Spielgeschwindigkeit

Dann bist Du aber auch meilenweit weg von dem Anfänger, der hier als Themenersteller schreibt, wie auch von mir mit einem Jahr Klavier...
Ich befürchte, dass das nicht der Fall ist. Ich sehe mich weiterhin als Anfänger. Und von Chopin-Walzern bin ich weit entfernt. Von fehlerfreiem Spiel sowieso. Aber von diesem Anspruch nach Fehlerfreiheit löse ich mich immer mehr, auch wenn es mir immer noch sehr schwer fällt.

Wie äußert sich das? Was lernst / übst du? Theorie? Akkorde und Tonleitern? Oder was?
Na, die Klassiker halt: Spielen nach Gehör (Lehrer spielt vor, ich spiele nach, keine Noten weit und breit), Improvisation (auch gerne "im Dialog" mit dem Lehrer, er am Klavier, ich am Flügel), Analysieren (durchaus auch so ganz simple Sachen wie "Wo ist der Höhepunkt bei 'Hänschen klein' "), eigene Begleitungen überlegen, Singen inkl. Solmisation, Klatschen, Variieren, Übetechniken ...

Tonleitern oder Kadenzen hat mir mein jetziger KL bisher noch nicht aufgegeben. Auch explizite "Technik-Übungen" haben wir bisher relativ wenige gemacht, außer zum Armgewicht und zum "Entspannen" des Bewegungsapparats während des Spiels.
 
Wie definierst Du "fehlerfrei"? Und was heißt "wenn's drauf ankommt"?
Unter "fehlerfrei" verstehe ich kein Stocken oder gar Rausfliegen.
Also in einem Fluss Durchspielen, so dass der laienhafte Zuhörer in einer schummrigen Bar am Ende des Stücks ggf. anfängt (zaghaft) zu klatschen.
Natürlich ist "fehlerfrei" immer relativ (das nur als Anmerkung für alle hasenbeins und rolfes in diesem Thread).


Mit "drauf ankommt" meine ich, wenn dich z. B. deine neue (Internet)bekanntschaft, die du seit 2 Wochen kennst, in einer schummrigen Bar auffordert, an dem zufällig in der Ecke stehenden Klavier ein kleines Stück zu spielen.
Meinetwegen Bachs Präludium No. 1 oder dergleichen...
 
Zuletzt bearbeitet:
Unter "fehlerfrei" verstehe ich kein Stocken oder gar Rausfliegen.
Ah ok. Das klappt meistens bei den Stücken, die ich gerade in Bearbeitung habe zum Ende hin oder bei Stücken, die ich mir schon mal erarbeitet habe und genügend Zeit für eine Auffrischung hatte. Da gehört das Präludium aus BWV 846 tatsächlich dazu.

Mein Leben würde ich davon aber nicht abhängig machen wollen und Internetbekanntschaften muss ich auch nicht mehr beeindrucken. Habe schon vor über 15 Jahren eine geheiratet. :-D

Für mich bedeutet fehlerfrei wirklich fehlerfrei, also keine falschen, fehlenden oder überflüssigen Töne, kein Wackler, keine rhythmischen Ungenaugkeiten, korrekte Artikulation, Dynamik und Agogik. Und das gelingt mir nun mal praktisch nie, geschweige denn immer zuverlässig. Aber wer schafft das schon, wenn er ehrlich ist? Irgendwas ist ja immer. Glücklicherweise habe ich gelernt, dass das Publikum gar nicht jeden Fehler mitbekommt.
 
Viele Klavierspieler sind da offenbar viel zu anspruchsvoll sich selbst gegenüber.
"Zu anspruchsvoll" würde ich es nicht nennen. Es ist ja nicht schlecht, diesen Anspruch zu haben, solange man damit umgehen kann, wenn es nicht klappt.

Den Wunsch, fehlerfrei zu spielen, habe ich weiterhin. Ich habe nur mittlerweile akzeptiert - mal mehr, mal weniger - dass dieser Wunsch wohl nicht in Erfüllung gehen wird. Und ich habe gelernt, dass es um Musik geht und nicht um Fehlervermeidung.

Ich habe mich lange sehr über Fehler geärgert und damit alles nur noch schlimmer gemacht, z.B. weil mich Fehler rausgeworfen haben oder ich nach einem Fehler neu angesetzt habe. Mittlerweile sehe ich es als Erfolg, wenn ich es schaffe, souverän über einen Fehler hinweg zu spielen.
 
Und bei Musik hört man sich das was man üben möchte, vorher so oft wie möglich an, zumindest handhabe ich das bisher so.

Davon rate ich ab!
So lernst du doch nur das gehörte nachzuspielen, aber nicht, aus den Noten etwas hörbares zu machen.

Nachdem man sich selbst dafür entschieden hat, wie es klingen soll, mit einer Aufnahme zu vergleichen, finde ich viel lehrreicher.
 
Ich schrieb nicht, dass ich rein nach Gehör üben würde, sondern nur, dass ich das was ich üben möchte, mir vorher so oft wie möglich anhöre. Ohne Noten zu buchstabieren geht es dann nicht, doch da ich dann eine Melodie bereits im Kopf habe, fällt es halt leichter diese zu spielen.

Das ist genau das, was nach Gehör Spielen ist.
 
So lernst du doch nur das gehörte nachzuspielen, aber nicht, aus den Noten etwas hörbares zu machen.
Nicht unbedingt, die Melodie bleibt, doch die restlichen Noten ergänzte ich bisher. Einen Song wie "Five Hundred Miles", es ist schon ein Unterschied, ob den eine Joan Baez mit ihrer klaren Stimme singt oder ob es sich um eine Version von Justin Timberlake handelt. Also höre ich mir alle an und versuche zuerst bei der einen oder anderen Version mitzusingen und entscheide mich für eine. Doch das ist ja nur die Melodie und ein Notenblatt für Gesang und Piano, wo am Ende alles gut klingen würde, war nicht zu finden. Also versuche ich es alleine anzupassen. Doch nur weil ich die Noten alleine schreibe, dabei z.B. Akkorde umkehre oder was auch immer, bedeutet das nicht, dass ich diese nach dem Ausdrucken noch aus dem Kopf spielen könnte.

Nebenher übe ich mich noch gelegentlich darin, selbst ein wenig zu arrangieren. Allerdings dann nur über Midis, auch nicht sehr häufig. Letztmalig vor gut zwei Monaten eine alte Melodie von einem Kaperlied. Legte Spuren für Piano und Violine und mischte diese. Hörte sich brauchbar an, lag so in der Mitte zwischen den Versionen von Rapalje und Santiano, doch irgendwie fehlte etwas und hatte nicht wirklich etwas Eigenes. Heute weiß ich, dass ich die Noten für Fiddle anders hätte schreiben müssen. Irgendwann werde ich es halt erneut versuchen, läuft ja nicht weg. Zwischendurch mich noch etwas in der Theorie vertiefen, über irische Fiddle hatte ich eine Diplomarbeit gefunden, las sich interessant.

Dann schwirren mir noch einige Songs im Kopf herum, die ich so in der Kindheit und Jugend ab und an mal hörte, ohne üben mitsingen konnte, weil es Ohrwürmer waren und wo ich heute noch die Melodien und größere Teile der Texte im Kopf habe, also so etwas wie "Hello Mary Lou". Und ja, ich sehe da gar keinen Sinn drinnen, die nicht genauso zu lernen, wie sie klangen, nur halt für Piano.
 

Davon rate ich ab!
So lernst du doch nur das gehörte nachzuspielen, aber nicht, aus den Noten etwas hörbares zu machen.

Nachdem man sich selbst dafür entschieden hat, wie es klingen soll, mit einer Aufnahme zu vergleichen, finde ich viel lehrreicher.
Besser nachahmen als rumwurschteln... ist toll das du dich gleich an den Trockenbau zu schaffen machst aber Mensch lernt gern durch Nachahmung und nicht schlecht und eine eigene Meinung prägt sich beim erfolgreichen imitieren schon recht schnell aus...
 
Wer von den hier versammelten Anfängern lernt so nach Tongruppen, wie oben gefordert?
Finger hoch!

Oh, doch so wenige...? :angst:

Vermutlich haben die alle miserable Klavierlehrer. :cry2:

Du hast den hier Anwesenden aber sehr wenig Zeit gegeben mit Deiner Eigenantwort. ;-)

Ich habe das als Kind so gelernt. "Muster-Erkennen". Auf entsprechend bescheidenem Niveau natürlich. Meine allererste Lehrerin war gut, engagiert und ehrgeizig. Ich auch, aber definitiv auf anderen Gebieten. :lol:

Sie warf mich also nach zwei, drei Jahren (??) raus.

Danach bekam ich eine "ganz liebe". Dank des geschulten "Mustererkennens" konnte ich mich immer mit Minimalstübeaufwand auf die folgende Stunde vorbereiten. Sie war zufrieden und ich Dummkopp hab außer "zunehmender Routine" und "ein Stück fehlerfrei vom Blatt zu spielen" nix dazugelernt. :girl:



Zur Ehrenrettung der zweiten Lehrerin möchte ich unbedingt ergänzen, dass sie nicht ganz "schlecht" gewesen sein KANN, denn mein erheblich jüngerer Bruder begann bei ihr, spielte viele Jahre bei ihr ehe, er zu einer Professorin wechselte, und aus meinem Bruder ist "was geworden".

Der Erfolg eines Unterrichts steht und fällt mit dem Fleiß und dem Engagement des Schülers.
 
Das ist genau das, was nach Gehör Spielen ist.
@Sven
...die allermeisten derer, die Elise spielen wollen, müssten deiner Ansicht nach "nach Gehör üben/spielen", weil sie das Stücklein schon vom hören kennen?

Retour zur "Spielgeschwindigkeit" bei Anfängern: Wer Noten lesen und auf die Klaviatur übertragen noch nicht beherrscht, der "buchstabiert" sich halt erstmal paar Takte zurecht. Völlig legitim :-) in diesem Anfängerstadium ist zumeist die Koordination der Finger ebenso noch in den Windeln wie das Noten lesen. Die gewitzten unter den Anfängern beherzigen dabei zwei Tipps (sofern sie die bekommen oder selber entdecken)
1. sich 2-3 Ecktöne in den Notenlinien merken (meist c) und dann nur Abstände (!) (ja, nennt man Intervalle) vom Orientierungston betrachten (Ohne stumpfsinnig dabei immer wieder cdefg äh und dann? abzählen)
2. erstmal nur eine kurze Tonfolge spielen (besser 4 Töne sicher, als 20 unsicher gestochert) weil damit weder das Gedächtnis noch die Koordination überfordert werden.
Im Lauf der Zeit werden die "Gruppen" umfangreicher, ebenso die Orientierung und die Koordination.

Natürlich kann jeder das auch anders machen - erfahrungsgemäß aber gucken diejenigen, die sinnvolle Anleitungen für Mumpitz halten, nach einiger Zeit recht betröppelt, weil die anderen besser und mehr und fortgeschritteneres spielen können...

Man muss zum Schach spielen erstmal die Züge der einzelnen Figuren lernen, danach die Wirkungen (Felderbeherrschung, Zentrum usw) und von einfachsten "Eröffnungen" (was tun gegen den Schäferzug bzw warum dieser Deppentrick Mist ist) allmählich zu komplexeren Partieanlagen kommen --- auch hier kann man natürlich, kaum dass man den Springer richtig ziehen kann, die Meisterpartien von Bobby Fischer mit philosophischen Gedanken betrachten (kapieren ist in dem Stadium noch nicht drin, aber das merken solche Strategen nicht...) und das Desaster, wenn so ein Weiser von einem Knirps nach 15 Zügen matt gesetzt ist, wird aus christlicher Nächstenliebe nicht beschrieben...;-);-):-D

Klar muss anfangs, wenn es mit Noten losgeht, buchstabiert werden - das aber so, dass man schnell davon loskommt (s.o. Abstände) und damit das nicht ewig dauert, hat es sich bewährt, dass VORHER paar typische Bewegungs- und Griffmuster OHNE NOTEN geübt und ins Gehör gebracht werden (bedarf das einer Erklärung???)
 
@Sven
Klar muss anfangs, wenn es mit Noten losgeht, buchstabiert werden - das aber so, dass man schnell davon loskommt (s.o. Abstände) und damit das nicht ewig dauert, hat es sich bewährt, dass VORHER paar typische Bewegungs- und Griffmuster OHNE NOTEN geübt und ins Gehör gebracht werden (bedarf das einer Erklärung???)

Für solch blutige Anfänger wie mich wärs sicher hilfreich, dann müsste ich nicht raten, ob damit sowas gemeint ist wie "zB Terz / Quinte am Klang erkennen und "Fingerabstand fühlen/verinnerlichen"".
 
@rolf
danke für die umfassende Erklärung!

Ich bin derzeit so auf dem Status: Eine einstimmige Abfolge von Noten im Violinschlüsel lese ich flüssig und kann die vom Blatt spielen. Im Bass klappt das langsam auch ganz passabel. Ich muss da keine Noten mehr abzählen. Aber wenn da vier Noten auf einmal zu entziffern sind, zwei LH, zwei RH, dann erkenne ich die leider noch nicht alle auf einmal.

Ich hab gerade angefangen mit Burgmüllers Etüde La Chevaleresque.
 
@Sven
...die allermeisten derer, die Elise spielen wollen, müssten deiner Ansicht nach "nach Gehör üben/spielen", weil sie das Stücklein schon vom hören kennen?

Da verderehst du aber mein Argument, das da lautet: Wenn sie es nur spielen können, wenn sie es sich immer wieder anhören, statt aus den Noten, dann ist es dieses nur nach Gehör Spielen, was einen davon abhält wirklich Noten zu lernen.
 
@rolf
Ich bin derzeit so auf dem Status: Eine einstimmige Abfolge von Noten im Violinschlüsel lese ich flüssig und kann die vom Blatt spielen. Im Bass klappt das langsam auch ganz passabel. Ich muss da keine Noten mehr abzählen. Aber wenn da vier Noten auf einmal zu entziffern sind, zwei LH, zwei RH, dann erkenne ich die leider noch nicht alle auf einmal.

das geht mir ganz ähnlich. ich versuche dann, oben und unten nur je eine Note wirklich zu erkennen (meist die unterste) und die andere über den grafischen Eindruck des Abstandes "automatisch" zu identifizieren. Eigentlich sollte das nicht so schwierig sein, wenn man die Regel "von Strich zu Strich bzw 'leer' zu 'leer' kann nur Terz, Quinte, Septime sein" intus hat und beherzigt. Stellt sich in der Praxis aber trotzdem als eine Herausforderung heraus (noch. Habs grad vor einer Woche erst versucht, so zu anzugehen).
 
Wenn ich das hier zusammenfasse, so geht es zu 99% in diesem Thread darum, wie man möglichst schnell "nach Noten spielen" lernt.

Der TO hatte aber nach seiner Spielgeschwindigkeit und seinem fehlenden Taktgefühl gefragt.
 

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