Welchen Verlag für Fingersätze bei Chopin-Etüden?

M

Manu77

Guest
Hallo,

ich habe von den Chopin-Etüden eine recht betagte Ausgabe: Edition Cotta von 1948.
Ich übe gerade Op.10 No. 6 und mir kommen die Fingersätze darin teils komisch vor. Beim Durchstöbern der frei verfügbaren Noten im Netz ist mir aufgefallen, dass es da recht starke Abweichungen gibt. Jetzt bin ich etwas verunsichert. Wer hat denn eurer Meinung nach die "angenehmsten" Fingersätze? Wobei das ja auch individuell unterschiedlich sein mag, je nach Handgröße etc.
Hat Chopin denn auch selbst Vorschläge zu den Fingersätzen gemacht?
Danke für Hinweise!

LG Manu
 
Wer hat denn eurer Meinung nach die "angenehmsten" Fingersätze?
die alte Klindworth-Ausgabe hat für meinen Geschmack sehr nützliche Fingersatzvorschläge (findest du bei imslp)
Hat Chopin denn auch selbst Vorschläge zu den Fingersätzen gemacht?
aber ja!! hat er!!
(z.B. op.10 Nr.2)
du findest Chopins Fingersätze in jeder kritischen Ausgabe kursiv gedruckt
 
Danke! Also wenn Chopin jetzt nicht gerade außergewöhnlich große Hände hatte, würde ich es gerne mit seinem Fingersatz versuchen. Weißt du, ob er zu Op.10 No. 6 auch Fingersätze notiert hat? Ich gucke dann gleich mal bei imslp.
 
Guten Abend, @Manu77 , sorry wenn ich störe, :-)vielleicht ist Deine Frage, ob er zu op. 10,6 Fingersätze notiert hat, gar nicht mal so ohne. ( Ich selbst vertraue da niemandem, egal was z.B. in Henle usw. an kritischen Berichten, Quellen usw. drinsteht ):

meinem - meist ja unzureichenden - Informationsstand nach gibt es von Chopins Autograph-Manuskript, welches anscheinend im Chopin-Museum in Polen aufbewahrt wird, Faksimile-Versionen, die nicht so komfortabel zugänglich sind. BEIDES ist auch nicht unbedingt problemlos online anzuschauen. Die hier relevanten Autographmanuskriptseiten, also seine eigenen handgeschriebenen Seiten, hat er aber erstmal Schlesinger, dem verantwortlichen Verleger für den ERSTDRUCK der FRANZÖSISCHEN Erstausgabe, in die Hand gedrückt,

http://imslp.org/wiki/Etudes,_Op.10_(Chopin,_Frédéric)


Herausgeber
First edition

Verlagsinfo
Paris: Maurice Schlesinger, n.d.[1833]. Plate M.S. 1399.

die, wie wir ja wissen, :super:also der auf der folgenden Unterseite von http://www.chopinonline.ac.uk/ocve/ verlinkten entspricht:

http://www.chopinonline.ac.uk/ocve/browse/pageview/63231/

Dann kannst Du auch dort diese Version der Schlesinger-Erstausgabe blättern, und evtl. hat Schlesinger, weil ja Chopin noch lebte und eingreifen hätte können, nicht so viel an Chopins eventuell notierten Fingersätzen geändert.

Doch Vorsicht: Wir brauchen die Page evtl. noch. Denn es gibt ja noch eine KORRIGIERTE Version bei der Schlesinger-Erstausgabe der Etüden op. 10: „corrected reprint“ ( selbe Plattennummer, k.A. ob bei 10,6 auch was korrigiert wurde, da müsst Ihr selber mal mit dem zuvor betrachteten Schlesinger 1 vergleichen, oder halt doch auf Textkritische Angaben in Henle usw. vertrauen und die "Originalen" Fingersätze, in Fällen, in denen sie hinzugefügt wären ) :

Hier also der "corrected reprint":

http://www.chopinonline.ac.uk/ocve/browse/pageview/74911/

Dank nochmal an Stephan ( pppetc + ), falls er mich "da oben" hören kann, der die Chopin Online Variorum Edition verlinkt hatte, damals.
So, bin wieder wech -

LG, - Rev.-
 
Das ist interessant!
Was mich verwundert ist, dass überhaupt so viele unterschiedliche Fingersätze im Umlauf sind. Ich meine, das sind ja immerhin Etüden und Chopin hat sich sicherlich was dabei gedacht, und wenn er jetzt nicht gerade abnorme Hände hatte und wegen grifftechnischen Problemen abgewichen werden muss, warum dann diese ganzen unterschiedlichen Vorschläge?
Ist vielleicht eine naive Frage, aber ich bin so gestrickt, dass ich es zuerst gerne mit dem Fingersatz vom Komponisten versuchen würde, gerade bei Etüden.
Oder war das Chopin eher lästig und er hat es mehr auf Anforderung des Verlegers notiert?
 
Ich meine, das sind ja immerhin Etüden und Chopin hat sich sicherlich was dabei gedacht, und wenn er jetzt nicht gerade abnorme Hände hatte und wegen grifftechnischen Problemen abgewichen werden muss, warum dann diese ganzen unterschiedlichen Vorschläge?
(cum grano salis) Chopins Etüden brachten einige spieltechnische Neuerungen in die Klaviermusik, und wo es ihm nötig erschien, hatte Chopin für diese Spielfiguren seinen Fingersatz quasi als Regelfingersatz für alle Varianten der jeweiligen Spielfigur ausgearbeitet; am verständlichsten wird das vielleicht bei op.10 Nr.1: Chopins techn. Pädagogik führt hier dazu, alle Akkordbrechungen mit 1-2-3oder4-5 zu spielen - aber es haben sich abweichend davon in ein paar Takten alternative Fingerfolgen ebenfalls bewährt. Vergleichbares gilt für op.10 Nr.6, wo man es sich stellenweise ebenfalls bequemer machen kann.
Ist vielleicht eine naive Frage, aber ich bin so gestrickt, dass ich es zuerst gerne mit dem Fingersatz vom Komponisten versuchen würde, gerade bei Etüden.
Oder war das Chopin eher lästig und er hat es mehr auf Anforderung des Verlegers notiert?
Nichts spricht dagegen, Chopins Fingersätze in den Etüden (jedenfalls dort, wo welche von ihm vorliegen) zu verwenden - natürlich hat er exzellente Fingersätze notiert (!!) [aber seit 1830-35 hat sich die Erde weiter gedreht*), d.h. an ein paar Stellen kann man es sich etwas "erleichtern" bzw. bequemer machen]
Nein nein, das war dem Chopin nicht lästig und da lag auch keine Anforderung von einem Verleger vor - dort, wo seine Etüden erheblich von den seinerzeit gebräuchlichen Spielweisen abwichen (Neuerungen) und wo zugleich der Notentext nicht quasi selbsterklärend ist (die Spielfigur der As-Dur Etüde r.H. braucht keinen Fingersatz), da hat er seine Fingersätze notiert. Übrigens war bzgl. der Erstausgabe von op.10 den Rezensenten als ungewöhnlich aufgefallen, dass op.10 Nr.2 rechts nahezu genauso viele Zahlen wie Töne aufweist :-)
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*) bzgl. der Terzen und Sexten hat sich einiges seitdem bewegt, hier sind partienweise die Lisztschen Fingersätze (siehe technische Studien etc) besser; überhaupt lohnt es sich sehr, zu den Etüden Cortot zu konsultieren, der natürlich die technischen Angelegenheiten allesamt sehr genau kannte und ausgewertet hatte
 
Eine Sache noch fällt mir ein, bezüglich Henle / Zimmermann:

Dort sind Chopins "Originale" Fingersätze gerade, und die von Zimmermään / Keller kursiv. ( Siehe Vorwort ). In den Vorworten ( meine "uralte", gekauft ca. 1985 ), und die, die ich grad im Buchladen in der Hand hatte, ganz neu, stehn noch andere Dinge, die hier evtl. in zweiter Linie interessant sind, z.B. dass, ähnlich wie auch schonmal im bereits behandelten Nocturne Es-Dur, von dem es 19 Versionen CHOPINS gibt, z.B. für bestimmte Schüler/innen ( siehe H.K.H. Lange: So spiele und lehre ich Chopin ), er auch bei den Etüden möglicherweise mehrere Versionen angefertigt haben könnte.
Und es wird erwähnt, dass die Quellenlage als solche "sehr kompliziert ist", bei Chopin.

LG, -Rev.-

PS.: "Keller" ergänzt.
 
Zuletzt bearbeitet:
(...)
Und es wird erwähnt, dass die Quellenlage als solche "sehr kompliziert ist", bei Chopin.
ja, Chopin hatte auch nach der ersten Publikation jeweils weiter an Details gefeilt und geändert, sodass streng genommen von einigen der Etüden mehrere Fassungen vorliegen; hierbei hatte er alternative Varianten bzgl. der Tonfolgen/Harmonik sowie (seltener) alternative Fingersätze in die Noten seiner Schüler geschrieben - - das wird in den meisten guten Ausgaben berücksichtigt (und man benötigt jetzt und hier keine ausufernde Variantendiskussion) und findet sich dann entweder in Fußnoten oder im Variantenapparat.
Die meisten bzw. gravierendsten Änderungen/Varianten weist op.10 Nr.4 im Mittelteil auf - da hat sich eingebürgert, dass man meist die harmonisch schärfere letzte Variante spielt.
Allerdings betreffen diese nachträglichen Änderungen keine grundsätzlichen spieltechnischen Angelegenheiten (!!)
 
[...]
Die meisten bzw. gravierendsten Änderungen/Varianten weist op.10 Nr.4 im Mittelteil auf - da hat sich eingebürgert, dass man meist die harmonisch schärfere letzte Variante spielt.
[...]

hm, naja, da streich ich die Segel, was da mit 10/4 ist, ich hab halt nur diese Henle-Hinweise, da steht, dass da in T 26 irgendwo ein gis notiert ist, und noch ein paar Bemerkungen, die sich aber in Grenzen halten,

http://www.henle.de/media/review/0124.pdf

ich schnüffle nachher aber nochmal bei Variorum rein, hab grad wenig Zeit, und gucke 10/4 an, auf jeden Fall thx for Info, Rolf, und

LG, -Rev.-
 
Die meisten bzw. gravierendsten Änderungen/Varianten weist op.10 Nr.4 im Mittelteil auf - da hat sich eingebürgert, dass man meist die harmonisch schärfere letzte Variante spielt.
@Revenge ich hab mich vertippt, es ist natürlich Nr.3 in E-Dur (die hat ja auch im Gegensatz zur kleinen cis-Moll "Toccata" einen richtigen Mittelteil)
 

Also wenn Chopin jetzt nicht gerade außergewöhnlich große Hände hatte

Hatte er glücklicherweise nicht. :super: Trotzdem sind Männerhände in aller Regel etwas größer als Frauenhände.
Chopins eigene Fingersätze (das "berüchtigte" Beispiel 10/2 wurde genannt) sind m. E. exzellent. Lässt man sich darauf ein, stellt man rasch fest, welche Vorteile sie bergen.

Die von Cortot herausgegebenen Chopin-Etüden sind m. E. klasse, auch weil sie so schöne propädeutische Übungen voranstellen.
 
Ich besorge mir jetzt eine kritische Ausgabe mit Original-Fingersätzen. Bei meiner Cotta-Ausgabe stehen zwar Varianten drin, aber nichts ist kursiv und es gibt auch kein Vorwort.
Op.10 No. 2 habe ich mal angefangen, aber die ist zu schwer für mich im Tempo.
Op.10 No. 6 macht aber richtig Spaß :) Leider finde ich den Fingersatz da auch nicht immer selbsterklärend ...
 
Da gibt es nicht viel zu erklären. Meine Hand ist anatomisch offenbar anders gebaut als die vom Polen-Fritz - schon die ersten 4 16tel sind für mich mit Chopins Fingersatz (4345 3434) nicht sonderlich bequem. Ich spiele da 5345 4534. Und das zieht sich so weiter durch die ganze Etüde. Vermutlich habe ich einen längeren 4. Finger als Chopin.

Bevor das jetzt jemand ausprobiert - bis ungefähr zum Tempo Viertel = 116 ist die Etüde noch relativ einfach und funktioniert auch mit fast jedem Fingersatz. Aber oberhalb dieses Tempos wird es verdammt knifflig - da kommt es auf jeden halben Millimeter an, den man bewegungsmäßig einsparen kann. Ohne einen Fingersatz, der an die eigene Anatomie angepasst ist, tut man sich dann verdammt schwer!
 
überhaupt lohnt es sich sehr, zu den Etüden Cortot zu konsultieren, der natürlich die technischen Angelegenheiten allesamt sehr genau kannte und ausgewertet hatte

Die Cortot-Arbeitsausgabe ist heute bei mir eingetroffen, danke für den Tipp!
Ich bin überrascht über seine Pedal-Empfehlung bei Op. 10 No. 6. Es soll quasi auf jeder 16tel gewechselt werden. Spielt ihr das auch so?
Die Frage gehört hier eigentlich nicht hin, aber nur dafür wollte ich nun auch keinen eigenen Thread erstellen.
 
Da gibt es nicht viel zu erklären. Meine Hand ist anatomisch offenbar anders gebaut als die vom Polen-Fritz - schon die ersten 4 16tel sind für mich mit Chopins Fingersatz (4345 3434) nicht sonderlich bequem. Ich spiele da 5345 4534. Und das zieht sich so weiter durch die ganze Etüde. Vermutlich habe ich einen längeren 4. Finger als Chopin.

@mick: ist zwar schon etwas älter die Diskussion, aber wenn Du eine etwas größere Hand hast kommst Du in diese - in der Tat elend schwere - Etüde viel besser rein, wenn Du links am Anfang die Dezime a-c spielst und rechts die ersten vier Sechzehntel mit 2-3-4-5 nimmst, Daumen leichtest auf e !
Geht so nur am Anfang bietet aber den angenehmsten Einstieg!
 

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