(...)
Jetzt kommt das Paradoxon:
ich kenne das Kraftpronlem sehr gut aus eigener Erfahrung! Ich habe selbst viele Jahre mit extremem Kraftaufwand gespielt. Wobei der Kraftaufwand sich nicht auf die forte und fortissimo-Stellen beschränkt hat, sondern eigentlich über die ganze Dynamik von ppp bis fff reichte.
Der Versuch, Lautstärke durch Kraft zu beeinflussen, ist zum Scheitern verurteilt!
hallo,
da könnte man noch ein Paradoxon anfügen:
"Die Pianistenhände [...] müssen ungeheuere Kraft besitzen: sonst könnten sie nicht so gleichmäßig, so beherrscht, so sprechend leise spielen" Joachim Kaiser über Artur Rubinstein
ein sonderbares Statement vom Kritikerpapst, allerdings meint er sicher nicht die Kraft, die zum Gewichtheben auf olympischem Niveau gemeint ist :)
aber welche dann? wenn man einige Zeit schnell und laut spielt (weil es in den Noten steht), wird man hinterher merken,
dass man was zu tun hatte - umso mehr, je weniger man trainiert für die nötigen Bewegungen ist.
das von Herrn Werner geschilderte Problem mit der "Kraftenfaltung" und ihrer Grenze führt ja im schlimmsten Fall dazu, dass man nicht mehr anständig durchkommt - ob mit, ob ohne Kraft (gewiß aber ohne brachiale Gewalt!): das Problem
presto con fuoco und
forte-fortissimo ist ein reales, auch im 3. Scherzo von Chopin. Ich finde, wenn man an besagter Stelle bei mezzoforte stehen bleibt, dann lernt man nicht, wie es tatsächlich zu spielen ist.
Eine Kraftentfaltungsgrenze zu entdecken a la "ok, so krieg ich´s noch hin, aber mehr geht nicht" ist sicher eine Erfahrung, die man machen muss (und der Versuch, durch Anstrengung mit Kraftaufwand die Grenze zu verschieben, ist keine gute Idee) - da leider niemand beschreiben will, wie man von mf zu ff bei solchen oder ähnlichen Stellen kommt (Oktaven & Akkorde), beschreibe ich, wie ich es gelernt habe und mache (es funktioniert bei mir, kann aber trotzdem falsch sein - deswegen empfehle ich es nicht!):
- ppp: der Arm "schwebt", die Finger kommen gar nicht zum Tastenboden
- p: dito, aber bis in den Tastenboden
- mf: ein spürbares, aber noch "leichtes" Abprallen vom Tastenboden
- f: die "Schwungmasse" wird erhöht, d.h. der Unterarm schwebt nicht mehr permanent (beim Abprallen müssen die Finger nun mehr Widerstand aufbringen)
- ff-fff die gesamte Schwungmasse ist beteiligt
also die Weite der
Bewegungen bleibt (und zwar recht klein, weil´s ja schnell sein soll - kurze Wege), aber der muskuläre Aufwand beim Abprallen erhöht sich, umgekehrt aber verringert sich der muskuläre Aufwand um den Unterarm schwerelos in der Waagerechten zu halten (((das alles jeweils punktuell))) - man könnte paradox formulieren: manche Muskeln tun weniger, um lauter zu spielen - aber freilich müssen andere dann mehr tun. Zwar verbraucht auch das "Energie" und die vielen blitzschnellen Muskelimpulse brauchen natürlich einen trainierten Bewegungsapparat (wozu übt man sonst jahrelang, wenn nicht, um
auch die Bewegungsabläufe zu beherrschen), aber es ist spürbar kein "Kraftaufwand" im Sinne von "laut = viel Kraft // leise = wenig Kraft".
Die natürlich zu leistende Muskelarbeit wird nur anders aufgeteilt - in diesem Sinne ist laut oder leise spielen gleich "schwer" oder "leicht".
Gruß, Rolf
@ Haydnspaß: man kann den Bewegungsablauf oder die Bewegungsvorstellung sicher auch anders beschreiben - aber ich bin zuversichtlich, dass Du dem letzten Satz nicht total widersprechen wirst :)