Wie viel Agogik und Rubato?

  • Ersteller des Themas killmymatrix
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Auf der esnips-Seite, wo die mp3 files abgespielt werden, gibt es bei mir keinen Download-Knopf. Es gibt sowas wie "MP3 Widgets", "Share File" usw., aber keinen Download-Knopf. Auch nichts entsprechendes im Kontextmenü mir rechter Maustaste, leider.
Kannst Dir ja in der Zwischenzeit meine Aufnahme anhören und was dazu zu sagen ;)

@kceenav: Bin mit dir einer Meinung. Die "historische Aufführungspraxis" hat ja ziemlich die Auffassungen umgekrempelt - noch vor 30 Jahren wurde die Matthäuspassion mit 2 oppulenten Orchestern und Chören aufgeführt, in hochromantischer Art. Heute sind eher Kammerchöre und schlanke Orchester mit Barockinstrumenten angesagt, die rhythmisch präzise mit sehr viel Schwung und barockem Groove spielen. Gefällt mir persönlich besser. Ob man früher so gespielt hat, weiss ich nicht, habe keine CD-Aufnahme mit Bach :)
Aber anhand historischer Fingersätze kann man schon einiges ableiten, wenn auch nicht zum Thema Rubato.
 
Auf der esnips-Seite, wo die mp3 files abgespielt werden, gibt es bei mir keinen Download-Knopf.
In der Spalte direkt unter dem Titel "files" sind Grafiken, die CD-Hüllen/CDs darstellen sollen - wenn man auf eine davon klickt, wird die zugehörige Datei abgespielt ...

@Haydnspaß: Leider sind die Störgeräusche dieses Mitschnitts so laut, dass man den Klavierpart nur sehr vage heraushören kann. Immerhin scheint es aber doch so zu sein, dass auch DU Bach mit weniger Agogik/rubato spielst, als bei Chopin üblich ist ... Mir ist allerdings immer noch Dein Einsatz DIESER Gestaltungsmittel viel zu üppig und zu pauschal -- sagen wir um des lieben Friedens willen: es ist wohl Geschmacksache! :rolleyes:

Ich finde es aber sehr gut, dass Du diese Beispiele präsentierst. So wird eben doch deutlicher als nur durch Worte, welches Deine interpretatorische Auffassung ist.

Heute sind eher Kammerchöre und schlanke Orchester mit Barockinstrumenten angesagt, die rhythmisch präzise mit sehr viel Schwung und barockem Groove spielen.
:) Ganz meine Meinung!


Grüße

Bernd
 
dass auch DU Bach mit weniger Agogik/rubato spielst, als bei Chopin üblich ist
ich glaub von einer Chopinagogik war bei einer Fuge auch nie die Rede;) (ich mag Chopin eh nicht:p)

Ich hab mir alle Aufnahmen sehr eingehend angehört und find sie im Gesammten beide sehr gut. Würde auch gerne mal eine Interpretation der Kritik hier aussetzen, nur hab ich's nicht so mit der Aufnahmetechnik.

Bei der b-moll Fuge gefällt mir das saubere Tempo sehr gut - es passt auch zu ihr, nur wird sie auf beiden Aufnahmen ein wenig schnell gespielt wie ich finde - sie ist eine sehr sehr innige Fuge und damit das zur Geltung kommt ist ein langsammeres Tempo vorteilhafter. Da würd ich das Tempo auch konstant halten was Mindenblues gut durchgezogen hat, leider eisern bis zum vorletzten Takt, was sie nach einer Weile ein wenig steril und mechanisch wirken lässt - den letzten kick würd sie noch bekommen, wenn sich diese stille innige Fuge dann ins unbestimmbare Nichts auflösen würde d.h. undefinierbar werden am Schluss aus dem Rythmus fallen würde durch noch mal langsammer und leiser werden.
Auch beim D-dur Präludium gehört der Rythmus unangetastet - ebenfalls sehr gut gemacht und sauber gespielt nur.... die letzten beiden Takte gehören für mich eindeutig frei gestaltet. Spielt man den Schluss frei, entsteht ein Kontrast im Präludium, der dieses interessanter bzw. schöner macht. Die D-dur Fuge würde ich im Ganzen etwas freier interpretiern, schon noch mit Rythmus, aber einem natürlichen, ausgewogenen irgendwie - sonst wirkt sie etwas gepresst.

Sind natürlich nur meine persönlichen Ansichten, die ich keinesfalls absolut setzen möchte.


Hier zum Beispiel das b-moll P&F-Paar aus WTK1, von dem Christoph geredet hat:
Nee meinte schon die h-moll Fuge (ist meine Liebligsfuge). Sie hat ja weniger was träumerisches als was unwirkliches, diffuses. Meinte, dass es bei ihr einige Stellen gibt, an denen man sich dezenter Agogik bedienen kann z.B. wenn eine Stimme alleine zu hören ist. Man kann bei ihr phantastisch mit Gegensätzen von uhrwerkhaftem ineinandergreifen von Stimmen und und zerplatzen des Zahnrädergeflechts spielen. Vor allem der Schluss mit dem Dezime dis-a-fis Akkord (bei Bach!!!)- spätestens ab da darf man nicht mehr nach metronom Spielen - so wahnsinnig genial schön phantastisch - ich spiele die Fuge schon seit Monaten und sie wird nie langweilig.:)

P.S. Ein Beispiel für hemmungslose Agogik für Klavier bei Bach: die Chromatische Fantasie d-moll
 
@Christoph:

Erstmal vielen herzlichen Dank, dass du dir die Mühe gemacht hast, nicht nur die Aufnahmen anzuhören, sondern detailliertes Feedback zu geben. Ich bin dir dafür SEHR dankbar!

Ich habe mir deine Einschätzung, was meine Aufnahmen anbetrifft, gründlich zu Gemüte geführt und teile deine Ansichten. Vielleicht mit der kleinen Ausnahme, dass man geteilter Meinung sein kann, wie man ein Bach-Präludium oder Fuge enden läßt - ob laut oder leise, ob langsamer werden oder nicht. Mag sein, dass die b-moll-Fuge besser wirkt, wenn sie sich in unbestimmbares Nichts auflösen würde. Meine alte Klavierlehrerin hatte früher mal gesagt, dass man bei Bach die Fugen generell "groß" enden lassen sollte. Dies ist aber noch die alte romantische Schule, und sehe ich auch nicht mehr so.

Mir gefällt auch sehr die Art, wie du die h-moll-Fuge charakterisiert hast (Entschuldigung, dass ich h-moll und b-moll Fuge verwechselt habe, bin wohl zu oft in einem englischsprachigen Forum, wo h-moll als b minor bezeichnet wird). Habe sie mir daraufhin wieder angehört, kann mich deiner Darstellung nur anschliessen.
 
Genau dieser Download-Button fehlt bei mir. Kann es sein, dass es ein Unterschied ist, ob man sich dort anmeldet oder nicht?
Ich habe mich nicht angemeldet und will es auch nicht. Ergebnis ist, dass der von dir markierte Download-Eintrag fehlt, und ich auch nicht im Mauskontextmenü downloaden kann. Die beiden WTK-Files (und nur diese beiden) werden leider beim Abspielen mit dem dort integrierten Player in doppelter Geschwindigkeit und doppelte Tonhöhe abgespielt. Alle anderen mp3-Dateien funktionieren richtig.
 
Erstmal vielen herzlichen Dank, dass du dir die Mühe gemacht hast, nicht nur die Aufnahmen anzuhören, sondern detailliertes Feedback zu geben. Ich bin dir dafür SEHR dankbar!
Danke! Ich hab immer Bedenken, dass ich ein wenig wie ein Klugsche*** oder so wirke;)

Vielleicht mit der kleinen Ausnahme, dass man geteilter Meinung sein kann, wie man ein Bach-Präludium oder Fuge enden läßt - ob laut oder leise, ob langsamer werden oder nicht.
Ich find es kann gar keine Formel geben, wie eine Fuge unbedigt zu spielen ist. Die einzelnen Fugen sind viel zu unterschiedlich als dass man sie alla über einen Kamm scheren könnte. Deswegen kann oder darf der Schluß bei jeder Fuge auch anderst aussehen - da ist dann Interpretation gefragt.
 
symbole

Die Notenschrift ist eine simplifizierte Form der Notation. In Wirklichkeit ist alles viel komplizierter als es uns die einfachen Notenwerte glauben machen.

Soweit Haydnspaß ´s Zitat.

In den Noten steht ja fast nichts drin. Aber sie liefern uns ein Gerüst, das wir ausbauen müssen.

Wie bei einem Roman: Das Buch ansich ist ja keinesfall der Roman, sondern er entsteht erst dadurch, das er gelesen und interpretiert wird. Si gibt es genauso viele Fassungen wie Leute, die ihn lesen.
Ganz ähnlich ist es mit Musikstücken. Die Noten sind nicht die Musik, sondern das, was die Interpreten draus machen. Nur bei Maschinen kann es geklonte Fassungen geben, bei Menschen nie.

Und wie die wirklich guten Komponisten sich eigentlich nie darum gekümmert haben, was die Musiktheorie für Grundlagen und Gesetze aufgestellt hat, so haben sich gute Pianisten noch nie in das starre Konzept einer Aufführungspraxis zwängen lassen.

Wenn ich einem Musiker oder einem Ensemble zuhöre, will ich nicht wissen, ob sie sich an den Notentext halten - der ist ja eh die Grundlage- sondern ich möchte etwas perönliches erfahren, etwas Individuelles, was mir nur dieser Interpret mitteilen kann. Wenn es von meiner Auffassung stark abweicht, habe ich vielleicht was gelernt. Wenn es sich überwiegend deckt, dann sind immer noch Unterschiede da, die das Anhören wert waren.
 
Das ist mir unheimlich wie der mit seinen 13 Jahren schon so ein tiefes Gefühl für Bach hat
10.gif


Wenn klavigens Text nicht so lang wär, würd ich ihn mir als Signatur reinstellen.
 
Das ist mir unheimlich wie der mit seinen 13 Jahren schon so ein tiefes Gefühl für Bach hat
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Und dann solltest du mal schauen, was der sonst noch so spielt: Schumann Cellokonzert, Saint-Saens Cellokonzert, Mozart KV 466 und Beethoven Waldsteinsonate (natürlich auf dem Klavier) Und alles unglaublich gut. Man kann's wirklich kaum glauben, daß es sowas gibt...
 
bass erstaunt

Und dann solltest du mal schauen, was der sonst noch so spielt: Schumann Cellokonzert, Saint-Saens Cellokonzert, Mozart KV 466 und Beethoven Waldsteinsonate (natürlich auf dem Klavier) Und alles unglaublich gut. Man kann's wirklich kaum glauben, daß es sowas gibt...

solche Talente blühen zum glück immer wieder auf. Es ist mir auch ein Rätsel, woher diese Reife kommt.

Jedenfall ein toller Hinweis auf diesen jungen Künstler
 

vielleicht hatte Platon ja doch recht, dass alles Lernen nur ein Wiedererinnern ist.......
 
weise

"In der Musik hat Gott den Menschen die Erinnerung an das verlorenen Paradies hinterlassen."
Hildegard von Bingen (1098 - 1179)

welch eine wunderbare Aussage und das zu dieser Zeit.
 
Cello ist einfach das ideale Instrument für Bach

Wenn man mal von der Orgel absieht (zum Beispiel), für die Bach so viele wunderschöne Meisterwerke geschrieben hat. Erfasst man aber möglicherweise erst dann am tiefgründigsten, wenn man sie selber spielt, weil die Auseinandersetzung damit intensiver ist als "nur" durch reines Zuhören. Geht mir jedenfalls so.

Zitat von Klavigen:
Und wie die wirklich guten Komponisten sich eigentlich nie darum gekümmert haben, was die Musiktheorie für Grundlagen und Gesetze aufgestellt hat, so haben sich gute Pianisten noch nie in das starre Konzept einer Aufführungspraxis zwängen lassen.

Die wirklich guten Komponisten hätten sich nie um musiktheoretische Grundlagen und Gesetze gekümmert? :confused:
Kannst Du das mal näher erläutern?
Merkwürdig, dass sich z.B. bei Bach keine Oktav- oder Quintparallelen finden lassen, hat er sich vielleicht um gewisse Grundlagen und Gesetze etwa doch gekümmert?
Bei welchem guten Komponisten aus der Barock- oder Klassik- oder Romantikepoche hast du denn das Gefühl von musiktheoretischer Anarchie?
 
Trendsetter

Die wirklich guten Komponisten hätten sich nie um musiktheoretische Grundlagen und Gesetze gekümmert? :confused:
Kannst Du das mal näher erläutern?
Merkwürdig, dass sich z.B. bei Bach keine Oktav- oder Quintparallelen finden lassen, hat er sich vielleicht um gewisse Grundlagen und Gesetze etwa doch gekümmert?
Bei welchem guten Komponisten aus der Barock- oder Klassik- oder Romantikepoche hast du denn das Gefühl von musiktheoretischer Anarchie?

Man kann mich auch missverstehen wollen. Ich meinte damit, dass die Komponisten den theoretikern immer eine nasenlänge voraus sind und eben den Trend setzten. die Theorie muss sich den Meisterwerken anpassen und nciht umgekehrt.

Dass sich säntliche Meister glänzend in der theorie auskannten und deen Grundsätze anerkannten war nicht mein thema. Und Anarchie ist natürlich das ganz falsche Wort.
Es ging mir eher um die Rangfolge. Erst das Creative und dann die theorie. Im Zweifel aber wird das Schöpferische sich durchsetzen, auch wenn die theorie dem nicht zustimmen will, noch nicht.
 
Und Anarchie ist natürlich das ganz falsche Wort.
Es ging mir eher um die Rangfolge. Erst das Creative und dann die theorie.

Naja, ob es nun die richtige Wortwahl ist, dass gute Komponisten sich nie um musiktheoretische Gesetze gekümmert hätten, wollen wir auch mal dahingestellt lassen.

Im übrigen glaube ich schon, dass die Komponisten in ihrer Jugendzeit Theorie gelernt haben, und die Hauptschaffenszeit kam später. Daher, deine These "Erst das Kreative, dann die Theorie" ist auch ziemlich gewagt. Bevor man musiktheoretische Grundsätze brechen möchte, sollte man sie kennen (habe ich zumindest im Fugen-Faden gelernt), und nicht umgedreht.

Außer Frage steht natürlich, dass die kreativen Musiker die musiktheoretischen Grundsätze immer weiter vorangetrieben haben und der Motor der Entwicklung waren.
 
Oft ist die Theorie von Musikwissenschaftlern erst erfunden worden, nachdem die Komponisten ihre bedeutenden Werke schon geschrieben hatten. Also eine Theorie, maßgeschneidert auf das bereits vorhandene Werk.
Hugo Riemann ist 1849 geboren. Sein Einfluß auf Haydn, Mozart und Beethoven war sicher nicht besonders groß.
 
Bitte noch genauer lesen

Dass sich säntliche Meister glänzend in der theorie auskannten und deren Grundsätze anerkannten Zitat KLavigen

Bitte Mindenblues, was habe ich denn da geschrieben. Das kann man doch nicht überlesen.

Du kannst mir doch nicht Worte in den Mund schieben, die ich nie gesagt habe. Selbstverständlich hatten alle Meister auch die Theorie meisterhaft im Griff. Und um mal ein ganz modernes Wort zu verwenden, welches eigentlich mehr zum Jazz gehört: Das Voicing, also die gekonnte Stimmführung zeichnet alle aus. Aber, wenn es die Creativität, der Klang oder ihre vision erforderte, haben sie sich zum Glück über diese Vorschriften hinweggesetzt.

Ich hoffe, dass jetzt alle Unklarheiten beseitigt sind.
 
Mit den sogenannten Meistern sehe ich das ganz einfach: Die hatten im Gefühl, was "richtig" ist (und gelernt habe sie es meistens auch). Immerhin basieren die ganzen Regeln ja nicht nur auf dem, was man aus der Musik herauslesen kann sondern erklären auch zum großen Teil, warum es so besser klingt. Und viele Regeln sind ja auch im Laufe der Zeit verändert worden, weil Hörgewohnheiten und Geschmack sich ja auch weiter entwickeln. Deswegen kann ja die Frage "Wie viel Agogik und Rubato" auch nur geschmacklich beantwortet werden. Wer wissen will, wie Bachs Musik tatsächlich geklungen hat, muß im Grunde genommen auch zu Bachs Zeiten aufgewachsen sein, damit er die entsprechenden Hörgewohnheiten mitbringt und zum Beispiel auch seine Eigentümlichkeiten mit Verwunderung aufnehmen kann, heute ist das ja alles schon lange bekannt. So gesehen kann man sich frei entscheiden, ob man sich den historisch Korrekten zuwenden, romantisieren oder vielleicht eine ganz neue Richtung einschlagen will.

Aber da Musik eine hochemotionale Angelegenheit ist, muß man natürlich streiten. In dem Sinne viel Spaß noch :D
 
Du kannst mir doch nicht Worte in den Mund schieben, die ich nie gesagt habe.

Nun, ich bezog mich fast wörtlich auf das Folgende von dir geschriebene. Hast du zwar nicht gesagt (soweit richtig), aber geschrieben: :D

Und wie die wirklich guten Komponisten sich eigentlich nie darum gekümmert haben, was die Musiktheorie für Grundlagen und Gesetze aufgestellt hat, so haben sich gute Pianisten noch nie in das starre Konzept einer Aufführungspraxis zwängen lassen.

Nach diesem Statement folgten ja Klarstellungen, werde daher von meiner Seite nichts mehr dazu schreiben. Verwahre mich jedoch dagegen, dir irgendwas in den Mund geschoben zu haben, was du nicht geschrieben hast.

Soweit also zur Klarstellung.
 

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