Ok es hat niemand verstanden, was ich meine. Ich gebe zu, ich habe auch einen ungünstigen Titel gewählt für den Faden.
Was meinen Eindruck dieser "verrückten" Musik Schumanns angeht, hat überhaupt nichts mit Schumann selbst zu tun, abgesehen davon, dass er es halt komponiert hat...
Es gibt auch von anderen Komponisten ähnlich "verrückte" Stücke, sogar von Chopin (letzter Satz aus der b-moll-Sonate).
Obwohl alle Komponisten in ihren Stücken einen sich etwas anders anfühlenden Wahnsinn haben. Prokofiev hat bisweilen Wahnsinn in seinen Stücken, aber der ist nicht ganz so irr und ab und zu ein bisschen locker und witzig. Ravel hat auch so besondere Seiten, aber hier würde ich schon eher das Wort "entrückt" verwenden, so wie bei Messiaen. Für mich fühlt es sich manchmal so an, als wäre Messiaen noch ein oder zwei Schritte weitergegangen als Ravel, aber es gibt gewisse Ahnlichkeiten in der Klangsprache.
Ravels "Wahnsinn" wäre im Vergleich zu Schumann sozusagen ruhiger, gleichmäßiger, strukturierter, irgendwie natürlicher, dafür sehr hoch und kalt und irgendwie überirdisch.
Ich versuch nochmal zu beschreiben, was ich nun mit dem Wahnsinn bei Schumann meine. Vermutlich ist Wahnsinn eh das falsche Wort, aber wahrscheinlich existiert gar kein wirklich passender Ausdruck.
Mein Eindruck (!) bei der Fantasie 1. Satz (ich glaube Arrau) war:
Es wirkte nicht vorhersehbar, die Charaktere der Musik waren sehr unterschiedlich und haben sich ohne Ankündigung abgelöst, manchmal waren keine "vorbereitenden" Übergänge vorhanden. Es folgte wild auf lyrisch, pseudo-ruhig mit extrem geladener Spannung auf furchtbar aufgeregt, es gab eher frohe und düstere Teile.
Beim ersten Hören war keine Struktur, Form, Reihenfolge o.ä. zu erkennen; manche Teile haben sich wiederholt, aber ohne genau erkennbaren Sinn. Es war nicht absehbar, was als nächstes folgt, ob das Stück gleich endet oder nicht.
Ich weiß, dass v.a. letzteres wohl nicht der Wahrheit entspricht, aber ich spreche wie gesagt vom ersten Eindruck.
Sehr anstrengend ist, dass man oft des Metrums beraubt wird: Durch Taktverschiebungen, Synkopen, Melismen, Akzente und "ungewöhnliche" Dynamisierung wird dem Hörer die Einsicht in das Taktschema verwährt.
Teilweises Unverständnis von Takt(-art) / Metrum, Schwerpunkten, auch gepaart mit Mehrstimmigkeit, nicht erkennbare Struktur, schwer einprägsame Motive, wechselnde Stimmungen und Teile, berauben den Hörer vieler Hörgrundlagen, es ist, als würde einem der Boden unter den Füßen weggezogen, man kann sich an nichts festhalten und befindet sich inmitten eines großen, furchbar gespannten Klang.
Vieles wirkt aufgewühlt, hektisch, (w)irr, nervös. Man versteht nicht, warum man nicht versteht (was z.B. bei Musik der Moderne der Fall ist - man weiß, dass es nicht beabsichtigt ist, dass man einen Takt fühlt usw.).
Und dann folgt ein sehr entrückter, zarter Schluss, der einem noch den Rest gibt.
(Ich werde mir das mit etwas Abstand nochmal anhören).
G-Moll-Sonate:
Wirkt auf mich wie ein Mensch, der sehr stark unter Spannung steht, ziellos herumrennt, nicht weiß, was er tun soll, keinen klaren Gedanken fassen kann vor Druck und Verzweiflung; sehr nervös, geladen, gespannt bis kurz vor dem Platzen und kurz vor dem irr werden oder wahnsinnig werden.
Möglicherweise ist das jetzt verständlicher, möglicherweise nicht.
Gruß,
Stilblüte