Kraftentfaltungsgrenze - kein echtes forte möglich?

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18. Feb. 2008
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hallo,

Peter Paul Werner schreibt in seinem gehaltvollen Buch "Neue Methodik und Didaktik am Klavier" (Florian Noetzel Verlag "Heinrichshofen-Bücher", Wilhelmshaven 1993) über eine ausgedehnte Oktavenstelle in Chopins Scherzo Nr.3 cis-Moll:

(Zitat S. 256))
"Erstmals weist die l.H. Oktavfolgen auf, di den wesentlichen Bestandteil des Hauptgedankens bilden. In einem sehr reduzierten Tempo spielt der fünfte Finger allein, wobei dessen Schwäche und mangelnde Führungsrolle zutage tritt. Der Spieler achte dabei auf die Entspannung nach jedem Anschlag mit geringem Hub und auf die Betonung des ersten Viertels jedes Taktes. Es versteht sich von selbst, daß im langsamen Staccato der Unterarmfall beteiligt ist, während sich dieser bei zunehmendem Tempo verringert und das Staccato im Originaltempo nur noch vom Handgelenk ausgeführt wird. Diese auf Entspannung abzielende Vorübung bekommt erst recht Bedeutung ab Takt 367, dessen Phrase die Viertel höchstens mf nimmt, da eine stärkere Dynamik im sehr bewegten Tempo die Entspannung nicht mehr zuließe und deshalb zu Schwerfälligkeit und Versteifung führen würde. Die Kenntnis der Kraftentfaltungsgrenze und deren Programmierung ist ein wichtiges Faktum für die Klangqualität der Interpretation. Dasselbe gilt für das perfektionierte Durchhalten des einmal für gut befundenen Tempos. Allzu oft erlebte ich im Unterricht, daß trotz intensiver vorarbeit das Vorspiel mißlang. Der Grund war, daß - durch Temperamentsüberschuß und Aufregung verursacht - ein wesentlich schnelleres Tempo gespielt wurde, was schnellere Reaktionen aller beteiligten Faktoren verlangte und Ökonomie vermissen ließ. Die Folge war Versteifung, was das Weiterspiel in Frage stellte."
(Zitat Ende)

Die Ausführungen über das Mißlingen, wenn man zu schnell spielt, sind sicher nachvollziehbar - - - die Bewegungsweise beim staccato Oktavenspiel muß nicht diskutiert werden (denn das gerät gerne in streitbare Digressionen) - - - mich interessieren die fett markierten Äußerungen: ich halte sie für diskutierenswert in jedem Sinn.

Das cis-Moll Scherzo hat eine ganze Menge von Oktaven, auch doppelte. Die Doppeloktaven schreibt Chopin überwiegend forte bis fortissimo vor, und das nicht nur um den erwähnten Takt 367 herum.

Wenn es für die genannten Stellen (vgl. Notenbeispiele) eine "Kraftentfaltungsgrenze" gibt, dann hätte Chopin ja etwas Unspielbares notiert: vorgeschrieben ist forte-fortissimo - aber laut P.P. Werner kann oder soll man da maximal mf spielen.

Natürlich ist das cis-Moll Scherzo ein sehr schwieriges Stück aus der Konzertliteratur, aber ich kann mir gut vorstellen, dass man genügend Stellen in anderen Stücken findet, in welchen die Anforderung von hohem Tempo plus hoher Lautstärke anstrengend ist, man also durchaus an (s)eine Grenze gelangt und sich verkrampfen kann, wenn man diese überschreitet (z.B. im ersten Satz der Pathetique), wobei "ermüden" sicher auch noch dazu kommt 8z.B. die vielen Tremoli in der Pathetique)

Ich glaube, dass Chopin in diesem Scherzo schon ein reales vehementes Forte bis Fortissimo haben will, kein suggeriertes (welches nur mf daher kommt) - und ich glaube auch, dass man hier nicht ein notgedrungenes mf der Oktaven als "fortissimo" definieren sollte und das ganze Scherzo darum im Bereich von pp-mf spielen sollte (da wäre ja gut die Hälfte der Dynamik weg!)

Kann man, egal wo, so eine Kraftentfaltungsgrenze verschieben oder gar überwinden - oder gibt es vielleicht gar keine?

Gruß, Rolf

(die Anhänge: ab Takt 17 ist eigentlich das Hauptthema, der im Zitat erwähnte Abschnitt um Takt 367 herum ist nicht wsentlich anders; ab Takt 561, das Ende der schönen Überleitung, kommt eine berüchtigte ff-Oktaven Stretta, die widerborstige Bewegungen enthält -- beide Notenbeispiele aus imslp, also kein Urtext! Aber egal: die Dynamikbezeichnungen stimmen mit dem Urtext überein)
 

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Der Spieler achte dabei auf die Entspannung nach jedem Anschlag mit geringem Hub und auf die Betonung des ersten Viertels jedes Taktes.

Das verstehe ich so, daß jeder Anschlag separat ausgeführt werden soll. In dem Tempo würde ich das nicht versuchen und dann kann man FF besser durchhalten. Aber auf diese Art wird es vielleicht nicht so gut klingen wie in der folgenden Aufnahme, wo es durchaus nicht nach mf klingt:
http://www.youtube.com/watch?v=KDB-F2Kk5Q8

Andererseits habe ich eine Zeit lang versucht, das Allegro Barbaro von Alkan zu beginnen aber selbst wenn man die Oktaven dort taktweise anschlägt, ist es ein höllischer Ritt für mich, ich habe es deswegen vertagt. Und ich meine hier wirklich nur das Hauptthema, einiges in diesem Stück ist für mich sowieso völlig unspielbar.

Jack Gibbons macht allerdings auch nicht den Eindruck, daß er dieses Stück stundenlang wiederholen könnte:
http://www.youtube.com/watch?v=2dSqkzsWXlU. Man sieht streckenweise sehr schön, daß die Kraft durchaus nicht nur aus dem Handgelenk kommt.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Andererseits habe ich eine Zeit lang versucht, das Allegro Barbaro von Alkan zu beginnen aber selbst wenn man die Oktaven dort taktweise anschlägt, ist es ein höllischer Ritt für mich, ich habe es deswegen vertagt. Und ich meine hier wirklich nur das Hauptthema, einiges in diesem Stück ist für mich sowieso völlig unspielbar.

hallo,

freilich spielt Horowitz das 3. Scherzo ganz wunderbar (ich bedauere lediglich, dass diese Aufnahme von 1957 nicht seine Dynamik voll wiedergibt) und freilich gerät der in diesem Scherzo nicht an die ominöse "Kraftenfaltungsgrenze" :) - der spielt die Oktaven f-ff.

die Etüde von Alkan ist anstrengend, ganz ohne Zweifel, allerdings finde ich die h-Moll Etüde von Chopin schwieriger, auch die Doppeloktaven im 1. Konzert von Tschaikowski - nur ging es mir mit dem Zitat nicht darum, wie man laute schnelle Oktaven spielt, auch nicht wo sich schnellere oder schlimmere als im 3. Scherzo finden (bei Liszt wird man fündig) - - - für problematisch halte ich besagte "Kraftentfaltungsgrenze", und zwar dann, wenn diese die geforderte Dynamik nicht gestattet (falls das so sein sollte, woran ich Zweifel habe).

Notfalls mf spielen, wo f-ff steht???

Da es die Theorie gibt, dass allein die Geschwindigkeit der Tastenbewegung die Lautstärke reguliert, sollte es (falls das 100% wahr ist) keine Probleme mit der Entfaltung von Kraft geben (falls P.P. Werner mit Kraft nicht Lautstärke meint), sondern bestenfalls ein Problem mit dem Ausführen sehr sehr schneller Bewegungen...?! Es sei denn, dass sehr viele sehr schnelle Muskelimpulse anstrengend im Sinne von kraftraubend sind.

Gruß, Rolf
 
Ich habe das Fettgedruckte nochmal gelesen und komme zu dem Schluß, daß es sich um eine didaktische Behauptung handelt, die vielleicht genauso richtig ist, wie die Forderung nach runden Fingern. Immerhin geht es hier ja um das Lernen dieser Stelle und nicht um die ausentwickelte virtuose Präsentation. Ich denke, daß Technik und Kraft beim Klavierspielen gelegentlich austauschbar sind. Wer noch nicht die geeignete Technik entwickelt hat, muß das durch Kraft ausgleichen, was natürlich zu lasten der Qualität gehen kann, insbesondere dann, wenn die Kraft nicht über die Dauer des gesamten Stück verfügbar bleibt. Vielleicht geht es dem Autor auch darum, während des Einstudierens jede Kraftanstrengung zu vermeiden, weil er befürchtet, daß man sonst nicht zur richtigen Technik gelangt.

Die Oktavtremoli in der Pathetique hast du ja schon erwähnt. Mir ist aufgefallen, daß ich manchmal schon Probleme habe, durch die erste Stelle zu kommen und zu anderen Zeiten komme ich mühelos bis zum Ende. Am Warmspielen liegt es nicht, obwohl ich glaube, daß die Kraft dann etwas länger durchhält - es geht ja nur darum, daß die Muskeln ausreichend mit Energie versorgt werden. Ich glaube daher, daß meine Technik nicht stabil ist und ich deswegen immer wieder automatisch zur Kraftmethode greife. Und das wäre dann die direkte Verbindung zum ursprünglichen Thema. Vielleicht wäre ich erfolgreicher, wenn ich die Kraftmethode hier prinzipiell ausschließen würde - das ist einen Versuch wert!

PS: Wenn man bei gleicher Lautstärke schneller spielt, ist das mehr Arbeit über die Zeit gesehen. Das ist aber nicht das Problem. Das Problem ist, daß für jede Muskelentspannung Nahrung benötigt wird, und die kommt mit einer bestimmten maximalen Geschwindigkeit in den Muskel. Bis zu einem gewissen Tempo kann man also quasi unendlich lange spielen. Spielt man schneller, werden die Energiereserven des Muskels schneller verbraucht als sie aufgefüllt werden und dann verkrampft der Muskel zwangläufig. Zum Vergleich: Ein fitter Sportler kann einen 100m-Sprint mit den Energiereserven in seinen Muskeln absolvieren, danach würde er aber zusammenbrechen, wenn die nicht doch langsam wieder aufgefüllt würden (per Blutsauerstoff). Und abhängig von seiner Lauftechnik kann er diese 100 Meter auch schneller (lauter) oder langsamer (leiser) absolvieren.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Kondition = Kraft+Schnelligkeit+Ausdauer

Hallo,

oft hören und lesen wir in klaviertechnischen Dingen von Entspannung, entspannt spielen sei das Credo im Klavierspiel.

„Entspannung“ meint im physischen Bereich wohl das Gegenteil von Anspannung, im psychischen Bereich das Gegenteil von Stress.
Ganz außen vor bleiben im physischen Bereich meist die Spannung/Körperspannung, im psychischen Bereich der positive Stress, die Anstrengung, die man aus einer gesunden Motivation heraus gerne leistet. Ein aufbauender, ja lebensverlängernder Stress.

In diesem Faden bleiben wir im physischen Bereich.

Machen wir einen Ausflug in das Kunstturnen, vielleicht auch ins Ballett (wo ich mich aber nicht auskenne). – Die Ausführung von Übungsteilen oder ganzen Übungen verlangen nicht nur Kraft und Dehnbarkeit, sondern unbedingt eine Körperspannung und Körperbeherrschung bis in die Zehenspitzen. Diese Körperspannung wird an den Geräten zu 100% durchgehalten. Ohne diese Spannung hat man 0 Chance, überhaupt was hinzubringen. Nur im Bodenturnen hat der Sportler die Möglichkeit, sich ganz kurz vor einer Akrobatikbahn zu entspannen. Könnte man einem ungeübten Menschen nur diese Spannung über den Zeitraum von bis zu 1 Minute abverlangen, würde er total verkrampfen oder gar Schaden an seiner Muskulatur nehmen. Sportler machen extra Spannungs- und Entspannungsübungen um das durchhalten zu können.

Ich glaube, wir sind uns einig, dass Oktavenpassagen ohne eine feste Handspannung nicht möglich sind. Mit zu wenig Spannung bricht der ganze Ablauf zusammen. Ohne entsprechende Übung eben dieser Spannung geht es einfach nicht, trotz allem Entspannungsgeschrei im Land.
Wie der Bodenturner sich vor seinen Akrobatikbahnen sich kurzzeitig entspannen kann, ist es in Musikstücken oft möglich, seine Handspanne kurzzeitig zu entspannen um wieder fit zu sein für den nächsten Einsatz.

Kommt ein Anfänger dazu, sich diesen Herausforderungen zu stellen, sollte er seine Handspanne an (belanglosen) Oktavenetüden trainieren, keinesfalls an Stellen aus der Literatur. Dann und wann ist man mit seiner Spannung so beansprucht, dass man die Verkrampfung vorausspürt und am besten absetzt. Das ist bei Etüden nicht schlimm, bei Stellen aus der Literatur könnte sich der Spielapparat daran gewöhnen: an dieser Stelle verkrampfe ich immer – er wird konditioniert auf Verkrampfung, auch wenn das später nicht mehr nötig sein sollte.

Zur Kraftentfaltung: ein Muskel kann eine kurzzeitig eine größere Kraft als normal entfalten, wenn er vorgespannt wird. Gute Kunstturntrainer machen ihre Schützlinge auf diese Vorspannungen aufmerksam. (Überstreckung vor einer Kippe usw.).

Einfacher Vergleich: wenn ich einen Ball weit werfen will, muss ich mit dem Arm ausholen. Zweifacher Effekt: bereitstellen eines ausreichenden Beschleunigungswegs und vorspannen der Körper-Brust- und Armmuskulatur zum Beschleunigen des Balls. Im Klavierspiel ist dieser Effekt wohl nicht so wichtig, ich habe ihn an ein paar Stellen – wohl mehr mental – ebenfalls vor Augen.

So, jetzt muss ich aber los!

Einen schönen Sonntag!

Walter
 
Kann man, egal wo, so eine Kraftentfaltungsgrenze verschieben oder gar überwinden - oder gibt es vielleicht gar keine?

Natürlich gibt es beim Klavierspielen eine "Kraftentfaltungsgrenze".
Diese befindet sich dort, wo ein schöner, voller, großer Ton in Lärm übergeht.

Noch mehr Kraft oder noch schnelleres Anschlagen ;) führt über dieser Kraftentfaltungsgrenze nicht mehr zu mehr wohlklingender Lautstärke. Es kracht und scheppert nur noch.

Diese "Kraftentfaltungsgrenze" (Schnellimpulsentfaltungsgrenze ;)) ist natürlich abhängig von Instrument und Raum.

Unerfahrene Klavierspieler (die besser die Finger von diesem Scherzo lassen) neigen gerne dazu, drauflos zu dreschen, wenn ff in den Noten steht. Vielleicht ist dieses mf ja doch als "didaktische" Anweisung gedacht, wie Guendula meinte.
 
...wenn es darum geht, dieses Stueck spielen zu koennen, wuerde ich das Tempo auch ueber die Dynamik stellen, d.h. : wenn die persoenliche "Kraftentfaltungsgrenze" ein mf fordert, dann moege es so sein.
War Chopin nicht selbst ein eher schwaches Wesen? Ich glaube auf keinen Fall, dass er mit Horowitz zu vergleichen gewesen waere. Ich glaube auch nicht, dass ein Chopin-Fortissimo das gleiche sein kann und darf wie ein Liszt-Fortissimo.
Tempo- und Dynamikbezeichnungen sind meiner Ansicht nach bei jedem Komponisten entsprechend aufzufassen und im uebrigen auch Ausdruck eines bestimmten Charakters, den man an dieser Stelle realisieren sollte.
Auszerdem ist die Wandelkeit insofern vorrausgesetzt, als kein reifer Musiker ein ff (oder pp oder was auch immer) ganz statisch spielen wuerde. Es gibt auch innerhalb eines ff ein Leiser- und Lauterwerden. (Schreibt Werner nicht auch etwas von der Betonung auf die Eins? Vielleicht wuerde er an dieser Stelle ff realisieren ^^)
 
(1)
(...)
Noch mehr Kraft oder noch schnelleres Anschlagen ;) führt über dieser Kraftentfaltungsgrenze nicht mehr zu mehr wohlklingender Lautstärke. Es kracht und scheppert nur noch.
(2)
Diese "Kraftentfaltungsgrenze" (Schnellimpulsentfaltungsgrenze ;)) ist natürlich abhängig von Instrument und Raum.

Unerfahrene Klavierspieler (die besser die Finger von diesem Scherzo lassen) neigen gerne dazu, drauflos zu dreschen, wenn ff in den Noten steht. Vielleicht ist dieses mf ja doch als "didaktische" Anweisung gedacht, wie Guendula meinte.

hallo Franz,
(1)
erst mal Gratulation zur humorigen Diplomatie :D - die Grenzen des guten Geschmacks in Sachen Klangqualität sollten sicherlich lieber nie verlassen werden, egal ob ff oder pp.
(2)
das wäre die akustische Deutung :)
(3)
das scheint mir auch der Kern zu sein: fortissimo wie automatisch mit hämmernder Kraft (also dreschen) auszuführen... Was ich oft genug beobachtet habe: die ersten paar Takte funktonieren wie gewollt, aber dann schlägt es um in Gehämmer mit zu harten (verspannten) Handgelenken.
Wenn es sich um eine didaktische Anweisung bei P.P Werner handelt, dann wäre die Schlußfolgerung: lange Zeit mezzoforte, um im Tempo das verspannen / steif werden zu vermeiden - und mit Gottes Hilfe wird es dann irgendwann beweglich bleiben und trotzdem lauter werden... also eine Art Konditionieren, dessen Zweck die Vermeidung unnützer Verspannung wäre.

@Walter
der Vergleich mit dem Kunstturnen ist prima! Man sieht perfekt getimte ästhetische Bewegungen, die natürlich Schwung, Kraft, Ausdauer und Geschmeidigkeit brauchen - so gesehen choreografieren wir zwei Bodenturner auf den Tasten.
die feste Handspannung für schnelle & laute Oktavenpassagen bereitet mir allerdings etwas Sorge, da ihr Aufrechterhalten zu viel Kraft kostet - ich halte ein antrainiertes kurzes Lockern nach jeder Oktave, auch ein bewegliches Handgelenk - also selbst im fortissimo Geschmeidigkeit - für nützlicher; hier wäre die Bewgungsidee, dass die Oktaven auf oder gegen die Tasten geworfen werden und von ihnen abprallen (das freilich auf sehr hohem manuellen Niveau, also vom 3. Scherzo an aufwärts so zu sagen). Also eine Verbindung von Spannung und Entspannung (so ähnlich hat es Brendel mal formuliert, was ich für richtig halte: selbstredend ist permanent Entspannung nicht die Zauberlösung und umgekehrt); eine blitzschnelle Reaktion um dem Oktavgriff widerstehen zu können plus federndes Handgelenk.

(jetzt ist es doch in Richtung "wie macht man´s" abgeglitten)

@Guendloa
ja, das Ausgleichen von Technik (wo sie noch nicht ganz entwickelt ist) durch Kraft ist so eine Gefahr! In diesem Sinne ist Dein Vergleich mit Fitness prima - und hier gilt: man verschiebt ja durch das Training die Belastungs- und Leistungsgrenze. Sicher meint Werner etwas in diese Richtung, wenn er erstmal mezzoforte empfiehlt.

Gruß, Rolf

und schönen Nikolaus (wer´s braucht, spielt einmal den Schumannschen Knecht Ruprecht durch!!!)
 
...War Chopin nicht selbst ein eher schwaches Wesen? Ich glaube auf keinen Fall, dass er mit Horowitz zu vergleichen gewesen waere. Ich glaube auch nicht, dass ein Chopin-Fortissimo das gleiche sein kann und darf wie ein Liszt-Fortissimo.

...ja, der hüstelnde Sylphe, unendlich verfeinert... der konnte im Unterricht furchtbare Wutausbrüche haben und Stühle zerdeppern (freilich ist nicht überliefert, ob es da um mangelndes Forte ging)

das beliebte Chopinbild des 19. Jh. scheint unausrottbar

Gruß, Rolf
 
Wenn jemand, wie dieser Autor offenbar, die Oktavgänge aus dem Handgelenk (also Anschlag bewusst aus dem HG heraus) spielt, kommt er über ein mf wohl nicht hinaus - da liegt doch, m.E. nach, das erste (und einzige?) Problem. Aber ich will diese Handgelenksdiskussion nicht wieder aufwärmen ;)

Richtig FLIP!

Genaus dasselbe habe ich mir nämlich auch gedacht, als ich das gelesen habe und der Autor offensichtlich keine Marcato- Oktaven richtig spielen kann!

Gruß, Mario
 
Die Ausführungen über das Mißlingen, wenn man zu schnell spielt, sind sicher nachvollziehbar - - - die Bewegungsweise beim staccato Oktavenspiel muß nicht diskutiert werden (denn das gerät gerne in streitbare Digressionen) - - - mich interessieren die fett markierten Äußerungen: ich halte sie für diskutierenswert in jedem Sinn.

hallo Flip,

kennst Du (evtl. von Dir selber oder von Schülern) nicht das Problem, welches Herr Werner beschreibt?

dergleichen muss ja nicht partout bei Oktaven auftauchen, rasche Akkorde und Doppelgriffe sind da auch berüchtigt, ebenso Repetitionen.

was rätst Du, um das "dreschen" bzw. hart werden der Unterarme (Verspannung etc) während des schnellens & lauten Spielens zu vermeiden?

Gruß, Rolf
 

dasselbe habe ich mir nämlich auch gedacht, als ich das gelesen habe und der Autor offensichtlich keine Marcato- Oktaven richtig spielen kann!

...das wäre natürlich für einen Autor, der laut Klappentext des zitierten Buches Konzertpianist und Klavierprofessor ist und dessen Schüler auch internationale Preise gewonnen haben, recht merkwürdig...

aber da Du andeutest, zu wissen und zu können, wie man Marcato-Oktaven (auch martellato wäre interessant) spielt, wäre ein Tipp von Dir, wie man das verkrampfen bei besagten Anforderungen vermeidet, sehr hilfreich.

Gruß, Rolf
 
Dieses Chopinbild geht auch weiter, es wird ihm ebenfalls zugesprochen, daß er laute kräftige Klänge durchaus gerne mochte und etwas neidisch auf andere Pianisten war, die das konnten. Das spricht wieder für ein absolutes FF anstelle eines relativen. Ich kam übrigens nicht durch Zufall auf Alkan, er und Chopin waren gute Freunde.

Rolf, ich meinte nicht den Trainingseffekt von dauerndem mf-Spiel. Auch im Sport gilt, daß man Technik grundsätzlich bei geringer Belastung übt. Im Falle der Oktaven alsp mf die Technik verfeinern, mit der man ff spielen will. Irgendwo ist natürlich eine Grenze und Horowitz als Standardreferenz für die Oktaven zu nehmen, wäre wohl etwas hoch gegriffen.

Aber ich kann die Idee von Peter Paul Werner gut nachvollziehen: Wenn man zu viel Kraft benötigt, werden die Muskeln zwangsläufig sauer und die Koordination läßt nach. Also braucht man eine sehr ökonomische Technik, bevor man die Lautstärke hochfährt. Es handelt sich ja nicht um eine wissenschaftliche Abhandlung und daher glaube ich, daß ich mit der Vermutung einer didaktischen Lüge richtig liege.
 
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War Chopin nicht selbst ein eher schwaches Wesen? Ich glaube auch nicht, dass ein Chopin-Fortissimo das gleiche sein kann und darf wie ein Liszt-Fortissimo.

Nein Lalona, das glaube ich nicht!!!

Chopin ständig nur alles leise zu spielen ist meiner Meinung völlig falsch! Daß er sehr leise und sensibel spielte bin ich davon überzeugt, was seine lyrischen Stellen und Nocturnes betreffen. Aber ich bin davon auch überzeugt, daß er emotional ein richtiges Fortissimo wie Liszt spielte und auch sehr temperamentvoll spielen konnte. Sein Pianissimo war lediglich etwas besonderes. Daß er aber nur Pianissimo spielte, kann ich mir nicht vorstellen.

Und wenn er eher ein schwaches Wesen war, heißt noch lange nicht, daß er auch am Klavier ein schwaches Wesen war. Im Gegenteil:
Durch seine Klaviermusik konnte er seine waren Gefühle zeigen, die er mit seinem schwachen Wesen nicht rüberbringen konnte.

Chopin's Musik ist gefühlvoll und emotional, aber nicht "brav" und "leblose" Musik.

Mir gefällt es nicht, daß er immer wieder als schwaches Wesen dargestellt wird und das man das auf seine Musik übertragen solle.

Sehr viele Stellen von Chopin spiele ich ebenfalls sehr sensibel und leise aber spiele nicht alles von ihm nur leise. Wenn er ein emotionales Forte schreibt, dann ist hier Leidenschaft vorhanden und diese ist auch mit temperamentvollen Forte zu spielen, und nicht nur ein schüchternes mf.

Stille Wasser sind wie Feuer.


Da Chopin ein schwaches Wesen war, denke ich konnte er erst mit seiner Klaviermusik seine waren Gefühle zeigen, die er selbst als schwaches Wesen nicht rüberbrachte: Das war ein sensibles trauriges pianissimo, das in ein wütendes Fortissimo überging.

Liebe Grüße, Mario
 
Daß er aber nur Pianissimo spielte, kann ich mir nicht vorstellen.

Das habe ich auch nie behauptet ^^

Durch seine Klaviermusik konnte er seine waren Gefühle zeigen, die er mit seinem schwachen Wesen nicht rüberbringen konnte.


Ich glaube nicht, dass er im alltaeglichen Umgang immer nur schuechtern war...aber gut.

Chopin's Musik ist gefühlvoll und emotional, aber nicht "brav" und "leblose" Musik.

Ganz bestimmt nicht, und das habe ich ebenfalls nie behauptet.
Ich finde trotzdem, dass man Chopin nicht runterdreschen soll, und dass - mit Verlaub - Horowitz-Chopin nicht Chopin-Chopin ist.
Wenn ich meine, dass Chopin kein Liszt-Fortissimo gespielt hat, dann hat das mit "brav" und "Pianissimo" eigentlich nichts zu tun, oder? :confused:
 
...aber da Du andeutest, zu wissen und zu können, wie man Marcato-Oktaven (auch martellato wäre interessant) spielt, wäre ein Tipp von Dir, wie man das verkrampfen bei besagten Anforderungen vermeidet, sehr hilfreich.

Gruß, Rolf

Ich wollte es eigentlich nicht, weil viele mir dann widersprechen werden. Daher möchte ich erwähnen, dass ich keine Probleme mit Marcato- Oktaven habe und warum sollte dann meine Ausführung falsch sein:

Zunächst heißt für mich verkrampft nicht: Wenn die Finger fixiert sind!

Verkrampft ist man lediglich, wenn man die Schulter unbewußt nach oben zieht, oder unbewußt die Ellbogen zum Körper zieht, oder andere Gelenke unbewußt verspannt etc.

1.Bei Marcato- Oktaven sind meine Finger stark fixiert und bilden eine feste Form in der Oktavspanne und habe das Gefühle, daß ich jede Oktave mit den Fingern greife, obwohl der Daumen trotzdem nicht einknicken darf.
2. Übe ich Marcato- Oktaven folgendermaßen: 1. Daumen alleine 2. Außenfinger alleine.
3. Marcato- Oktaven werden ja nicht legato gespielt: Aber ich übe sie trotzdem sostenuto: Das Geheimnis ist nämlich, wenn der Daum z. B. vom "D" zum "C" spielt und ich es schaffe, die (Pausen-) Lücke zu verkürzen bzw. zu schließen und annähnernd legato spiele (durch bewegliches Handgelenk) , kann ich Oktaven schneller spielen, ohne daß ich erschöpft werde, außer daß ich bei längeren Passagen wie Liszt sie schreibt, dann schon oft ins Schwitzen gerate, aber nicht indem, daß ich dann keine Kraft mehr in den Fingern hätte. Dann wäre ich nämlich verkrampft.
Trotz fixierter Finger ist das Handgelenk bei mir immer sehr elastisch.

Ich habe das Gefühl, daß viele hier meinen: Verkrampft ist schon, wenn Finger fixiert sind. Da hat mal einer geschrieben, daß man bei Stützfingerübungen verkrampft sei. Völliger Schwachsinn! Im Übringen bin ich großer Feind was das "Fingerlose Klavierspiel" betrifft.

Liebe Grüße, Mario
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Daß er aber nur Pianissimo spielte, kann ich mir nicht vorstellen.

Das habe ich auch nie behauptet ^^

Ich glaube nicht, dass er im alltaeglichen Umgang immer nur schuechtern war...aber gut.

Chopin's Musik ist gefühlvoll und emotional, aber nicht "brav" und "leblose" Musik.

Ganz bestimmt nicht, und das habe ich ebenfalls nie behauptet.
Ich finde trotzdem, dass man Chopin nicht runterdreschen soll

Hallo Lalona,

da sind wir uns zum Glück doch einig!
Und daß man Chopin nicht runterdreschen soll, stimme ich mir Dir völlig überein!


Ich glaube nicht, dass er im alltaeglichen Umgang immer nur schuechtern war...aber gut.


Ohh erwischt!!!
Ich habe von mir gesprochen! :p
Ich denke nämlich, ich wäre im Wesen genauso wie Chopin!
Zumindest in seiner Musik spiegelt sich meine Seele wieder!

Liebe Grüße, Mario
 
Ich denke nämlich, ich wäre im Wesen genauso wie Chopin!
Zumindest in seiner Musik spiegelt sich meine Seele wieder!

Liebe Grüße, Mario

^^ naja da geht es mir ja aehnlich.
Da muss ich gleich an die platonische Ideenlehre denken...die Idee "Chopin" ist halt doch von ihren Schatten verschieden...:D (sonst muessten sich die Schatten ja alle viel aehnlciher sein! Und ich bin aeuszerlich nicht schuechtern! :))
 
...ja, der hüstelnde Sylphe, unendlich verfeinert... der konnte im Unterricht furchtbare Wutausbrüche haben und Stühle zerdeppern...

...Da hat mal einer geschrieben, daß man bei Stützfingerübungen verkrampft sei. Völliger Schwachsinn! Im Übringen bin ich großer Feind was das "Fingerlose Klavierspiel" betrifft.

Fingerloses Klavierspiel? Hab ich noch nie gesehn. :D

Unser Frédéric Chopin scheint ja tatsächlich ein temperamentvoller Zeitgenosse zu sein, aber ein Feind ...? Das wird mir doch zu martialisch, da gehe ich wohl besser wieder in Deckung. :D
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Ich habe das Gefühl, daß viele hier meinen: Verkrampft ist schon, wenn Finger fixiert sind. Da hat mal einer geschrieben, daß man bei Stützfingerübungen verkrampft sei. Völliger Schwachsinn! Im Übringen bin ich großer Feind was das "Fingerlose Klavierspiel" betrifft.
[/B]

hallo,

ich glaube, diese Sorgen musst Du Dir nicht machen (und infolgedessen auch keine Windmühlen bekämpfen): hier geht es um eine Textstelle aus einem Buch von einem Fachmann in Sachen Klavierspiel - und dieser rät, die f-ff Abläufe der Oktaven des 3. Scherzos von Chopin besser mf zu spielen, gerade um das Verspannen a priori zu vermeiden (also für Lernende, die sowas noch nicht können, eine didaktische Anweisung).

Problematisch würde diese Anweisung allerdings, wenn es für die als Beispiel zitierten Chopin-Oktaven ewig bei mezzoforte bliebe - denn dann wäre man von einer wirklichen Realisierung des Notentextes entstellend weit enternt. Wo Chopin ff schreibt, will er das auch haben (und so lange ihn seine Tuberkulose nicht gänzlich bettlägrig gemacht hatte, hatte er durchaus dort, wo es angebracht war, ff gespielt [u.a. in seiner letzten "England-Tournee" bezeugt, z.B. für das Scherzo der sehr schwierigen Trauermarschsonate], freilich - wie ihm immer bescheinigt wurde! - nicht dreschend wie Dreyschock, sondern geschmeidig und kultiviert).

Leider geht aus der zitierten Textstelle nicht hervor, wie man irgendwann zum geforderten Fortissimo gelangt.

Das Fatale ist doch: wenn man das mal kann (und es gibt ff-Oktaven, gegen welche das 3. Scherzo harmlos ist), denkt man gar nicht mehr darüber nach und macht es. Du hast völlig recht, dass man bei "Stützfinger-Übungen" nicht verkrampfen muss - denn stützen heisst nicht, nutzlos in den Tastenboden zu drücken oder gar pressen (die schönsten "Stützfinger-Übungen" die ich kenne, befinden sich in op.25 Nr.10 und op.28 Nr.24 von Chopin!! :D ).

Ob speziell für Oktaven das Üben der Außenfinger (hm, andere hat eine Oktave doch gar nicht?!) sinnvoll ist, weiss ich nicht (ich habe sowas nie gamacht), glaube aber nicht, dass eine einseitige Belastung des Oktavgriffs besonders viel hilft, denn das Ziel ist ja, beide Töne zu spielen. Aber das will ich nicht generalisieren - ich kann nur sagen, dass ich dessen nicht bedurfte.

meine Ratschläge wären:
- der Oktavengriff (egal ob 1-5 oder 1-4 etc) muss automtisch da sein, maximal so sehr "fixiert", dass man dem Abprallen von den Tasten mühelos in der Hand (!!) widersteht
- der Bewegungsimpuls kommt aus den Armen (z.B. wie "werfen")
- das Handgelenk sollte nicht permanent fixiert, sondern elastisch (aber widerstandsfähig) gefedert sein
- - für viele schnelle Impulse aus den Armen zuzügl. seitwärts-Bewegungen wird man Energie verbrauchen, also sollte man "ergonomisch" vorgehen (z.B. die Bewegungsgeschwindigkeit verbessern, nutzlose bzw. unprodiktive Spannungen vermeiden, die Wege weitmöglichst verringern usw.)

was also Herr Werner leider nicht beschreibt: nachdem man Tempo und nötige "Lockerheit" auch hier (rasche Oktaven f-ff) als Basis angelegt hat, kann mit dem Training eine vorsichtige Steigerung der Impulsstärke entwickelt werden -- dann gelangt man irgendwann zu einem relativ mühelosen Fortissimo ohne dass die Arme lahm oder hart werden (jedenfalls innerhalb der erforderlichen Stellen - niemand sollte 4 Stunden ff die Oktaven durchtrommeln)

Allerdings gilt vergleichbares auch für andere Doppelgriffe, Akkorde, Repetitionen, sofern dergleichen mit energischer Vehemenz bzgl. Tempo und Lautstärke verlangt wird. Ich selber rate von einem fixierten Handgelenk ab, bitte aber darum, ehe sich deswegen Geschrei erhebt, zu bedenken, dass ich erklärt habe, was das Handgelenk macht (s.o.) und verweise darauf, dass bei solchen Spielweisen alle Gelenke des Arms und der Hand/Finger beweglich beteiligt sind. Verstünde man unter "Fixation" lediglich den winzigen Moment der Widerstandsfähigkeit eines Griffs, dann bin ich dafür - verstünde man unter Fixation ein beständiges fixieren, dann kann ich nur sagen, dass ich das anders mache.

retour zur "Kraftentfaltungsgrenze": sinnvolles Training verschiebt diese meiner Ansicht nach und peu a peu kann man sich ff-Oktaven und anderes angewöhnen.

Gruß, Rolf
 

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