Unterricht in Schulen (Jeki etc.)

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Hallo liebe Clavioaner,

wie viele von Euch ja sicherlich wissen und mitbekommen haben, werden Instrumentallehrer an Musikschulen ja zunehmend dazu verdonnert, sogenannte "Breitenbildung" an allgemeinbildenden Schulen (vor allem so ca. 5.-7. Klasse, zunehmend auch in Grundschulen) zu betreiben. "Jeki" ("Jedem Kind ein Instrument") ist wohl das bekannteste derartige Projekt.

Ich möchte hier nicht das Pro und (vor allem...) Contra solcher Projekte diskutieren, sondern habe eine Frage an Euch:

Wer kann mir Daten (per Link etc.) nennen darüber, wie es eigentlich - nachdem ja nun schon seit recht vielen Jahren solcher Unterricht gemacht wird - mit den behaupteten positiven Auswirkungen aussieht?

Es wird ja gerne als Begründung für diese Gruppenunterrichte genannt, dass unterprivilegierte Kinder die Möglichkeit bekommen, auch mit der Welt der Musik in Berührung zu kommen; dass mehr Kinder merken, wie toll es ist, ein Instrument zu spielen, und dadurch "Kunden" für Musikschulen gewonnen werden; dass Sozialkompetenzen erhöht werden (u.a. auch für "schwierige" Kinder); dass Musikpräferenzen verändert und diversifiziert werden etc.

Gibt es dazu zuverlässige Zahlen und Statistiken, die belegen, wie weit her es ist mit diesen unterstellten Wirkungen?

Sind diese Wirkungen real (was die Daseinsberechtigung derartiger Projekte ja untermauern würde), oder ist das alles nur "Ideologie", ähnlich wie die "Inklusion", jedenfalls so wie sie bislang meist praktiziert wird, eher mehr Probleme geschaffen als gelöst hat?

Vielen Dank,
LG,
Hasenbein
 
Lieber Hasenbein, Zahlen kann ich Dir nicht nennen, aber ein Erlebnis, das alleine schon ausreicht, um den positiven Effekt dieser Grundausbildung zu beschreiben.
Unlängst war ich auf einem Empfang, auf dem die Streicherklasse einer hiesigen Grundschule, die in der absoluten Bronx unserer Stadt angesiedelt ist, einige Beiträge dargeboten hat.
Die Leiterin hatte ein pfiffiges Konzept, auf großen Plakaten den Kindern anzuzeigen, was nun zu spielen sei - also eine Art Teleprompter - und ich habe meinen Ohren nicht getraut, mit welcher Tonsicherheit, mit welchem wunderbarem Zusammenspiel und Begeisterung diese sehr jungen Kinder aller kulturellen Couleurs dort gemeinsam musizierten.
Egal, ob sie später ein Instrument nachhaltig erlernen. Diese Erfahrung nimmt ihnen niemand.
Grundschullehrer sind extrem wichtig. Sie bestimmen die Einstellung zur Schule. Kinder sind von Natur aus neugierig und nehmen, was man ihnen gibt.
Und das muß man unbedingt tun.
 
Ich befürchte, @hasenbein , Dein (verständlicher) Wunsch nach Zahlen und Fakten aus dem Bereich "positive Auswirkungen" wird schlicht daran scheitern, dass das nicht messbar ist.

Hätte ein Kind, das an Jeki teilnimmt, auch ohne das Programm zur Musikschule gefunden? Allein an einer solchen simplen Frage scheitert es ja schon. Warum geht es nicht an eine Musikschule, obwohl es am Jeki-Programm teilgenommen hat?
Wie messe ich eine Sozialkompetenz?

Im Bildungsbereich (egal, in welcher Art von Schule) etwas zu messen ist schier ein Ding der Unmöglichkeit.

Von daher kann ich auch nur das Konzept der Bläser- und Streicherklassen nennen, das ich von meinem Bundesland (BaWü) kenne: Es erleichtert den Familien einen relativ kostengünstigen Einstieg mit der Option, nachher "draufzusatteln" (= den teureren Unterricht in der Musikschule zu buchen), wenn sich echtes Interesse und (ein wenig) Talent zeigen. Und das ist nicht unerheblich, denn - neben den priviliegierten Kindern und den unterprivilegierten Kindern gibt es z.B. auch "mittelprivilegierte" Kinder ohne Migrationshintergrund aus kinderreichen Familien (doch, doch! So etwas gibt es auch!). Die können so ein Instrument kennen lernen und Erfahrungen im Zusammenspiel sammeln, gerade letzteres halte ich für ganz wichtig.

Dazu kommt (bei uns) die enge Zusammenarbeit mit den Musikvereinen (bei den Bläserklassen).

Fazit: Angebote dieser Art sind m.E. ein ganz wichtiges Element unseres Bildungssystems. Meine Flötenlehrerin hat auch (aber natürlich nicht nur) Bläserklassen, sie macht das wohl sehr gerne und berichtete mir z.B., dass ein ADHS-Kind so zu etwas mehr Konzentration kommt.

Sehenswert zu diesem Thema: Der Film "El sistema" über die systematische musikalische Bildung in Venezuela (wobei ich nicht weiß, wie es da aktuell steht, so wie die Situation dort gerade ist).
 
Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass entsprechende Effekte überhaupt messbar und in einer Studie objektiv erfassbar sind. Aus Berufsverbandsperspektive wird das Konzept seit Jahren kritisch beobachtet:
https://www.nmz.de/artikel/jeki-die-zweifel-sind-uebermaechtig

Das ist Dir mit Sicherheit nicht entgangen. Grundsätzlich hat sich bei den Kolleg(inn)en unseres Bezirksverbands daran auch in jüngster Zeit wenig geändert. Vermutlich stehen und fallen Einzelprojekte mit der Fachkompetenz und Einsatzbereitschaft der musikalischen Leitung. Mit „Singpause“-Angeboten sind die Resultate offensichtlich ermutigender: zum einen ist kein Beschaffungsaufwand für das Instrumentarium gegeben und zum anderen gibt es keinen Verdrängungswettbewerb zulasten bestehender Institutionen und Ensembles. Nachwuchssorgen traditioneller Chöre haben andere Gründe. Im Instrumentalbereich hingegen wechseln die meisten, die Billigdienstleistungen in Anspruch nehmen, später meist nicht zu qualifizierteren und teureren Angeboten, vielmehr geben sie meist das Musizieren endgültig auf. Von hoher Fluktuation und sehr hohen Abbrecherquoten habe ich von Kontaktpersonen mit Verbindung zu allgemeinbildenden Schulen allerdings schon sehr oft gehört. Auch ohne Studie bestätigen solche Wahrnehmungen letztlich bestehende Zweifel.

LG von Rheinkultur
 
Ich hab da auch mal eine Frage.
Gibt es dazu zuverlässige Zahlen und Statistiken, die belegen, wie weit her es ist mit der positiven Auswirkung, früh- und spätkindlichen Entwicklung, Sozialkompetenz und motorischer Schulung usw. - wenn Spielplätze gebaut werden oder eben nicht?
 
Ich hab da auch mal eine Frage.
Gibt es dazu zuverlässige Zahlen und Statistiken, die belegen, wie weit her es ist mit der positiven Auswirkung, früh- und spätkindlichen Entwicklung, Sozialkompetenz und motorischer Schulung usw. - wenn Spielplätze gebaut werden oder eben nicht?
Auf jeden Fall lernt man frühkindlich, dass Katzenscheiße stinkt. :lol:
 
Ich kenne auch nur die allgemeine kritische Betrachtung zu Jeki von seiten der Lehrkräfte.

Ich wünsche mir statt Jeki eine deutlich bessere musikalische Ausbildung von Erziehern und vermehrten Ausbau des Angebots von musikalischer Früherziehung in Kindergärten! Das Geld wäre m.E. dort sinnvoller angelegt.

Damit würde man fast alle Kinder erreichen und ihnen eine musikalische Grundausbildung ermöglichen. Zweitens würde die automatische Integration des Instrumentenkarussells an das Ende der Früherziehung den Kindern und Eltern ein musikalisches Angebot (Instrumentalunterricht) machen, das sie je nach Interesse annehmen oder ablehnen können.

Ob man in der Grundschule zwingend das meist schrecklich klingende Spiel von 25 Blockflöten einführen muss (meistens 3. Klasse), ist aus meiner Sicht ebenso fraglich. Da gibt es doch andere Möglichkeiten, mit der Notenschrift umzugehen (moderne Notation, Bodypercussion, Singen, Orffsche Instrumente....).

Liebe Grüße

chiarina
 
Wer kann mir Daten (per Link etc.) nennen darüber, wie es eigentlich - nachdem ja nun schon seit recht vielen Jahren solcher Unterricht gemacht wird - mit den behaupteten positiven Auswirkungen aussieht?

Ist ganz leicht zu googeln:
https://www.bmbf.de/pub/Instrumentalunterricht_in_der_Grundschule.pdf

https://www.amazon.de/Mikrofon-Frag...ttstudie-Instrumentalunterricht/dp/3830931239

https://www.empirische-bildungsforschung-bmbf.de/de/260.php

https://www.empirische-bildungsforschung-bmbf.de/de/275.php

... und noch einiges mehr.
 
@chiarina: Von den Chorverbänden gibt es dazu die Felix-Initiative. Übrigens ein interessantes Terrain für Chöre, die „Liedergarten“-Patenschaften übernehmen oder selbst eine Kinderchor-Abteilung aufmachen wollen, nachdem man mit solchen Angeboten neue Interessentenkreise erschlossen hat. Auf Bezirks-, Landes- und Bundesebene bieten die Chorverbände dazu auch Qualifizierungsmaßnahmen an, um mit Singgruppen altersgerecht attraktive Literatur musizieren zu können. Selbst ein Chorleitungsstudium an einer Hochschule kann nicht alles abdecken.

LG von Rheinkultur
 
Googeln kann man solche Sachen sicherlich. Allerdings kenne ich lokal erfolgreiche Einzelbeispiele und deren verantwortliche Personen. Da Studien nichts über die Umsetzbarkeit am Ort auszusagen vermögen, haben die Initiatoren nicht allzulange gegoogelt und entsprechende Projekte ins Leben gerufen, nachdem die erforderlichen Verbindungen geknüpft waren.

LG von Rheinkultur
 

Hätte ein Kind, das an Jeki teilnimmt, auch ohne das Programm zur Musikschule gefunden? Allein an einer solchen simplen Frage scheitert es ja schon.

Wenn es an dieser Frage scheitert, liegt das einzig allein am mangelnden Willen. Natürlich kann man diese Dinge messen, durch Statistiken von Teilnehmerzahlen in den Musikschulen, durch Umfragen unter Lehrern, schülern, Eltern, etc. Wenn man ein größeres Programm - egal welcher Art - durchführt, dann überlegt man sich auch von Anfang an auch, wie man den Erfolg messen kann. Nicht nur, um später die Weiterführung des Programms zu rechtfertigen, sondern auch, um es verbessern oder bei Problemen gegensteuern zu können. Da ich davon ausgehe, dass die verantwortlichen Mitarbeiter in den Ministerien sich nicht durch Unprofessionalität auszeichnen, bin ich sicher, dass entsprechende Studien existieren. :007:

Hasenbeins Fragen sind absolut berechtigt.
 
Ich wünsche mir statt Jeki eine deutlich bessere musikalische Ausbildung von Erziehern und vermehrten Ausbau des Angebots von musikalischer Früherziehung in Kindergärten! Das Geld wäre m.E. dort sinnvoller angelegt.

Damit würde man fast alle Kinder erreichen und ihnen eine musikalische Grundausbildung ermöglichen. Zweitens würde die automatische Integration des Instrumentenkarussells an das Ende der Früherziehung den Kindern und Eltern ein musikalisches Angebot (Instrumentalunterricht) machen, das sie je nach Interesse annehmen oder ablehnen können.

In unsrer Gegend wird die MFE in einige (leider nicht in alle) Kindergärten integriert. (Extragruppe, freiwillig, ich weiß nicht mehr, ob es umsonst war oder eine sehr bescheidene Summe gezahlt werden musste)
Die musikalische Erziehung der ErzieherInnen scheint in der Tat ein großes Problem zu sein. Da kommt es einfach darauf an, ob sich eine Person bzw. ein Team für Musik interessiert oder nicht. Wenn letzteres der Fall ist: Pech für die Kinder.
Zitat eines Lehrenden an einer bayrischen Fachschule: "Es ist erschreckend, mit wie wenig Kenntnissen und Fähigkeiten im Bereich Musik die angehenden ErzieherInnen bei uns ankommen."
Da ist dann wohl auch nicht mehr viel möglich in der Ausbildungszeit.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich wünsche mir statt Jeki eine deutlich bessere musikalische Ausbildung von Erziehern und vermehrten Ausbau des Angebots von musikalischer Früherziehung in Kindergärten! Das Geld wäre m.E. dort sinnvoller angelegt.
Ein Teil der Arbeit meiner Mutter ist an einer Fachakademie für zukünftige Erzieher, sie unterrichtet dort "Musik" (Singen, Rhythmik etc., im Prinzip elementare Musikpädagogik). Das ist also durchaus ein wichtiger Teil der Ausbildung. Nun gibt es Studenten, die wirklich absolut keine Ahnung haben - ich finde das auch in Ordnung, denn Kindergruppen werden immer von mehreren Erziehern betreut, nicht jeder muss alles können. Trotzdem kann die Ausbildung leider nur rudimentär bleiben... andernfalls müsste so viel Musik Teil der Ausbildung sein, dass es fast einem EMP-Studium gleichkäme. "Musikalische Ausbildung" braucht halt sehr viel Zeit, denn das kann man nicht auswendiglernen, sondern muss von innen heraus ausgebildet werden.
 
Die musikalische Erziehung der ErzieherInnen scheint in der Tat ein großes Problem zu sein. Da kommt es einfach darauf an, ob sich eine Person bzw. ein Team für Musik interessiert oder nicht. Wenn letzteres der Fall ist: Pech für die Kinder.
Zitat eines Lehrenden an einer bayrischen Fachschule: "Es ist erschreckend, mit wie wenig Kenntnissen und Fähigkeiten im Bereich Musik die angehenden ErzieherInnen bei uns ankommen."
Da ist dann wohl auch nicht mehr viel möglich in der Ausbildungszeit.

Das ist also durchaus ein wichtiger Teil der Ausbildung. Nun gibt es Studenten, die wirklich absolut keine Ahnung haben - ich finde das auch in Ordnung, denn Kindergruppen werden immer von mehreren Erziehern betreut, nicht jeder muss alles können. Trotzdem kann die Ausbildung leider nur rudimentär bleiben...

Liebe Blüte,

arbeitet deine Mutter in Bayern? Da weiß ich nicht Bescheid. In anderen Bundesländern sind die mangelnden musikalischen Fähigkeiten der Erzieher ein absolut großes Problem. Das sehen sie auch selbst oft so.

Meine Ansprüche an Erzieher sind vor allem die, dass sie in für Kinder angenehmen Lagen singen können und ein einigermaßen stabiles Rhythmusgefühl haben. Wenn dann noch ein paar Erzieher Gitarre o.ä. spielen können, bin ich schon zufrieden.

Das ist keineswegs der Fall, leider!

Liebe Grüße

chiarina
 
wie weit her es ist mit der positiven Auswirkung,... motorischer Schulung usw. - wenn Spielplätze gebaut werden
Dafür gibt es tatsächlich ein Beispiel aus dem Bau: Gerüstbauer.
Ich finde gerade keine Quelle aber wenn ich mich richtig erinnere, waren oder sind in Kanada bei einem bestimmten Indianervolk die Spielplätze auf den Gerüstbau ausgelegt. Dort lernen die Kinder schon von Kindesbeinen an spielerisch das ungesicherte Klettern und Ausbalancieren in Höhen auf schmalen Bambusstangen.
 
Ob man in der Grundschule zwingend das meist schrecklich klingende Spiel von 25 Blockflöten einführen muss (meistens 3. Klasse), ist aus meiner Sicht ebenso fraglich.
Dem allerdings sollte gerade jeki entgegenstehen. Auswahl soll ja gerade Instrumente betreffen, die im Orchester eingesetzt werden.
Also teurer Klaviereinzelunterricht gehört nicht dazu. In Hamburg haben 61 von 222 Grundschulen jeki zum Regelunterricht gemacht.
Z. B. https://schule-lemsahl-mellingstedt.hamburg.de/musisches-profil/
 
Ich lach mich Tod, in welcher Welt lebt Ihr, als wenn sich Eltern die gerade so über die Runden kommen ein Musikschule leisten können.
 

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