hallo,

wie ich lese, sehen wir da vieles recht ähnlich!

anmerken oder ergänzen möchte ich:
zu (1)
natürlich muss jeder, der überhaupt Sachen wie das 3. Scherzo spielt, sich seiner manuellen und gestalterischen Grenzen bewußt sein - gerade um einen Weg zu finden, den Anforderungen der Partituren gerecht zu werden. Und hier bin ich stur: wenn Chopin ff & stacc. vorschreibt, dann sollte das auch realisiert werden! Ggf muss man sich lange daran gewöhnen - aber sich trösten mit "mf genügt, und Chopin hat auch auch immer leise gespielt" reicht nicht aus :). Und hier - deshalb habe ich ja das Zitat eingesetzt - vermisse ich halt einen Hinweis, wie man von mf eben doch zu ff kommt.
zu (2)
dass Liszt besonders laut oder Chopin besonders leise gespielt habe, wird man wohl nie verifizieren können - dass beide ausgezeichnet, ja überragend besser als alle anderen gespielt haben, gilt als überliefert. Aus einem romantischen Bild, das man sich im 19. Jh. über den Komponisten Chopin gebildet hatte, wird man sicher nicht auf die Realisierung seiner Partituren schließen können. Fest steht lediglich, dass sich beide (Liszt und Chopin) über fortissimo-Drescher a la Dreyschock und Gutman amüsiert hatten... ;)
alle Tugenden, die man von gekonntem Klavierspiel erwartet, sind eigentlich bei beiden gleichermaßen vorhanden (nachdem man romantische Legenden mal abzeiht).
ich meine: ein Chopinsches Fortissimo soll durchaus Fortissimo sein und ist auch so gemeint (er schreibt es ja nicht wahllos irgendwo hin)
zu (3)
da bin ich mir nicht sicher!
oder anders gesagt: hier geht es doch in Richtung Martellato und Vehemenz und grimmen Klang.
warum?
Auffallend sind die großen, weitflächigen Steigerungen im 3. Scherzo - und diese hat Chopin sehr genau vorgeschrieben. Als nur eine Exempel mag die kontinuierliche Steigerung der Überleitung zu Coda dienen: der "Choralgedanke" wird in einer Steigerung von pp zu ff fortgeführt, ja weiter entwickelt, die dann im ff der gehämmerten Doppeloktaven ihre Kulmination findet - daraus ist zu schließen, dass die zuvor nur exponiert ff geforderten Doppeloktaven eben doch scharf, kräftig und recht herb sein müssen.
Überhaupt erstaunt dieses Scherzo mit einer klanglichen Herbheit und Rauhheit, die so gar nicht zum beliebten Chopinbild passt: das Hauptthema ist kalt staccato, durchaus herb und wild und martellato. Jedenfalls steht´s so in den Noten.
zu (4)
das ist immer problematisch, jedenfalls wenn es ans realisieren geht. Im 3. Scherzo besteht die Gefahr, dass man sonore forte Choralakkorde "lauter" spielt, als herbe ff-stacc.-Oktaven. Wenn das passiert, dann sind die von Chopin geforderten Klangrelationen verzerrt.
insofern ist das 3. Scherzo schon ein sehr gutes Beispiel für das, was P.P. Werner beschreibt - wobei ich der Meinung bin, dass man das Scherzo erst dann wirklich realisiert hat, wenn man die Oktaven ff kann.
zu (5)
das gilt sicher für alle Klaviermusik, wo sie mal schnell und laut wird :)

Gruß, Rolf
 
nochmal ein Exkurs zum "Chopinbild"

(1)
Das eine ist, wie laut bzw. vor allem, wie leise Chopin gespielt hat.
(2)
Die andere Sache ist, wie man selbst Chopin interpretiert.
(3)
Was jedoch die Spielweise Chopins angeht, kann man sich getrost auf ausreichend Zeitzeugenaussagen verlassen. Meine eigene Mutmaßung ist, dass Chopin schon sehr laut hätte spielen können, laut draufdreschen kann ja schon jedes Kleinkind. Er wollte bloß nicht.

Hallo,

eigentlich muss das Thema hier - Kraftenfaltungsgrenze (falls es die gibt) und Umgang damit - nicht zu Mutmaßungen über die Spielweise des 1849 verstorbenen Komponisten F. Chopin führen...

zu (1)
das wissen wir nun mal nicht -schade, ich würde gerne hören, wie Chopin gespielt hat.
zu (2)
um sich daran zu wagen, ist primär der Notentext relevant, am besten ein solcher, der textkritisch gesichert ist - so etwas haben wir für das als Exempel genannte Scherzo in cis-Moll.
zu (3)
dieses "sich getrost verlassen können" bezweifle ich aus textkritischen und textimmanenten Gründen. Die "Zeitzeugen-Berichte" bilden und transportieren (tradieren) ein gewolltes, gewünschtes romantisches Künstlerbild von Chopin in Abgrenzung zu anderen Komponisten und Pianisten, um Chopin als "anders" und "besser" zu präsentieren. Wenn ein solches konstruiertes Bild (Imago, Image) dazu führt, dass es von eindeutig notierten Partituren allzu arg abweicht (((und pardon: das tut ein nur maximal mf-säuselndes Chopin-Bild))), dann ist es um die Seriösität dieses Bildes oder dieser Wunschvorstellung nicht allzu günstig bestellt... denn eine solche Wunschvorstellung würde ja stillschweigend voraussetzen (präsupponieren), dass ihr verehrter Gegenstand nicht in der Lage war, dynamische Zeichen sinngemäß zu verwenden... ... allein das läßt das beliebte Chopin-Wunschbild schon zusammenfallen wie ein Kartenhaus.
Was mich etwas bedrückt: was verleitet Dich zu den fett markierten Invektiven gegen das Fostissimo? Wenn Du einen Blick in die Noten des 3. Scherzos riskierst, wirst Du gegen Ende sogar ein fff finden (und das durchaus im gesicherten Urtext) - sollte Chopin damit etwas anderes gemeint haben, als das notierte???

ganz offen: ich bin gegen eine verzärtelnde Verharmlosung des Komponisten der Ballade f-Moll oder der Sonate mit dem Trauermarsch!

Gruß, Rolf
 
Franz und Frederic

@roilf:

Wie gesagt, es sind beides Klaviervirtuoosen, und verdammt nochmal ^^, ich habe NIE von Chopin als "leise, zart, zerbrechlich oder traenenumwoben" gesprochen.
Chopin war absolut edel, seiner Musik nach zu urteilen, die naemlich nie wehleidig klingt, obwohl er sicher Grund genug dazu gehabt haette.
Ich finde ihn schlichtweg "feiner" als Liszt.
Ich denke nunmal, das Liszt ein voellig anderer Charakter war, der wusste, wie man ein Publikum fesselt, und dies gnadenlos getan hat; der sich in Position zu bringen wusste, ein Meister der Schauspielerei und der Verfuehrung; das alles glaube ich von Chopin wiederum nicht, und meinen Ohren nach schlaegt sich das sehr wohl auch in der Musik nieder.
Die beiden waren ja nicht bloed und haben mit Sicherheit von einander gelernt; aber Chopin, als ein ewig unter Heimweh leidender Pole, scheint mir nicht wirklich in die Wagnersche Pompoesitaet hineinzutendieren, tut mir Leid. Ich kenne kein einziges theatralisches Werk von Chopin. Sie erscheinen mir alle grundehrlich. Ein Mephistowalzer wuerde da nicht reinpassen...wirklich nicht...

Uebrigens werden ja auch Debussy und Ravel oft in einem Atemzug genannt, und sie moegen noch so viele Gemeinsamkeiten aufweisen: sie sind dennoch grundverschieden, und es liegt auch hier keine Zwillingsentwicklung vor (ich persoenlich bin darueber sehr froh).

lg
 

(1)
Die beiden waren ja nicht bloed
(2)
aber Chopin, als ein ewig unter Heimweh leidender Pole, scheint mir nicht wirklich in die Wagnersche Pompoesitaet hineinzutendieren, tut mir Leid. Ich kenne kein einziges theatralisches Werk von Chopin. Sie erscheinen mir alle grundehrlich. Ein Mephistowalzer wuerde da nicht reinpassen...wirklich nicht...
(...)

hallo,

also von (1) bin ich auch 100%ig überzeugt! :D

(2)
solltest Du überlesen haben, dass mit der Tendenz in Chopins Oeuvre keineswegs Gattungen, sondern formale und harmonische Eigenarten gemeint waren? dass Frederic weder Opern noch Sinfonien geschrieben hat, war mir bekannt (und Frederic mochte die vielen Aufforderungen, endlich eine polnische Oper zu komponieren, überhaupt nicht - das hat mit "Halka" erst Moniuszko gemacht, mit eher regionalem Erfolg...)

was den Mephistowalzer betrifft: formal entwickelt dieser Chopins innovative Mischform (aus Sonatenkopfsatz, Rondo & Variation) der f-Moll Ballade weiter. Und dass Liszt im dolce amoroso den Tonfall der Chopinschen Walzer aufgreift, ist sicher keine Sünde ;)

Gruß, Rolf
 
Natürlich gibt es beim Klavierspielen eine "Kraftentfaltungsgrenze".
Diese befindet sich dort, wo ein schöner, voller, großer Ton in Lärm übergeht.

Also aus meiner Sicht fängt dieser Übergang vom schönen Ton zum Krachen und Scheppern weit, weit unter der "Kraftentfaltungsgrenze" an. Ein wirkliches Kraftproblem beim Klavierspielen hab ich noch nie erlebt.

Jetzt kommt das Paradoxon:

ich kenne das Kraftproblem sehr gut aus eigener Erfahrung! Ich habe selbst viele Jahre mit extremem Kraftaufwand gespielt. Wobei der Kraftaufwand sich nicht auf die forte und fortissimo-Stellen beschränkt hat, sondern eigentlich über die ganze Dynamik von ppp bis fff reichte.

Der Versuch, Lautstärke durch Kraft zu beeinflussen, ist zum Scheitern verurteilt!
 
(...)

Jetzt kommt das Paradoxon:

ich kenne das Kraftpronlem sehr gut aus eigener Erfahrung! Ich habe selbst viele Jahre mit extremem Kraftaufwand gespielt. Wobei der Kraftaufwand sich nicht auf die forte und fortissimo-Stellen beschränkt hat, sondern eigentlich über die ganze Dynamik von ppp bis fff reichte.

Der Versuch, Lautstärke durch Kraft zu beeinflussen, ist zum Scheitern verurteilt!

hallo,

da könnte man noch ein Paradoxon anfügen:
"Die Pianistenhände [...] müssen ungeheuere Kraft besitzen: sonst könnten sie nicht so gleichmäßig, so beherrscht, so sprechend leise spielen" Joachim Kaiser über Artur Rubinstein

ein sonderbares Statement vom Kritikerpapst, allerdings meint er sicher nicht die Kraft, die zum Gewichtheben auf olympischem Niveau gemeint ist :)

aber welche dann? wenn man einige Zeit schnell und laut spielt (weil es in den Noten steht), wird man hinterher merken, dass man was zu tun hatte - umso mehr, je weniger man trainiert für die nötigen Bewegungen ist.

das von Herrn Werner geschilderte Problem mit der "Kraftenfaltung" und ihrer Grenze führt ja im schlimmsten Fall dazu, dass man nicht mehr anständig durchkommt - ob mit, ob ohne Kraft (gewiß aber ohne brachiale Gewalt!): das Problem presto con fuoco und forte-fortissimo ist ein reales, auch im 3. Scherzo von Chopin. Ich finde, wenn man an besagter Stelle bei mezzoforte stehen bleibt, dann lernt man nicht, wie es tatsächlich zu spielen ist.

Eine Kraftentfaltungsgrenze zu entdecken a la "ok, so krieg ich´s noch hin, aber mehr geht nicht" ist sicher eine Erfahrung, die man machen muss (und der Versuch, durch Anstrengung mit Kraftaufwand die Grenze zu verschieben, ist keine gute Idee) - da leider niemand beschreiben will, wie man von mf zu ff bei solchen oder ähnlichen Stellen kommt (Oktaven & Akkorde), beschreibe ich, wie ich es gelernt habe und mache (es funktioniert bei mir, kann aber trotzdem falsch sein - deswegen empfehle ich es nicht!):
- ppp: der Arm "schwebt", die Finger kommen gar nicht zum Tastenboden
- p: dito, aber bis in den Tastenboden
- mf: ein spürbares, aber noch "leichtes" Abprallen vom Tastenboden
- f: die "Schwungmasse" wird erhöht, d.h. der Unterarm schwebt nicht mehr permanent (beim Abprallen müssen die Finger nun mehr Widerstand aufbringen)
- ff-fff die gesamte Schwungmasse ist beteiligt
also die Weite der Bewegungen bleibt (und zwar recht klein, weil´s ja schnell sein soll - kurze Wege), aber der muskuläre Aufwand beim Abprallen erhöht sich, umgekehrt aber verringert sich der muskuläre Aufwand um den Unterarm schwerelos in der Waagerechten zu halten (((das alles jeweils punktuell))) - man könnte paradox formulieren: manche Muskeln tun weniger, um lauter zu spielen - aber freilich müssen andere dann mehr tun. Zwar verbraucht auch das "Energie" und die vielen blitzschnellen Muskelimpulse brauchen natürlich einen trainierten Bewegungsapparat (wozu übt man sonst jahrelang, wenn nicht, um auch die Bewegungsabläufe zu beherrschen), aber es ist spürbar kein "Kraftaufwand" im Sinne von "laut = viel Kraft // leise = wenig Kraft". Die natürlich zu leistende Muskelarbeit wird nur anders aufgeteilt - in diesem Sinne ist laut oder leise spielen gleich "schwer" oder "leicht".

Gruß, Rolf

@ Haydnspaß: man kann den Bewegungsablauf oder die Bewegungsvorstellung sicher auch anders beschreiben - aber ich bin zuversichtlich, dass Du dem letzten Satz nicht total widersprechen wirst :)
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
hallo,

da könnte man noch ein Paradoxon anfügen:
"Die Pianistenhände [...] müssen ungeheuere Kraft besitzen: sonst könnten sie nicht so gleichmäßig, so beherrscht, so sprechend leise spielen" Joachim Kaiser über Artur Rubinstein


Was soll ich dazu sagen?

Woher will Joachim Kaiser wissen, ob Arthur Rubinsteions Hände "ungeheure Kraft" besaßen? Und ob diese Kraft fürs Klavierspielen nötig ist?

"Kraft" braucht der Pianist, um seine Finger, Hände und Arme zu bewegen. Um einen schweren Arm schnell zu bewegen (zu beschleunigen) braucht man sehr viel mehr Kraft, als zum Bewegen/Beschleunigen eines leichten Arms. Für das Klangergebnis ist aber nur die Geschwindigkeit entscheidend.


Ünrigens interessant, was man bei wikipedia zum Begriff brachial lesen kann :D

http://de.wikipedia.org/wiki/Brachial
 
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Kraft in den Händen??? hab ich kaum

Woher will Joachim Kaiser wissen, ob Arthur Rubinsteions Hände "ungeheure Kraft" besaßen? Und ob diese Kraft fürs Klavierspielen nötig ist?

das hat mich an diesem Zitat auch gewundert - ich glaube nicht, dass man rohe Kartoffeln in einer Hand zerdrücken können muss wie der Londonsche "Seewolf", um Klavierspielen zu können - - - also diese obskure Kraft in den Händen ist mir auch unbegeiflich
 
Mit dieser Technik lässt sich aber problemlos ein starkes forte bei hohem und sehr hohem Tempo erzielen:

hallo,

da haben wir dann ja jetzt auch einen alternativen Weg aus dem Dilemma, welches Herr Werner beschrieben hat :)

Gruß, Rolf

(ich erinnere mich: da hatte sich doch etwas Unmut über die Wortwahl "Handgelenkstaccato" erhoben...) :)
 
(2)
solltest Du überlesen haben, dass mit der Tendenz in Chopins Oeuvre keineswegs Gattungen, sondern formale und harmonische Eigenarten gemeint waren? dass Frederic weder Opern noch Sinfonien geschrieben hat, war mir bekannt (und Frederic mochte die vielen Aufforderungen, endlich eine polnische Oper zu komponieren, überhaupt nicht - das hat mit "Halka" erst Moniuszko gemacht, mit eher regionalem Erfolg...)

Oh, das habe ich auch nicht gemeint. Die Klavierwerke von Liszt koennte ich unter diesem Gesichtspunkt ja auch schlecht als "theatralisch" bezeichnen.
Ich meine einfach den Hintergrund und das Leitmotiv der beiden, dass sich imho grundlegend unterscheidet. Hat Liszt sich nicht ein Beispiel am "Hexenmeister" Paganini genommen? Koennte man so etwas von Chopin behaupten? Ich glaube nicht. Chopin war viel weniger rein auf die Buehne und das Publikum ausgerichtet als Liszt, der es ja tatsaechlich mit allen Mitteln darauf auslegte, die Leute mit Virtuositaet plus Erscheinungsbild zu beeindrucken. DAS meine ich mit theatralisch oder nicht- .
Es koennte wohl keiner bestreiten, dass Chopin seinerseits von eher sensibler Natur war und nicht in das Machogehabe seines werten Kollegen verfiel... ^^
 

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