Strawinsky als Komponist

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Strawinsky als Komponist

Künstlerisch-naturwissenschaftliche Doppelbegabungen gibt es häufiger, als sich die übliche Biographik träumen läßt. Zwar sind schon ein paar Beispiele feuilletonistisch ausgeschlachtet worden, fast bis zum Überdruß: die Malerei des italienischen Patentesammlers Leonardo da Vinci, die skurrilen Gedankenspiele des schwäbischen Primgeigers Albert Einstein – oder jene Possen und Melodramen, die man seit langer Zeit dem englischen Brauereibesitzer William Shakespeare anzudichten versucht.

Das ist nichts gegen die krude Wirklichkeit, die bekanntlich die besten Geschichten schreibt, zum Beispiel in Gestalt der akademischen, juristisch geschulten Intelligenz des russischen Zarenreichs am Vorabend der Oktoberrevolution: Meisterdenker ihrer Zunft, die nebenher ein Faible für das Schöne hatten. Von Wassily Kandinsky, dem Autor der scharfsinnigen Monographie „Über die Gesetzmäßigkeit der Arbeiterlöhne“ (Moskau, 1893), weiß man, daß er auch gemalt hat. Sogar der zunehmende Deutlichkeitsverlust auf seinen Bildern wurde schon ophthalmologisch ausgewertet. Einen weiteren Fall präsentiert jetzt Nadina Sokolowa unter dem Titel „Beruf verfehlt?“ in der jüngsten Ausgabe von „Russkaja musika“ (01/2021): Igor Strawinsky, der brillante Meisterdenker, Verfasser etlicher Proseminar- und Klausurarbeiten über juristische Themen, das visionäre Haupt der „Sankt Petersburger Juristenschule“, war ein Leben lang der Musik zugetan. Die in seinem Nachlaß aufgetauchten Skizzen und Partiturentwürfe haben Frau Sokolowa veranlaßt, Strawinskys kompliziertes Leben konsequent auf künstlerische Aktivitäten hin zu untersuchen, und sie ist auf erstaunliche Weise fündig geworden.

Musikalische Begabung war in Strawinskys Familie durchaus anzutreffen. Fjodor, der Vater, war als Bassist 26 Jahre lang ein festes Ensemblemitglied des Petersburger Mariinski-Theaters. Strawinskys frühverstorbener Bruder Gury muß die Musikalität des Vaters geerbt haben. Ihm wurde eine schöne Baritonstimme nachgesagt. Der junge Igor hatte weniger Glück. Er nahm zwar Klavierunterricht und versuchte auch, sich in Musikerkreisen Gehör zu verschaffen – aber mit durchweg negativem Ergebnis. Er diente sich Alexander Glasunow an, mit der Klaviertranskription eines Glasunow-Streichquartetts, und erreichte das Gegenteil: Der sich qua Transkription so verhunzt fühlende Großmeister der russischen Symphonik bescheinigte Strawinsky, absolut unmusikalisch zu sein. Mehr Erfolg hatte der aufstrebende Jungjurist bei Rimsky-Korsakow. Der Altmeister des „Mächtigen Häufleins“ sah wohl mit einiger Bestürzung Strawinskys Kompositionsversuche und konnte dem jungen Mann immerhin vom Konservatorium abraten, dessen Aufnahmeprüfung Strawinsky nie bestanden hätte. Aber Rimsky-Korsakow war gerissen genug, dem eleganten Nachwuchsjuristen Privatunterricht zu empfehlen, und zwar am besten bei ihm selbst, dem Meister, i.e. Rimsky-Korsakow. Man darf nicht vergessen: Strawinsky war ein reicher Mann, im wahrsten Wortsinne begütert (bis zur Enteignung durch die Bolschewiki), mit einem Landgut in Wolhynien, das genug Knete abwarf für ein ausschweifendes Leben als Petersburger Dandy. Diese Geldquelle durfte man sich nicht entgehen lassen.

Also saß der schon nicht mehr ganz so junge Igor auf einem Hocker neben Rimsky, dem letzten der fünf „Novatoren“, und durfte ihm beim Klavierspiel die Noten umblättern. Er lernte wohl auch Tonsatz-Grundregeln (den vierstimmigen Chorsatz) und durfte unter Aufsicht des Meisters Klavierstücke instrumentieren. Das ging einige Jahre lang gut (Rimsky-Korsakow + 21.Juni 1908) und reichte Strawinsky aus, um sich danach in den bei Osteuropäern so beliebten deutschen Kurbädern (plus Spielcasino) oder proto-exilrussischen Gemeinden in Paris, Nizza und Monte Carlo am Klavier mit Potpourris heimatlicher Volksweisen hervorzutun. Speziell dies, die potpourri-artige Aneinanderreihung oder quodlibet-hafte Verschränkung von Elementen osteuropäischer Folklore, bäuerlicher Tanzstücke, von Arbeits- und Hochzeitsliedern bis hin zum Abzählreim für Kinder, wurde bei Strawinsky zu einer wahren Obsession, die ihn im Paris der Vorkriegsjahre (WK I) sogar die Öffentlichkeit suchen ließ. Mit „Жаръ – птица“ (Der hitzige Vogel), „Петрушка“ (Petersilie), und „Весна священная“ (Die Frühlingsoper), sind mindestens drei Events nachweisbar, an denen sich Strawinsky – laut Besetzungsplan und Theaterzettel – beteiligt haben muß, später noch ergänzt durch „Les Noces“ (Die Nächte) für Gesangsquartett, Männer-, Frauenchor und Klavier plus Schlagwerk: der reinste Musikantenstadl, nur auf Russisch, dargeboten in farbenprächtiger Bauerntracht und naiv gemalten Kulissen, die einem urbanen Publikum das Dorfleben als exotischen Schaureiz nacherlebbar machen sollten. Tatsächlich ist dieser frühe Strawinsky am besten zu begreifen, wenn man sich ihn als einen russischen Carl Orff vorstellt (nur ohne dessen eminente Begabung).

Aber der Krieg und zwei Revolutionen hatten alles verändert, und der inzwischen vaterlands-, besitz- und arbeitslose Jurist wurde das erste Mal verhaltensauffällig, zumindest musikalisch: mit einer Ballettpartitur, die er für Serge Diaghilew schreiben sollte. Der große Impresario hatte von Strawinskys Geldsorgen gehört, und aus einer Geste landsmannschaftlicher Solidarität heraus verhalf er dem depravierten Großbürger zu einem Kompositionsauftrag: der Orchestrierung kleiner Kammermusikstücke und Arien aus der Feder Giambattista Pergolesis (wie man damals dachte) für ein Pasticcio namens „Pulcinella“ (Kleines Küken). Das ging natürlich schief. Strawinsky hatte keine Ahnung von der Besetzung eines Barockorchesters, und sein Mangel an Tonsatzkenntnissen verdarb ihm alles. Statt sich um die korrekte Ausnotierung eines bezifferten Generalbasses zu kümmern, und zwar im Geiste des seinerzeit harmonisch zulässigen, ersetzte oder ergänzte er die barocken Harmoniefolgen durch Orgelpunkte, wie sie ihm aus der russischen Volks- und Kirchenmusik vertraut waren. Das führte zu dissonanten Reibungen, absurden Stimmverläufen. Klanglich gipfelte das Werk in einem Duo für glissandierende Posaune und Kontrabaß. Diaghilew war zu Recht entsetzt, aber für eine Neufassung der Neufassung war es zu spät, der Uraufführungstermin stand fest, und so kam „Pulcinella“ in Strawinskys entstellender Version zu Gehör. Natürlich wurde die Insuffizienz der Partitur in der Fachwelt gebührend gewürdigt. Aber als ein Kuriosum ist doch zu vermerken, daß die Unbeholfenheit ihrer Stimmführung musikgeschichtliche Folgen hatte: bei seriösen Komponisten wie Francis Poulenc, der den Reiz einer solchen Dissonanzbehandlung als Stilmittel in seine eklektische Tonsprache zu integrieren verstand.

Strawinskys finanzielle Situation war jedenfalls heikel. Für die Approbation als Rechtsanwalt fehlte ihm der nach westeuropäischem Verständnis nötige Studienabschluß. Für seine bedeutenden rechtswissenschaftlichen Arbeiten fand sich kein französischer Übersetzer, erst recht kein Verlag. Nur durch Gönner wie Diaghilew, Kussewizky und Ida Rubinstein bekam „Fürst Igor“ kleine Arrangieraufträge zugeschanzt, die ihm zu überleben halfen, wobei man Diaghilew nicht hoch genug rühmen kann, der immer auch Laien in seine Arbeit einzubinden oder Künstler zu Grenzüberschreitungen zu überreden versuchte (und sogar den ukrainischen Pianisten S.Prokofjew zur Komposition eigener Musik angeregt haben soll). Strawinsky versah jedenfalls ganze Stapel jungfräulichen Notenpapiers mit Schlüsseln und Taktstrichen, Notenbäuchen und -hälsen, wie ein professioneller Arrangeur, Kopist oder Komponist. Er schrieb drei Chorstücke auf kirchenslawischer Textbasis, wohl für eine Aufführung in der orthodoxen Pariser Alexander-Newski-Kathedrale gedacht, dem Tummelplatz russischer Exilanten, und schuf eine neue Ballettpartitur, „Le baiser de la fée“ (Feen-Beischlaf [?]), dieses Mal auf einer gesicherten Materialbasis: Lieder und Klavierstücke von Peter Tschaikowsky.

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Vor den Bedrängnissen des neuen Krieges (WK II) floh Strawinsky dann nach Amerika, ohne daß es ihm dort besser ergangen wäre. Auch in den USA fand sich kein Verlag für seine Schriften, auch nicht für seine neuen, am Neothomismus Jacques Maritains geschulten rechtsphilosophischen Überlegungen, und wieder fehlten ihm die Voraussetzungen für eine Zulassung als Rechtsanwalt. Wieder mußte er sich mit kleinen Brotarbeiten über Wasser halten. Der 14. Januar 1944 hätte sein musikalischer Glückstag werden können. Durch Freunde vermittelt, bekam Strawinsky die Möglichkeit, im Rahmen eines Konzertabends ein richtiges Symphonieorchester zu dirigieren. Aber wie zu Kriegszeiten üblich, sollte das Konzert mit der amerikanischen Nationalhymne beginnen, und der Russe hatte es sich nicht nehmen lassen, die „Star-Spangled Banner“-Melodie selber zu orchestrieren und nach eigenem Gusto zu harmonisieren, und das ging prompt wieder schief. Das Publikum, wie ein Pawlowscher Hund konditioniert, stehend und mit der rechten Hand auf dem Herzen die Hymne mitzusingen, blieb auf den Stühlen sitzen, weil es die Melodie nicht wiedererkannte, und nach Konzertende war auch schon der ortsansässige Sheriff da, um die Orchesterstimmen zu konfiszieren und Strawinsky mit juristischen Konsequenzen zu drohen. Was war geschehen? Strawinsky hatte nicht nur gegen die ewigen Gesetze der Harmonie, sondern auch gegen ein Gesetz des Bundesstaates Massachusetts verstoßen, das eine Verballhornung der Nationalhymne verbietet.

In Hollywood suchte der arme Mann sein Glück als Filmmusik-Lieferant, wie so viele, aber was er als Probepartitur ablieferte, zum Beispiel für „The Song of Bernadette“ (Bernadettes Gesang, nach einer Idee des tschechischen Humoristen František Werfel), überzeugte die Studiobosse nicht. Er schrieb Tanzmusik (einen Tango), Stücke für Jazzorchester (Ebenholz-Konzert), für den Broadway (Ballettszenen) und den Zirkus (eine Polka) – ohne Erfolg. Er versuchte, wieder an klassische Musik anzuknüpfen, ließ sich Klavierauszüge diverser Mozart- und Händel-Opern kommen und schrieb dann seine eigene abendfüllende Oper, „The Rake’s Progress“ (Der Fortschritt eines Rackers), aus lauter Stilzitaten von Mozart bis (Monte-)Verdi zusammengeleimt. Kein Theater wollte dieses Unicum aufführen. Der mit Strawinsky befreundete Komponist und CIA-Agent Nicolas Nabokow und ein paar Zechowiki stellten schließlich den Kontakt zum Venezianischen Teatro La Fenice her (wohl über Don Corleone, den mächtigen Impresario, der auch Schlagerbarden wie Francesco Sinatra den Weg nach Hollywood geebnet hatte), wo das Stück dann als klassischer Uraufführungs-Flop endete.

Und so könnte diese Geschichte eines doppelkontinental gescheiterten, von den Musen geradezu auffällig ungeküßt gebliebenen Mannes enden. Aber Nadina Sokolowa (oder eben doch das Leben, das die verrücktesten Geschichten schreibt) leistet sich zum Schluß ihrer Recherche ein etwas plump wirkendes, völlig unglaubwürdiges happy end in Gestalt des österreichischen Bankiers und Finanzmoguls Arnold Schönberg, von dem man erfährt, daß er ebenfalls Musik gemacht hat – wenn auch sehr reduziert: nur mit zwölf Tönen. Schönbergs kurioses Hobby wurde über Nacht zur Norm, die Zwölf zur Glückszahl der Nachkriegsavantgarde, das Reihenprinzip zum Generator einer Überfülle unanhörbarer Musik. Da fing auch Strawinsky an, seine Werke aus (Zwölf-)Tonreihen abzuleiten – und plötzlich gab es keine falschen Töne mehr. Ein geradezu biblisches Wunder! Was immer erklang, war durch den Reihenverlauf legitimiert. Strawinsky konnte wild draufloskomponieren, ohne für schräge Töne gescholten oder gar verhaftet zu werden. Mit seiner Katzenmusik (Berceuses du chat) wurde Strawinsky im Greisenalter fast so etwas wie ein vollgültiger Ersatz für jenen großen Erfolg zuteil, den er im Leben niemals finden sollte.

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Was für ein toller Beitrag! das zu lesen, macht den Tag zu was ganz Besonderem!
danke Dir!
 
Strawinsky als Komponist

(...) die Malerei des italienischen Patentesammlers Leonardo da Vinci, die skurrilen Gedankenspiele des schwäbischen Primgeigers Albert Einstein – oder jene Possen und Melodramen, die man seit langer Zeit dem englischen Brauereibesitzer William Shakespeare anzudichten versucht.
(...)Von Wassily Kandinsky, dem Autor der scharfsinnigen Monographie „Über die Gesetzmäßigkeit der Arbeiterlöhne“ (Moskau, 1893), weiß man, daß er auch gemalt hat. (...) Igor Strawinsky, der brillante Meisterdenker, Verfasser etlicher Proseminar- und Klausurarbeiten über juristische Themen, das visionäre Haupt der „Sankt Petersburger Juristenschule“, war ein Leben lang der Musik zugetan. (...) Der Altmeister des „Mächtigen Häufleins“ sah wohl mit einiger Bestürzung Strawinskys Kompositionsversuche und konnte dem jungen Mann immerhin vom Konservatorium abraten, dessen Aufnahmeprüfung Strawinsky nie bestanden hätte. (...)Er lernte wohl auch Tonsatz-Grundregeln (den vierstimmigen Chorsatz) und durfte unter Aufsicht des Meisters Klavierstücke instrumentieren. (...) am Klavier mit Potpourris heimatlicher Volksweisen hervorzutun. Speziell dies, die potpourri-artige Aneinanderreihung oder quodlibet-hafte Verschränkung von Elementen osteuropäischer Folklore, bäuerlicher Tanzstücke, von Arbeits- und Hochzeitsliedern bis hin zum Abzählreim für Kinder, wurde bei Strawinsky zu einer wahren Obsession (...) der reinste Musikantenstadl, nur auf Russisch, dargeboten in farbenprächtiger Bauerntracht und naiv gemalten Kulissen, die einem urbanen Publikum das Dorfleben als exotischen Schaureiz nacherlebbar machen sollten. Tatsächlich ist dieser frühe Strawinsky am besten zu begreifen, wenn man sich ihn als einen russischen Carl Orff vorstellt (nur ohne dessen eminente Begabung).

(...) Das ging natürlich schief. Strawinsky hatte keine Ahnung von der Besetzung eines Barockorchesters, und sein Mangel an Tonsatzkenntnissen verdarb ihm alles. Statt sich um die korrekte Ausnotierung eines bezifferten Generalbasses zu kümmern, und zwar im Geiste des seinerzeit harmonisch zulässigen, ersetzte oder ergänzte er die barocken Harmoniefolgen durch Orgelpunkte, wie sie ihm aus der russischen Volks- und Kirchenmusik vertraut waren. Das führte zu dissonanten Reibungen, absurden Stimmverläufen. Klanglich gipfelte das Werk in einem Duo für glissandierende Posaune und Kontrabaß. Diaghilew war zu Recht entsetzt, aber für eine Neufassung der Neufassung war es zu spät, der Uraufführungstermin stand fest, und so kam „Pulcinella“ in Strawinskys entstellender Version zu Gehör. Natürlich wurde die Insuffizienz der Partitur in der Fachwelt gebührend gewürdigt. Aber als ein Kuriosum ist doch zu vermerken, daß die Unbeholfenheit ihrer Stimmführung musikgeschichtliche Folgen hatte: bei seriösen Komponisten wie Francis Poulenc, der den Reiz einer solchen Dissonanzbehandlung als Stilmittel in seine eklektische Tonsprache zu integrieren verstand.
Nein, es hat keinen Sinn. Ich versuche gerade, all das zu zitieren, bei dem ich kichernd und gackernd am Boden lag wie ein Osterhase, der zu viel Eierlikör genossen hat, aber vergebens: ich müsste alles zitieren!

Ein absolut köstlicher Aprilscherz, genial und zum Brüllen!!! Lieben Dank, lieber Gomez für dieses tolle Geschenk!!! Viel zu schade nur fürs Forum!

"Österreichischer Bankier und Finanzmogul Arnold Schönberg" - ich werde es nie vergessen!

Kreisch! 1617279075319.png 1617279099415.png 1617279135346.png

chiarina
 
Ich finde, die unvollendet gebliebene Auftragsarbeit Strawinkskis für die Genfer Freimaurerloge mit dem Arbeitstitel "Le Sac du Cement" aus dem Jahr 1972 kommt in dem ansonsten brilliant recherchierten Artikel etwas zu kurz.

ooops. zu spät...
 
Aprilscherz? hoffentlich nicht. Dann hätte ich jetzt echt ein Problem. Wie kriege ich das ganze neue falsche Wissen dann nur wieder aus meinem Kopf?
Sowas fände ich gelinde gesagt eine echt rüchsichtslose Aktion von diesem gomez..

Nachtrag: und die Moderation würde ich dann bitten, mein vorschnell gewährtes "Like" wieder zurückzusetzen.
 
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Beethoven war taub und deshalb zum Musik machen nicht zu gebrauchen. Also probierte er es mit dem Malen. Weil Notenpapier billiger war als Leinwand, schmierte er Papierbögen mit unleserlichem Zeug voll. Weil er manchmal Notenlinien traf und sehr oft nur knapp daneben zielte, kam irgend so ein Typ darauf, dass sich das öfter mal nach Musik anhörte. Könnte das ideale Vorbild für diese personifizierte Lachnummer namens Strawitzky oder so gewesen sein.

In diesem Fahrwasser war auch der Franzose Debussy unterwegs. Ihm widmete ein süddeutscher Absolvent eines humoristischen Gumminasiums in einer Musikarbeit eine leicht gekürzte Lebensbeschreibung: "Claude Debussy fiel am Pariser Konservatorium durch ständiges Falschkomponieren auf. (...) Debussy war eben andersherum als die anderen Männer am Konservatorium." - Weil diese Erkenntnis in eine Stilblütensammlung nebst Sprüchen wie "Kürzlich besichtigten wir die Orgel in der hiesigen Stiftskirche. Außer uns sah man viele, viele Pfeifen." aufgenommen wurde, hatte man einen weiteren Komponanisten wiederentdeckt und vor dem Vergessen gerettet.

Damit das frischgebackene Geburtstagskind Gomez (herzlichen Glückwunsch nachträglich) nicht vor lauter Lobhudelei für seine Strawitzky-Kurzbiographie bekloppt wird und durchdreht wie so ein durchgeknallter Komponanist, muss ich ein paar minimale Präzisierungen anbringen:
Also saß der schon nicht mehr ganz so junge Igor auf einem Hocker neben Rimsky, dem letzten der fünf „Novatoren“, und durfte ihm beim Klavierspiel die Noten umblättern.
Ein gewichtiger Teil der Lebensleistung des Novators Cesar Cui bestand darin, zehn Jahre länger als Rimsky gelebt zu haben. Das machte seine Musik zwar nicht besser, aber Rimsky eben nur zur Nummer Zwei. Dafür ist nach dem letzteren das Korsakow-Syndrom benannt, das man nach zu viel Saufen bekommen kann. Passiert bei manchen Russen, bei denen der letzte Wodka schlecht war.
und schrieb dann seine eigene abendfüllende Oper, „The Rake’s Progress“ (Der Fortschritt eines Rackers)
(...)
Mit seiner Katzenmusik (Berceuses du chat) wurde Strawinsky im Greisenalter fast so etwas wie ein vollgültiger Ersatz für jenen großen Erfolg zuteil, den er im Leben niemals finden sollte.
"Der Fortschritt eines Rackers"? Schwache Übersetzung. "Das Wegrennen eines Rackers" trifft es besser; je beweglicher bewegliche Ziele sind, desto schlechter kann man sie treffen. Überlebenswichtige Voraussetzung für den "Schlussapplaus" nach der Premiere, um nicht dem Tomatenhagel aus dem Zuschauerraum zum Opfer zu fallen. Nicht verschwiegen werden darf der Umstand, dass die "Katzenwiegenlieder" erst vierzig Jahre nach ihrer Entstehung beim zweiten Anlauf Erfolg hatten, weil Strawitzky beim ersten Mal wieder einmal den Fehler machte, Musik schreiben zu wollen. Das konnte ja nix werden. Die Erfindung der Dodekakophonie war ein Segen! Und Strawitzky war immer sehr geschäftstüchtig: wenn man alten Kram von früher noch mal abschrieb, konnte man so tun, als wenn man mal wieder was Neues herausgebracht hätte. Deshalb hat der ja sein altes Zeug zigmal bearbeitet, um jedes mal neue Kohle einzusacken. Einmal Petersburger Dandy, immer Petersburger Dandy - und ohne Moos nix los.

Danke und LG von Rheinkultur
 
mein vorschnell gewährtes "Like" wieder zurückzusetzen.
1. Warum?
2. Das lässt sich ganz einfach selbst bewerkstelligen.
Danke für den Tip! Ich war zwischenzeitlich viel an der frischen Luft (also alles mal ordentlich mal durchgepustet) und hab mich nun auch so wieder gefangen Auch die Moderation in Gestalt von @Rheinkultur hat ja nun zwischenzeitlich mit so einigen Klarstellungen zum Thema dazu beigetragen, mein stark gebeuteltes Urvertrauen in clavio halbwegs wiederherzustellen.
 
Am 1. April muss man hier mit allem rechnen.
 
hinterher ist man eben immer klüger... dabei hätte ich eigentlich betreffs dieses Tages vorgewarnt sein sollen. immerhin steht der ja in meinem Personalausweis:-)
 
@Gomez de Riquet danke für dieses schöne Hörbeispiel! IS scheint irgendwie doch nicht so total schlecht gewesen zu sein...

Ich hab übrigens so eine vage Vorahnung, über welchen russischen Komponisten Du möglicherweise in genau 2 Jahren einen Beitrag schreiben wirst...


das, was eine deutsche Behörde bestätigt, hat ja wohl mindestens so einen Wahrheitsgehalt, wie das, was hier so geschrieben wird, oder?

Danke für die Glückwünsche!
 
Urteil
Im Namen der Musikalischen Excellenz
ergeht in der Strafsache JS 08/15-4711 GdR
folgendes Urteil:
Der Beklagte
Gomez de Riquet
wird für schuldig befunden, in seinem Äußerungen vom 1. April des Jahres 2021 sich vorsätzlich und wissentlich in herabwürdigender Weise über das musikalische Wirken seiner Musikalischen Majestät Igor I. Strawinski geäußert zu haben. Der Strafbestand des MuStGB §1(4) ist damit erfüllt.
Der Delinquent wird dazu verurteilt, über die nächsten 7 Jahre hinweg täglich mindestens 5 Stunden lang Musik oben genannten Komponisten zu anzuhören und weitere 3 Stunden lang seine Musik aufzuführen.
 
Ich erhebe Einspruch! Jedes musikbezogene Detail in meinem Text ist biographisch belegt. O.k., an meinen Übersetzungen der Stücktitel könnte man noch etwas feilen. Vielleicht habe ich auch ein paar Details aus Strawinskys Leben unerwähnt gelassen: die Ménage à trois mit seiner Frau und seiner späteren Zweitfrau, sein ans Kleptomanische grenzender Hang zum Melodienklau ("Jambe en bois" [Hölzernes Bein ?]), seine Geldgier... Vielleicht habe ich die Bedeutung Vito Corleones für die Opernuraufführung im Teatro La Fenice (Phönix-Theater) etwas überschätzt.

Naja, von Zeit zu Zeit hör ich den Meister gern, morgen zum Beispiel die "Threni" (Tränen [?]), die liturgisch gut zum Karsamstag passen.

Herzliche Grüße!
Gomez

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