Struktur einer guten Übungsstunde daheim

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Esperanza

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3. Jan. 2021
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Hallo ihr Lieben,

heute habe ich eine konkrete Frage an euch KL-Lehrenden:
Wie würdet ihr euch eine gut strukturierte Übungsstunde bei eurem Schüler/eurer Schülerin zu Hause vorstellen, damit sie auch wirklichen Effekt erzielen kann?

Also beim Sport wärmt man sich ja bspw. auf, in der Schule wird häufig mit einer Wiederholung zu Beginn gestartet oder erst was theoretisches erklärt, was dann geübt wird. Solche Strukturen gibt es beim Klavierlernen ja mit Sicherheit auch.

Wenn sich der/die Schüler/in also außerhalb der Klavierunterrichtsstunden weiterentwickeln möchte: wie geht er das ganze systematisch an? Nehmen wir mal an, es steht eine Übungszeit von 45min zur Verfügung - wie würdet ihr empfehlen sie zu füllen?

Ich danke im Voraus und wünsche schöne Pfingsten!
 
Dass hier bisher keine Antworten gekommen sind, liegt vermutlich daran, dass sich deine Frage nicht pauschal beantworten lässt. Es hängt von so vielen Faktoren ab, z.B. vom jeweiligen Stand des Schülers (Spielniveau, Fähigkeit des eigenständigen (Er-)Arbeitens), vom konkreten Unterrichtsinhalt (Literaturspiel, Improvisation), vom Anspruch und Umfang des Stücks usw.

Ganz allgemein formuliert, sieht für mich gutes Üben nach einer Unterrichtsstunde so aus:

1. Mit etwas beginnen, das man gut kann, ggf. auch eine langsame, meditative Improvisation, bei der man den Klängen ganz bewusst zuhört.

2. Am Stück die Stelle oder Teile üben, die einem am schwersten fallen. Dabei die Übemethoden anwenden, die im Unterricht eingeführt worden sind.

3. Stellen oder Teile spielen, die einem leichter fallen. Dabei möglichst ohne Unterbrechung durchspielen, aber registrieren, welche Stellen Probleme machen.

4. Diese Stellen mit geeigneten Methoden üben.

5. Wiederholung von Punkt 3

6. Wiederholung von Punkt 2

7. ggf. Punkte 2-6 auf ein anderes Stück anwenden

Außerdem wichtig sind immer wieder kurze Pausen, auch innerhalb von 30 oder 45 Minuten. Besonders effektiv sind diese Pausen, wenn man währenddessen für ca. 30-60 Sekunden im Raum herumgeht. Dadurch, vermutlich durch die motorische Abwechslung, prägt sich das soeben Gelernte besonders gut ein.

Natürlich gibt es auch andere Vorgehensweisen beim Üben. Dies ist nur eine von vielen.
 
Aufwärmen ist durchaus beim Instrument sinnvoll, dient es doch der physischen und auch psychischen Vorbereitung auf den Sog, den gutes Üben auslöst. Es kann durchaus auch mit Gymnastik beginnen, mit Choreographieübungen am Klavier (Kreisungen, Schwünge, Transporte von Akkorden), am liebsten dies alles ohne Noten.
Das erste Stück könnte das sein, bei dem man besondere Freude hat - das hängt natürlich vom Menschen ab, wie bei den leckeren Dingen auf dem Teller: Die einen essen die zuerst, die anderen heben sie sich auf...
Mal grob gesagt: Vom Großen in´s Kleine gehen, hängt ja sehr vom Repertoire ab. Wichtig ist, dass man sowohl kleinteilig, als auch in großen Zusammenhängen üben sollte. Beispielsweise nach dem Basteln an Problemstellen einmal das ganze Stück durchspielen, um zu fühlen, wie es sich so insgesamt anfühlt.
In einer Einheit von 45 Minuten braucht man nicht aufzustehen, es sei denn, man ist noch sehr jung. Das ist eine schöne Einheit, bei der sich der gesamte Übeapparat richtig schön einnordet. In der Mitte des Übens liegt also die Kleinteiligkeit, am Ende kann man sich mit Vomblattspielen oder Spielen älterer Stücke belohnen.

Das ist eine Möglichkeit, wie man das Üben anlegen könnte. Wenn´s ganz doof ist, kann man auch aufstehen, Kaffee trinken und zu späterer Zeit nochmal ans instrument.
Und natürlich ist das bei jedem Menschen anders.
 
Ist das Deine eigene Wahrnehmung, @Demian, oder ist diese Erkenntnis irgendwo belegt?
Ein Klavier-Professor von der Musikhochschule hat dies all seinen Studenten geraten. Irgendwo (ich finde den Beitrag leider nicht mehr) hat @Stilblüte in einem Faden mit Übungstipps genau das Gleiche empfohlen (allerdings mit der Zeitangabe von 2 Minuten), um eine Verbesserung motorischer und musikalischer Abläufe zu erzielen. Nach meiner Erfahrung (auch beim Unterrichten) reichen 30-60 Sekunden aus.

Und entgegen @Tastatula (falls ich sie richtig verstanden habe) bin ich der Meinung, dass auch in einer Übeeinheit von 45 Minuten Mini-Pausen sinnvoll und nötig sind.
 
Aus der Lernpsychologie weiß man, dass Dinge die man zu Beginn einer Einheit und zum Ende einer Einheit lernt, am beaten hängen bleiben.

Vielleicht daher nicht allzu lange warm spielen? Dann die harten Brocken zuerst, dann Repertoire / was einem leicht fällt / Spaß haben und am Ende vielleicht die harten Nüsse noch mal wiederholen z.B. im aktuellen Stück?

(Disclaimer: ich bin nur Psychologin, keine Klavierlehrerin)
 
@Asya
Des entspricht ja im Prinzip dem Aufbau, wie ich ihn empfohlen habe.
 
Zuletzt bearbeitet:
Danke schonmal, das bringt mich tatsächlich weiter und in gewisser Weise erfreut es mich, dass ich das wohl intuitiv schon so mache, wie ihr es hier empfohlen habt. Das mit der Pause ergibt sich für mich schon zwingend, weil ich nach 5-10 mal die schwierige Stelle spielen merke, dass mein Kopf kurzzeitig Entlastung fordert.

Demian oder auch alle anderen: gibt es bestimmte Übungsmethoden(Verweis auf Punkt 4 von demian), die ihr ad hoc, gern auch mit Literatur belegt, empfehlen könnt? Im Schulkontext (bin Lehrerin) gibt es ja durchaus Methodenhefte für die Unterrichtsplanung, deshalb erlaube ich mir diese freche Frage mal. Ich würde es gern einfach richtig machen - als Mutter und Berufstätige hat man bekanntermaßen nur wenig Zeit, daher soll diese effizient genutzt werden.
 
Demian oder auch alle anderen: gibt es bestimmte Übungsmethoden(Verweis auf Punkt 4 von demian), die ihr ad hoc, gern auch mit Literatur belegt, empfehlen könnt?
Vorab: Eine "freche Frage" ist das überhaupt nicht.

Da gibt es sooo viel... Leider ergibt es wenig Sinn, dir einfach Übungen zu empfehlen, weil diese immer auf das konkrete Stück bzw. technisch-musikalische Problem abgestimmt sein müssen.

Ein Grundprinzip, vielleicht das wichtigste überhaupt, ist Variantenbildung. Das Gehirn lernt am besten, wenn es das Gleiche nicht ständig auf gleiche Weise wiederholt, sondern wenn es das Gleiche sozusagen immer wieder neu verpackt bekommt. Und da gibt es nahezu unendlich viele Möglichkeiten, die ein/e Klavierlehr/in auf dich passend zuschneiden kann.

Sehr ans Herz legen möchte ich dir die Website einer herausragend guten Klavierpädagogin (die auch hier im Forum immer mal wieder aktiv ist):



Eine Auflistung von Übungen und Strategien, die du vermutlich meinst, findest du auch auf ihrer Website:



... und noch viel mehr.

Allerdings kann nur Klavierunterricht dich wirklich weiterbringen, weil nur ein/e Klavierlehrer/in auswählen kann, was für dich im konkreten Fall sinnvoll ist.
 
Ein wertvoller Text, @Marlene!

(Den Tipp im Absatz "Wärmen durch Einspielen" zu den Doppelgriffen /Terzparallelen) halte ich allerdings nur für sehr weit Fortgeschrittene für sinnvoll. Da sind für Anfänger und noch nicht so weit Fortgeschrittene einfache Fünftonfolgen besser geeignet.)
 

Und entgegen @Tastatula (falls ich sie richtig verstanden habe) bin ich der Meinung, dass auch in einer Übeeinheit von 45 Minuten Mini-Pausen sinnvoll und nötig sind
ja, so sind die Menschen verschieden. Ich finde Pausen auch sehr sinnvoll, aber während einer 45 minütigen Einheit aufzustehen und zu pausieren würde mir jetzt nicht in den Sinn kommen, nein, es würde mich aus dem Konzept bringen. Aber natürlich spielt ja auch das Repertoire eine Rolle, wie lange man schon Unterricht hat, wie fortgeschritten man ist. Deshalb kann das für manche Menschen gut sein. In meinem Unterricht lasse ich nur die kleinen aufstehen, die Studies bleiben überwiegend am Instrument. Pausen werden jedenfalls keine gemacht.
Ob das gut wäre, ist mir noch nie in den Sinn gekommen...
 
Ein Klavier-Professor von der Musikhochschule hat dies all seinen Studenten geraten.
Stichwort „Bewegtes Lernen“. Gibt viel dazu, nicht nur beim Instrument.🤗

Ich für mich habe festgestellt dass allein das aufstehen einen Effekt hat. Manchmal bastelt man lang an einer Stelle und dann geht die nach zig versuchen, aber nicht mehr nach kurzer Pause. Ich habe das Gefühl es ist effektiver kürzer dran zu basteln und öfter „neu hinzugehen“, man bekommt einen besseren Überblick und keinen Tunnelblick.
 

Aber genau genommen bewegt man sich beim Klavierspielen ja schon. Aber ich glaube auch dass sich gezielt dazwischen bewegen hilft den ganzen Körper einzusetzen und „den Körper spüren“ zu erhalten.

Im Unterricht würd ich das aber auch nicht machen, einfach spazieren zu gehen.
 
ja, so sind die Menschen verschieden. Ich finde Pausen auch sehr sinnvoll, aber während einer 45 minütigen Einheit aufzustehen und zu pausieren würde mir jetzt nicht in den Sinn kommen, nein, es würde mich aus dem Konzept bringen. Aber natürlich spielt ja auch das Repertoire eine Rolle, wie lange man schon Unterricht hat, wie fortgeschritten man ist. Deshalb kann das für manche Menschen gut sein. In meinem Unterricht lasse ich nur die kleinen aufstehen, die Studies bleiben überwiegend am Instrument. Pausen werden jedenfalls keine gemacht.
Ob das gut wäre, ist mir noch nie in den Sinn gekommen...
Es gibt überhaupt keine Indizien dafür, zu glauben, es sei irgendwie besser oder gewinnbringender, während einer Übesitzung die ganze Zeit sitzen zu bleiben. Ich mein', heutzutage pfeifen es ja nun wirklich die Spatzen von den Dächern, wie schädlich insbesondere längeres Sitzen ist - und ausgerechnet beim Klavierspielen soll es anders sein?

Mir fällt eigentlich kaum etwas anderes ein als Grund für Deinen eigenartigen Glaubenssatz, Tastatula, als dass Du vielleicht schon früh in Deinem Leben irgendwie gelernt hast "gutes Üben = möglichst lange am Stück üben" kombiniert mit "gutes Üben erfordert harte Konzentration, und diese wiederum erfordert die ganze Zeit Stillsitzen sowie eine Art 'Tunnelblick'."

Alles natürlich von der Lernforschung schon lange debunked.
 
ad Bewegtes Lernen: Ein schlauer Mensch, der Philosophie und Medizin studiert hat, sagte mir mal, dass die Peripatetiker deswegen so heißen, weil sie beim Denken umherlaufen (peripatein) und durch dieses leichte Schütteln das Gehirn anregen. Medizinisch sei da was dran. Die Etymologie gilt lt. Wiki-Artikel Peripatos allerdings nur als "populär".
 
Ich finde 45 Minuten nun wirklich nicht lang zum Durchsitzen.
Wenn wir im Trio bei einem langen Satz von Brahms den Wecker auf 45' setzten, würden wir überhaupt nicht befriedigend fertig werden. 60 Minuten ist so die Ecke, dann muss sowieso neu gestimmt werden.

Ich dachte, hier geht es um Sitzzeiten von deutlich mehr als einer Stunde.
 
ja, so sind die Menschen verschieden. Ich finde Pausen auch sehr sinnvoll, aber während einer 45 minütigen Einheit aufzustehen und zu pausieren würde mir jetzt nicht in den Sinn kommen, nein, es würde mich aus dem Konzept bringen. Aber natürlich spielt ja auch das Repertoire eine Rolle, wie lange man schon Unterricht hat, wie fortgeschritten man ist. Deshalb kann das für manche Menschen gut sein. In meinem Unterricht lasse ich nur die kleinen aufstehen, die Studies bleiben überwiegend am Instrument. Pausen werden jedenfalls keine gemacht.
Ob das gut wäre, ist mir noch nie in den Sinn gekommen...

Das klingt für mich, als würde es sich auf die Unterrichtssituation beziehen und nicht auf das eigenständige Üben.

45 bis 60 Minuten Unterricht ohne Aufstehen sind für mich auch kein Problem, meine Übezeit unterteile ich mir aber meist intuitiv in Abschnitte von 15 - 30 Minuten, und da merke ich dann, dass ich aufstehen und etwas anderes machen muss.
 
Dass es Situationen bzw. Stücke gibt, wo man halt länger sitzen bleiben bzw. am Stück spielen muss, steht ja außer Frage - darum geht es hier aber nicht.

Abseits dieser Sondersituationen (die für Hobbyspieler oder auch für Pop- und Jazzpianisten eher nicht relevant sind) Einwände dagegen zu haben, öfter mal Pausen zu machen und dabei den Körper in andere Positionen zu bringen bzw. sich etwas zu bewegen, halte ich für ausgesprochen sonderbar und uninformiert.
 

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