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hallo,
Peter Paul Werner schreibt in seinem gehaltvollen Buch "Neue Methodik und Didaktik am Klavier" (Florian Noetzel Verlag "Heinrichshofen-Bücher", Wilhelmshaven 1993) über eine ausgedehnte Oktavenstelle in Chopins Scherzo Nr.3 cis-Moll:
(Zitat S. 256))
"Erstmals weist die l.H. Oktavfolgen auf, di den wesentlichen Bestandteil des Hauptgedankens bilden. In einem sehr reduzierten Tempo spielt der fünfte Finger allein, wobei dessen Schwäche und mangelnde Führungsrolle zutage tritt. Der Spieler achte dabei auf die Entspannung nach jedem Anschlag mit geringem Hub und auf die Betonung des ersten Viertels jedes Taktes. Es versteht sich von selbst, daß im langsamen Staccato der Unterarmfall beteiligt ist, während sich dieser bei zunehmendem Tempo verringert und das Staccato im Originaltempo nur noch vom Handgelenk ausgeführt wird. Diese auf Entspannung abzielende Vorübung bekommt erst recht Bedeutung ab Takt 367, dessen Phrase die Viertel höchstens mf nimmt, da eine stärkere Dynamik im sehr bewegten Tempo die Entspannung nicht mehr zuließe und deshalb zu Schwerfälligkeit und Versteifung führen würde. Die Kenntnis der Kraftentfaltungsgrenze und deren Programmierung ist ein wichtiges Faktum für die Klangqualität der Interpretation. Dasselbe gilt für das perfektionierte Durchhalten des einmal für gut befundenen Tempos. Allzu oft erlebte ich im Unterricht, daß trotz intensiver vorarbeit das Vorspiel mißlang. Der Grund war, daß - durch Temperamentsüberschuß und Aufregung verursacht - ein wesentlich schnelleres Tempo gespielt wurde, was schnellere Reaktionen aller beteiligten Faktoren verlangte und Ökonomie vermissen ließ. Die Folge war Versteifung, was das Weiterspiel in Frage stellte."
(Zitat Ende)
Die Ausführungen über das Mißlingen, wenn man zu schnell spielt, sind sicher nachvollziehbar - - - die Bewegungsweise beim staccato Oktavenspiel muß nicht diskutiert werden (denn das gerät gerne in streitbare Digressionen) - - - mich interessieren die fett markierten Äußerungen: ich halte sie für diskutierenswert in jedem Sinn.
Das cis-Moll Scherzo hat eine ganze Menge von Oktaven, auch doppelte. Die Doppeloktaven schreibt Chopin überwiegend forte bis fortissimo vor, und das nicht nur um den erwähnten Takt 367 herum.
Wenn es für die genannten Stellen (vgl. Notenbeispiele) eine "Kraftentfaltungsgrenze" gibt, dann hätte Chopin ja etwas Unspielbares notiert: vorgeschrieben ist forte-fortissimo - aber laut P.P. Werner kann oder soll man da maximal mf spielen.
Natürlich ist das cis-Moll Scherzo ein sehr schwieriges Stück aus der Konzertliteratur, aber ich kann mir gut vorstellen, dass man genügend Stellen in anderen Stücken findet, in welchen die Anforderung von hohem Tempo plus hoher Lautstärke anstrengend ist, man also durchaus an (s)eine Grenze gelangt und sich verkrampfen kann, wenn man diese überschreitet (z.B. im ersten Satz der Pathetique), wobei "ermüden" sicher auch noch dazu kommt 8z.B. die vielen Tremoli in der Pathetique)
Ich glaube, dass Chopin in diesem Scherzo schon ein reales vehementes Forte bis Fortissimo haben will, kein suggeriertes (welches nur mf daher kommt) - und ich glaube auch, dass man hier nicht ein notgedrungenes mf der Oktaven als "fortissimo" definieren sollte und das ganze Scherzo darum im Bereich von pp-mf spielen sollte (da wäre ja gut die Hälfte der Dynamik weg!)
Kann man, egal wo, so eine Kraftentfaltungsgrenze verschieben oder gar überwinden - oder gibt es vielleicht gar keine?
Gruß, Rolf
(die Anhänge: ab Takt 17 ist eigentlich das Hauptthema, der im Zitat erwähnte Abschnitt um Takt 367 herum ist nicht wsentlich anders; ab Takt 561, das Ende der schönen Überleitung, kommt eine berüchtigte ff-Oktaven Stretta, die widerborstige Bewegungen enthält -- beide Notenbeispiele aus imslp, also kein Urtext! Aber egal: die Dynamikbezeichnungen stimmen mit dem Urtext überein)
Peter Paul Werner schreibt in seinem gehaltvollen Buch "Neue Methodik und Didaktik am Klavier" (Florian Noetzel Verlag "Heinrichshofen-Bücher", Wilhelmshaven 1993) über eine ausgedehnte Oktavenstelle in Chopins Scherzo Nr.3 cis-Moll:
(Zitat S. 256))
"Erstmals weist die l.H. Oktavfolgen auf, di den wesentlichen Bestandteil des Hauptgedankens bilden. In einem sehr reduzierten Tempo spielt der fünfte Finger allein, wobei dessen Schwäche und mangelnde Führungsrolle zutage tritt. Der Spieler achte dabei auf die Entspannung nach jedem Anschlag mit geringem Hub und auf die Betonung des ersten Viertels jedes Taktes. Es versteht sich von selbst, daß im langsamen Staccato der Unterarmfall beteiligt ist, während sich dieser bei zunehmendem Tempo verringert und das Staccato im Originaltempo nur noch vom Handgelenk ausgeführt wird. Diese auf Entspannung abzielende Vorübung bekommt erst recht Bedeutung ab Takt 367, dessen Phrase die Viertel höchstens mf nimmt, da eine stärkere Dynamik im sehr bewegten Tempo die Entspannung nicht mehr zuließe und deshalb zu Schwerfälligkeit und Versteifung führen würde. Die Kenntnis der Kraftentfaltungsgrenze und deren Programmierung ist ein wichtiges Faktum für die Klangqualität der Interpretation. Dasselbe gilt für das perfektionierte Durchhalten des einmal für gut befundenen Tempos. Allzu oft erlebte ich im Unterricht, daß trotz intensiver vorarbeit das Vorspiel mißlang. Der Grund war, daß - durch Temperamentsüberschuß und Aufregung verursacht - ein wesentlich schnelleres Tempo gespielt wurde, was schnellere Reaktionen aller beteiligten Faktoren verlangte und Ökonomie vermissen ließ. Die Folge war Versteifung, was das Weiterspiel in Frage stellte."
(Zitat Ende)
Die Ausführungen über das Mißlingen, wenn man zu schnell spielt, sind sicher nachvollziehbar - - - die Bewegungsweise beim staccato Oktavenspiel muß nicht diskutiert werden (denn das gerät gerne in streitbare Digressionen) - - - mich interessieren die fett markierten Äußerungen: ich halte sie für diskutierenswert in jedem Sinn.
Das cis-Moll Scherzo hat eine ganze Menge von Oktaven, auch doppelte. Die Doppeloktaven schreibt Chopin überwiegend forte bis fortissimo vor, und das nicht nur um den erwähnten Takt 367 herum.
Wenn es für die genannten Stellen (vgl. Notenbeispiele) eine "Kraftentfaltungsgrenze" gibt, dann hätte Chopin ja etwas Unspielbares notiert: vorgeschrieben ist forte-fortissimo - aber laut P.P. Werner kann oder soll man da maximal mf spielen.
Natürlich ist das cis-Moll Scherzo ein sehr schwieriges Stück aus der Konzertliteratur, aber ich kann mir gut vorstellen, dass man genügend Stellen in anderen Stücken findet, in welchen die Anforderung von hohem Tempo plus hoher Lautstärke anstrengend ist, man also durchaus an (s)eine Grenze gelangt und sich verkrampfen kann, wenn man diese überschreitet (z.B. im ersten Satz der Pathetique), wobei "ermüden" sicher auch noch dazu kommt 8z.B. die vielen Tremoli in der Pathetique)
Ich glaube, dass Chopin in diesem Scherzo schon ein reales vehementes Forte bis Fortissimo haben will, kein suggeriertes (welches nur mf daher kommt) - und ich glaube auch, dass man hier nicht ein notgedrungenes mf der Oktaven als "fortissimo" definieren sollte und das ganze Scherzo darum im Bereich von pp-mf spielen sollte (da wäre ja gut die Hälfte der Dynamik weg!)
Kann man, egal wo, so eine Kraftentfaltungsgrenze verschieben oder gar überwinden - oder gibt es vielleicht gar keine?
Gruß, Rolf
(die Anhänge: ab Takt 17 ist eigentlich das Hauptthema, der im Zitat erwähnte Abschnitt um Takt 367 herum ist nicht wsentlich anders; ab Takt 561, das Ende der schönen Überleitung, kommt eine berüchtigte ff-Oktaven Stretta, die widerborstige Bewegungen enthält -- beide Notenbeispiele aus imslp, also kein Urtext! Aber egal: die Dynamikbezeichnungen stimmen mit dem Urtext überein)