Seriöses Realbuch oder ja?

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Flint

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Guten Tag,
ich wollte mal fragen, ob es ein korrektes Realbook gibt, das wirklich die Harmonien der Originale darstellt. Mir scheint es doch so, daß da gern Akkorde hinzugedichtet werden, weil in der Jazzszene mehr anscheinend als besser gilt. Insbesondere werden II-V Verbindung einfach mal eingefügt, was ja schon zu dem geläufigen Irrtum führt, daß diese Verbindung eine Erfindung des Jazz sei -- obwohl es die seit dem Barock gibt.

Beispiel: in meinem Arrangierbuch steht ein leicht zu entlarvender Abklatsch von Satin Doll (wohl Urheberrechte). Ich also im Realbook und online nachgesehen: überall die exakt gleichen Akkorde. Im ersten Teil hintereinander A-7/D7-->Ab-7/Db7->C^7. Aufnahmen angehört -- ich kann nichts derart Umständliches erkennen. Viel mehr: D7->Db7->C^7. In der anscheinend allerersten Ausgabe des Realbooks steht es zu meiner Überraschung auch genau so. In den Späteren nicht mehr. In einem kompletten Bläsersatz mit sonstwelchen Extensions finde ich es allerdings schwierig, den einen Akkord zu erkennen.

Also zurück zu meiner Frage: welches Buch ist diesbezüglich seriös und weiß es nicht "besser" als der Komponist?

mfG
 
Es stehen im Realbook über bestimmten Akkorden ja auch alternative Harmonisationsmöglichkeiten. Es ist dort eben nicht alles so festgelegt wie in der Klassik. Reharmonisation, z.B. durch Tritonussubstitute sind üblich, und soweit ich weiß, sind die Leadsheets im Realbook oftmals nicht durch die Komponisten erstellt worden, sondern von den Musikern, die den Song eben in der einen oder in der anderen Variante gespielt haben.
 
in der Jazzszene mehr anscheinend als besser gilt.
Wie kommst Du denn auf so ein drolliges Vorurteil? Würde mich ja mal brennend interessieren.........
Also zurück zu meiner Frage: welches Buch ist diesbezüglich seriös und weiß es nicht "besser" als der Komponist?
Wer soll denn diese Frage beantworten und mit welchen Belegen?

Das Realbook, und ich nehme an, Du weißt das selbst, ist ein mittlerweise legalisierter Druck von Abschriften, die im Anfang der 70er Jahren entstanden sind. Da haben 'ne Menge Leute mitgebastelt und sich so um den Jazz verdient gemacht. Du kannst die Titel so spielen, wie sie da stehen oder anders - interessiert im Jazz niemanden.

CW
 
Zuletzt bearbeitet:
Soweit ich weiß, wurde das Realbook nicht nur von den Musikern geschrieben, die die Lieder gespielt haben, sondern vor allem von Leuten, die sich Aufnahmen angehört haben und dann notiert haben, was sie (glaubten zu) hören.
Erstens können da bei der Transkription Fehler passieren.
Zweitens weiß man nicht genau, welche Aufnahme / welche Version transkribiert wurde.
Drittens gab es immer wieder Überarbeitungen (wo auch Verschlimmbesserungen passiert sein können).
Und viertens ist das Realbook ohnehin verpönt. Die echten Jazzer hören das heraus und spielen dann ihr eigenes Ding in einer Anlehnung an das Gehörte.

Ganz exakte Transkriptionen kann dir vielleicht bald eine KI liefern - wobei viele die Notwendigkeit so einer Transkription (also eine von jemand/etwas anderem erzeugte, selber transkribieren ist eine gute Übung) sehr in Frage stellen.
 
Doch, mich. :007:

Ganz exakte Transkriptionen kann dir vielleicht bald eine KI liefern - wobei viele die Notwendigkeit so einer Transkription (also eine von jemand/etwas anderem erzeugte, selber transkribieren ist eine gute Übung) sehr in Frage stellen.
"Notwendig" oder nicht. Mich interessiert es als Studienmodell. So einfach ist das. Wenn ich Bach oder Beethoven analysieren und davon lernen will (nur darum geht's), nehme ich ja auch nicht eine Fassung von Günter Heumann, sondern das Original. In der Klassik sind die Originale halt wesentlich leichter verfügbar.
Ich glaube, daß Jazzstandards zu solchen geworden sind, weil die Originalaufnahme (von mir aus auch einige Verschiedene davon) mal Leute angesprochen hat. Nicht selten sind es ja Filmmusiken, von denen es genau eine Version gibt. Und die kann man durchaus als Original ansehen.

Edit: ...und ja, es macht natürlich für einen 8-9 stimmigen Bläsersatz einen wesentlichen Unterschied, ob ich zu der gegebenen Melodie einen oder zwei Akkorde im Takt unterbringen muss. Besonders, wenn der jeweils erste Akkord Blödsinn ist, vom Komponisten nicht vorgesehen war und nur einer künstlichen Verkomplizierung dient. Dafür hat er die Melodie schlicht nicht geschrieben.
 
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So eine Frage kann nur ein relativ Ahnungsloser stellen.

Ein Realbook kann immer nur ein ANHALTSPUNKT sein; was tatsächlich der Fall ist, MUSS man selber an relevanten Aufnahmen hören. Niemals darf man einfach so "nach Real Book spielen."

Der erfahrene Spieler weiß überdies, an welchen Stellen es eigentlich egal ist, ob man eine II-V oder nur eine V spielt - beide Versionen klingen gut und werden verwendet. Bei der genannten Stelle aus "Satin Doll" ist das beispielsweise der Fall.
Die Improvisation wird durch die Einfügung der II. Stufen jedenfalls nicht komplizierter.
 
Besonders, wenn der jeweils erste Akkord Blödsinn ist, vom Komponisten nicht vorgesehen war und nur einer künstlichen Verkomplizierung dient. Dafür hat er die Melodie schlicht nicht geschrieben.
Du polterst hier so daher und tust so, als hättest Du Plan und könntest diese Dinge beurteilen; dabei zeigen spätestens diese beiden Sätze, dass Du keinen Schimmer hast und lediglich ein sich selbst überschätzender Dilettant bist.
 
So eine Frage kann nur ein relativ Ahnungsloser stellen.
Ist das ein Problem für Dich? Das tut mir leid.
Für mich haben Fragen ja den Sinn, aus der Ahnungslosigkeit aufzusteigen in den Olymp, wo Du der Chef bist. :-D

was tatsächlich der Fall ist, MUSS man selber an relevanten Aufnahmen hören.
Musste ich auch schon feststellen. Allerdings ist eine Kritik wohl erlaubt. Ich sehe nach wie vor keinen Grund, Akkorde im Leadsheet hinzuzudichten. Das kann jeder Ausführende nach eigenem Geschmack und Können selber machen.

Niemals darf man einfach so "nach Real Book spielen."
Aha. Wird allerdings regelmäßig auf öffentlichen Sessions gemacht. Und so festigt sich der Glaube in das Realbook als Bibel.

Die Improvisation wird durch die Einfügung der II. Stufen jedenfalls nicht komplizierter.
Es geht aber nicht um Improvisation, sondern um Bigband-Sätze.
Du hast also auch keine Antwort. Gut, daß wir jetzt wenigstens Deine Meinung kennen.
 
Das Realbook ist nur ein Spickzettel, den Leute geschrieben haben, die Spickzettel brauchen.
Das mag in einigen Situationen vielleicht hilfreich sein (z.B. um überhaupt mal was mit Jazz zu machen wenn sonst kein Interesse daran besteht, als Spickzettel für Lieder die du noch nicht kennst/kannst, ect), kann aber auch für schlechte Angewohnheiten sorgen (Fehler, stures vom-Blatt-Spielen, das Vorgaukeln einer möglichen Abkürzung zum Jazz-Lernen, ect). NICHTS führt am Studium der großen Künstler vorbei. Wenn man Jazz lernen möchte, muss man sich Jazz anhören - und das nicht nur einmal pro Woche kurz vor der nächsten örtlichen Möchtegernmusikersession um dort angeben zu können.

Höre mal genau hin was da gespielt wird und schreibs dir so genau wie möglich auf. Mach dir dein eigenes Realbook...dabei lernst du viel mehr.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Flint
Ich habe dich bisher in Bezug auf die europäische Kunstmusik immer als sehr wissbegierig und enthusiastisch wahrgenommen. Und genau diese Maßstäbe versuchst du auch auf den Jazz anzuwenden. Das funktioniert aber nicht. Jazz lebt von der Improvisation. Kein Musikstück ist festgelegt, sondern chamäleonartig wandelt es sich mal in die eine und mal in die andere Richtung. Du kannst dir ein Realbook vorstellen wie eine Bleistiftskizze, die verschiedene Künstler immer wieder als Basis nutzen, um daraus immer wieder neue Ölgemälde zu erschaffen.
 

"Notwendig" oder nicht. Mich interessiert es als Studienmodell.
Dann studier' die Quellen. Spoiler: Das Realbook ist keine Quelle.
So einfach ist das.

Wenn ich Bach oder Beethoven analysieren und davon lernen will (nur darum geht's), nehme ich ja auch nicht eine Fassung von Günter Heumann, sondern das Original.
Das kannst du tun, weil die Noten vom Urheber publiziert wurden.

Ich glaube, daß Jazzstandards zu solchen geworden sind, weil die Originalaufnahme (von mir aus auch einige Verschiedene davon) mal Leute angesprochen hat.
Genau. Im Jazz (und anderer U-Musik ;-) ) werden nicht Noten publiziert, sondern Aufnahmen.

"Notwendig" oder nicht. Mich interessiert es als Studienmodell.
Für Jazz (oder auch Rock, Pop etc.) ist die Aufnahme dein Studienobjekt zum Quellenstudium.
 
Alle Reaktionen hier auf Deine Frage haben ihre Berechtigung.

Du solltest auf dem Schirm haben, dass die Begriffe "verbindlich, offiziell und werktreu" im Jazz nicht wirklich existieren. Und wenn doch, dann bezieht es sich auf eine konkrete Aufnahme und nicht auf das Stück im Allgemeinen.

Die Real Books sind letztendlich nur Vorschläge und statten Dich mit möglichem Rohmaterial aus. Das muss Dir auf Schritt und Tritt bewusst sein. Um das dann selbst umzugestalten zu vereinfachen oder zu ergänzen braucht man allerdings eine gewisse Erfahrung, die Du vielleicht noch nicht hast.

Aber irgendwo musst Du anfangen:

The Real Book, Volume I: C Edition https://www.amazon.de/dp/0634060384...HPGB6BNVFG190&skipTwisterOG=1&bestFormat=true
 
Damals, als das WWW noch in der kinderschuehen steckte, habe ich mir das New Real Book aus der Stadtbücherei ausgeleihen. Und da gabe es noch mehr davon.

Heute kann man latürnlich via WebOPAC nachschauen, was gerade so da ist.
Und, ja, es gibt google.

Grüße
Häretiker

PS:
intitle:index.of real-book pdf
 
Ok, was ich suche, scheint es nicht zu geben. Oder es kennt hier keiner. Dankeschön.
 
Ein Pianist hat mir bei einem Workshop erzählt, dass er einen Standard jedesmal anders spielt, z. B. abhängig von den Mitmusikern. Es findet also oft ein spontanes und teilweise improvisiertes Arrangement statt. Als Pianist hat man z. B. viele Möglichkeiten für sog. Voicings.

Es ist im Jazz unüblich, die Melodie so zu spielen, wie sie im Real Book steht. Stattdessen wird frei damit umgegangen. Auch werden Stücke anderer Stilistiken herangezogen, mit jazztypischer Phrasierung gespielt, harmonisch angepasst und darüber improvisiert. Wenn Jazzer "Greensleeves" spielen, ist das keine Komposition eines Jazzmusikers, von der es ein entsprechendes Original als Jazzkomposition gibt.

Wenn du nicht selbst raushören magst, obwohl es empfohlen wird, wäre meine Idee dass du dir Transkriptionen von Solo-Einspielungen berühmter Pianisten anschauen könntest, um zu schauen, was da harmonisch etc. passiert. Wenn es um Arrangements für Bigbands geht, kann sich man zum Studieren wohl auch mit solchen Arrangements auseinandersetzen, braucht aber wahrscheinlich auch ergänzendes Lehrmaterial darüber, wie z. B. Bläsersätze typischerweise arrangiert werden.

Aus allem folgt aber auch: wenn du selbst für Bigband arrangieren möchtest, bist du ebenso frei darin, einen Standard nach deinem Geschmack zu gestalten, ohne dich an eine "Originaleinspielung" oder gar an bestimmte Noten einer Komposition, wenn es diese denn gibt, halten zu müssen. Letzteres würde auch weniger dem Geist des Jazz entsprechen.
 
Es ist im Jazz unüblich, die Melodie so zu spielen, wie sie im Real Book steht. Stattdessen wird frei damit umgegangen.

Das stimmt so nicht bzw. muss präzisiert werden. Im modernen Mainstream-Jazz findet man oft das Formschema Head - Solos - Head. Und am Anfang im Head wird üblicherweise die Melodie schon so gespielt, wie man sie kennt (bzw. im Real Book steht). Erst in den Solos wird dann frei damit umgegangen. Und zum Schluss noch einmal die Melodie.
 
Wenn es dir vorrangig um Bigband-Arrangements geht, kannst du ja mal die Werke von Duke Ellington und Co. studieren (davon gibt es komplette Noten) und das dort Gelernte auf die Stücke aus dem Real Book umlegen.
 
Ok, was ich suche, scheint es nicht zu geben. Oder es kennt hier keiner. Dankeschön.
Da scheint es schon irgendeinen Mismatch zu geben.

Jazz ist eine komplett andere musikalische Sprache und Sprechweise als ausnotierte E-Musik.

Du kannst nicht Umgangssprache auf - sagen wir mal - französisch mit den gleichen Methoden lernen wie für ein Latinum. Oder: Selbst wenn Du das höchste Sprachtest-Level für - sagen wir mal - französisch beherrschst, aber von der Landeskultur keine Ahnung hast, wirst Du immer am Thema vorbei driften.
 
Das stimmt so nicht bzw. muss präzisiert werden. Im modernen Mainstream-Jazz findet man oft das Formschema Head - Solos - Head. Und am Anfang im Head wird üblicherweise die Melodie schon so gespielt, wie man sie kennt (bzw. im Real Book steht). Erst in den Solos wird dann frei damit umgegangen. Und zum Schluss noch einmal die Melodie.

Du hast mich offenbar missverstanden. Ich habe nicht behauptet, dass am Anfang und Ende kein Thema (oder "Head", wenn du willst) gespielt würde.

Mit "frei damit umgegangen" meinte ich tatsächlich das Thema zu Beginn oder Ende des Songs und bezog mich gar nicht auf die Soli, um die es dem TE auch nicht ging.

Das Thema wird üblicherweise eben nicht genauso gespielt, wie es im Real Book notiert ist und im Real Book steht die Melodie daher auch meistens nicht so, "wie man sie kennt", wenn man sich bekannte Aufnahmen anhört. Denn Jazzinterpreten gehen "frei" mit dem Thema um, das heißt, Melodietöne werden z. B. umspielt, es werden Töne hinzugefügt der weggelassen und die Töne werden rhythmisch oft ganz anders gespielt.

Höre dir z. B. das Thema zu Soul Eyes an, wie es John Coltrane hier spielt. Wenn du genau hinhörst oder das gar transkribierst, ist das ganz anders als die Noten im Realbook.
 

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