Schüler will "unbedingt" - begreift einfach keine Noten

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frauschmidt

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28. Nov. 2019
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Hallo!
Ich bin nun "schon" seit 10 Jahren Klavierlehrerin und hatte schon einige Fälle, die mir Kopfschütteln bereitet haben (wäre ja auch langweilig ohne ;) )...
Im Moment habe ich einen fast 10 Jährigen Schüler, der nun schon fast ein Jahr bei mir Unterricht hat und einfach nicht weiter kommt. Weil die Eltern ein Buch mit CD wollten, habe ich das Schott "Klavierspielen, mein schönstes Hobby" ausgewählt, mit dem ich schon lange arbeite und gute Ergebnisse erziele.
Das Problem ist: egal wie oft ich ihm die Noten erkläre (und immerhin sind es bisher nur 5 in jeder Hand), er begreift es einfach nicht. Er schaut auch beim Spielen nicht auf die Noten (trotz 10 maliger Ermahnung in 30 Minuten pro Woche) und lernt alles zu Hause auswendig - natürlich erkläre ich den sehr engagierten Eltern dass das in diesem Fall nicht von Vorteil ist. Er spielt nach Gehör und ich bin wirklich komplett verzweifelt, weil ich es nicht verstehe, wie er es einfach nicht aufnehmen kann.
Heute hatte ich ein neues Lied angefangen, in dem er mir die Noten ansagen sollte: 90% falsch und dann erklärt er mir, dass er es ja nicht wissen KANN, da das Lied ja neu ist. Ausreden ohne Ende und ich bräuchte am Ende des Unterrichtes einen Schnaps.

Habt ihr auch solche Fälle und wie geht ihr damit um?
Kann man sagen: er ist untalentiert und tschüss?

Ich habe übrigens Mitte des Jahres, nachdem ich gemerkt habe, dass er ÜBERHAUPT nichts aufnimmt, fast wieder von vorne angefangen. Ich habe übrigens Schüler von 5 Jahre bis 68 Jahre und sonst mit niemanden Probleme...
 
Kann man sagen: er ist untalentiert und tschüss? : kann durchaus sein, dennoch muss man mit Ferndiagnosen mehr als vorsichtig sein. Kann auch sein, dass er keine Lust hat Noten zu lernen, weil er (in dem Fall leider) ein guter Gehörspieler ist, und sich nur in Deinem Beisein damit befasst. WIE spielt er denn "nach Gehör"? ist die Frage, die über Begabung einen Teilaspekt offenbart. ( Wobei ich die Erfahrung gemacht habe, dass es auch sehr gute Schüler gibt, die Gehörspiel ganz grauenvoll finden) Kann auch sein, dass er in diesem Bereich eine Form von Legasthenie hat. Habe selbst schon mehrfach Schüler erlebt, die im Fach Deutsch durch Legasthenie aufgefallen sind, und sich extrem schwer taten mit dem Notenlesen, was auf Dauer dann auch in eine Sackgasse führte. Mitunter ist der Hinweis auf andere Hobbys ein Ende mit Schrecken, das für alle Seiten eine Erlösung bedeutet...
 
1. Was die Eltern wollen, ist uninteressant. DU hast ein Konzept zu haben, wie und mit welcher Literatur Du den Schüler unterrichten willst, und hast das ggf. den Eltern zu erklären. Wenn die dann rumzicken -> Tschüssikowski.

2. Du erklärst die Noten auf falsche, methodisch unzweckmäßige Weise.
Es ist z.B. schon mal Quatsch, mit einer "Sonder"-Note, dem c1, anzufangen, da das ja schon eine Hilfslinie hat. Man sollte z.B. mit f1 oder g1 beginnen, dann mit dem Schüler sehr simple Melodien um diesen Ton herum (nur Schritte als Intervalle) nach Gehör erarbeiten und ihn diese dann SELBER aufschreiben lassen (erst ohne Rhythmus, dann mit), so dass er das Prinzip versteht. Geht die Melodie weiter runter, ihn selber dadurch entdecken lassen: "oh, Linien sind alle, was machen wir? Neue Linie, aber nur kurz = Hilfslinie".
Wenn Prinzip verstanden, irgendwann die "Linientöne" im Violinschlüssel (e g h d f) gleichzeitig runterdrücken (z.B. LH übernimmt e und g, RH übernimmt h, d und f) und mit Hilfe dieser "Schablone", durch die er eine direkte optische Übertragung des Notensystems auf die Tasten sehen kann, Noten auf dem Papier zeigen und Namen sagen lassen. Wenn die Eltern tatsächlich so "engagiert" (heißt das übersetzt "nervig"?) sind wie Du sagst, lässt man die das zu Hause mit ihm üben, sofern sie gut Noten können.

Das ist sehr kompakt zusammengefasst eine sinnvolle Notenlernmethode. NICHT aber dieses doofe "So, hier ist das C...blabla...", wie es unglücklicherweise seit dem 19. Jahrhundert überliefert ist.
 
Liebe frauschmidt,

ergänzend zu hasenbein: ihn viel Noten schreiben lassen ! Manchmal merkt man dann, dass der Schüler gar nicht weiß, woran er die Position einer Note erkennt (Notenkopf - manche schauen auf den Hals o.ä.). Also kleine improvisierte Motive/Melodien und die Lieder, die er nach Gehör spielt, aufschreiben lassen.

Das Erkennen der Positionsbestimmung einer Note, das Bewusstsein von 5 Notenlinien und 4 Zwischenräumen sind sehr wichtig (wo liegt diese Note?). Ebenso sollten "Orientierungsnoten", eingeführt werden, die Wegweiser darstellen, an denen man sich orientieren kann (erstmal g' und f in Bezug zum G-Schlüssel und F-Schlüssel). Von diesen Wegweisern aus sollte der Schüler Tonschritte und Sprünge (zunächst nur Terzen) erkennen und lernen, relativ Noten zu lesen (von g aus 1 Tonschritt nach oben, ein Tonsprung nach unten .....).

Wichtig ist auch zu erkennen, welcher Ton tiefer ist. Manche vor allem junge Schüler können mit "dunkler" bzw. "heller"mehr anfangen. Dazu müssen sie auch hören lernen, welche Töne tiefer bzw. höher sind.

Das bedeutet einen Unterricht, der breit angelegt ist und über Improvisationen, Liedspiel und dem Spiel nach Gehör das Gehörte aufschreiben lässt. Oft bekommt man dann auch heraus, wo es hakt.

Liebe Grüße

chiarina
 
Hier im Forum gab es neulich erst Beiträge zum Thema Notenlernen, schau doch auch mal da, weil dort Vieles von Manchen schon sehr gut dargelegt wurde. So auch das Verwenden von Referenztönen, die Hasenbein und Chiarina angesprochen haben. Z.B. vom G1 aus erst einmal in Sekundschritten Takt für Takt ein paar Noten nach oben und unten gehen. Dabei in jedem Takt wieder mit diesem G1 auf Schlagzeit 1 beginnen. Dann vorsichtig Terzschritte einüben, aber erst, wenn diese Übung über 1 Seite und einer Woche intensivst eingeübt wurde. So das Spektrum weiten. Wenn das alles nicht hilft: Töpferkurs..;-)
 
Ich bin jetzt etwas überrascht - ich habe immer nach Gehör gespielt, Noten haben mich kaum interessiert. Natürlich ist es wichtig Noten lesen zu können, aber wenn ein Schüler nach Gehör spielt ist es kein Nachteil. Hier könnt man sehr gut mit der Harmonienlehre arbeiten, damit der Schüler eine Vorstellung hat, was genau er macht - die Kadenzen kann man dann ja in Notenform vermitteln. Sinnvoll wären hier auch Modulationsübungen - wie komm ich zum Beispiel am schnellsten von C nach fis Dur.
 
Wenn das alles nicht hilft: Töpferkurs..;-)
Bei mir lief das genau andersherum. Erst war ich im Töpferkurs und wurde dort nach kurzer Zeit rausgeschmissen. Ich hatte mich dauernd im Ton vergriffen: Jedesmal, wenn der Kursleiter guckte, war die Schüssel schon wieder leer. Vor dem Rausschmiss legte er mir nahe, besser Musiker zu werden. Das habe ich gemacht. Und deshalb bin ich hier. Bevor ich als OT-Chaot entlarvt werde und hier auch rausfliege, schreibe ich noch schnell was zum Thema.

Also kleine improvisierte Motive/Melodien und die Lieder, die er nach Gehör spielt, aufschreiben lassen.
Genau. Und als nächstes die verstandenen Muster modifizieren: Ein Ton wurde verändert - welcher? Der Tonraum wurde erweitert - wie? Mit Rhythmik und Metrik ähnlich verfahren. Schnell werden die Abläufe so vielschichtig und selbst kleine Stücke so ereignisreich, dass die Vorteile einer schriftlichen Fixierung des Gehörten und Gespielten offenkundig sind. Die Fähigkeit, Sachen nach Gehör nachzuspielen, muss man dem Schüler trotzdem nicht austreiben und aberziehen. Am besten dran sind diejenigen, die sich im Spannungsfeld zwischen Festlegung und Freiheit sicher bewegen können.

LG von Rheinkultur
 
Bei mir landen irgendwie hauptsächlich solche Schüler... Kann garnicht glauben dass das in zehn Jahren dein erster ist!
 
Er spielt nach Gehör und ich bin wirklich komplett verzweifelt, weil ich es nicht verstehe, wie er es einfach nicht aufnehmen kann.

:konfus: Spielt er denn korrekt "nach Gehör"?

Das erinnert mich ein bisschen an die Anekdote, die Peter Feuchtwanger immer zum besten gab. Angeblich erlernte er ein Stück wie ausgerechnet La Leggierezza "nach Gehör" vom Plattenspieler, noch dazu um einen Halbton tiefer, weil der olle Plattenspieler sich zu langsam drehte.

Ursprünglich sind Noten Gedächtnisstützen für Menschen, die sich Musik "nach Gehör" nicht merken und nicht erschließen können. Ilias / Odyssee wurden angeblich auch jahrhundertelang nur nach Gehör erlernt und weitergegeben.

Womöglich spielt der Pphursche so gut "nach Gehör", dass er bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht den Benefit verstanden hat, den die Kenntnis des Notenlesens ihm beschert.
einen fast 10 Jährigen Schüler, der nun schon fast ein Jahr bei mir Unterricht hat und einfach nicht weiter kommt.[...] immerhin sind es bisher nur 5 [Noten] in jeder Hand

Frage: Fast ein Jahr Unterricht und erst ein klanglicher Umfang von 10 Noten ... habe ich das richtig verstanden? :denken: Leg ihm doch mal etwas vor, das einen größeren Tonumfang abfordert. Irgendwann wird er schon merken, wofür er Noten braucht.

Junge Springpferde, die man natürlich gaaaanz schonend ausbilden will, stolpern sich manchmal ungeschickt über die anfänglichen Minisprüngelchen, sind nicht bei der Sache, finden einfach keinen Rhythmus. Unerfahrene Ausbilder gehen erst weiter, "wenn die Minidinger ordentlich gesprungen werden" – "wenn er die kleinen sich schon um die Füße wickelt, was passiert da erst bei größeren". Das (durch Zuchtselektion talentierte) Pferd sieht aber keinen Sinn darin ("warum abspringen, wenn ich über das Holz auch drübertraben kann ... was wollen die überhaupt von mir...?"), spürt den Frust der Ausbilder, verliert die Motivation.

Erfahrene Ausbilder bauen etwas Respektableres auf.
 
Ja, die Unterrichtsmethode ist von vornherein falsch.

Nicht nur ist es methodisch falsch und gänzlich abzulehnen, mit einem Schüler so zu beginnen, dass man vom mittleren C ausgeht und dann im Fünftonraum spielt (um das zu wissen, würde es bereits reichen, die "Europäische" oder "Russische" Klavierschule, jeweils Band 1, zu kaufen und jeweils das Vorwort zu lesen & zu verstehen sowie die ersten Kapitel umzusetzen...), sondern es ist etwas GANZ KRASS verkehrt, wenn ein 10jähriger Schüler mit Einzelunterricht und "engagierten" Eltern nach 1 Jahr immer noch im Fünftonraum rumkrebst. Da hat - sorry to say - die Lehrkraft versagt.
 

Das ist sicher erstrebenswert aber bei manchen Schülern schlicht nicht praktikabel.
 
Was ist "nicht praktikabel"? Hm?

Möchtest Du auch gerne als schlechter KL entlarvt werden? Dann nur her mit den Dingen, die Deiner Meinung nach "nicht praktikabel" sind...

"Nicht praktikabel" gibt es natürlich, gerade in der heutigen Zeit, in der immer mehr Kinder verkorkst sind und sowieso alle immer bekloppter werden. Meist heißt "nicht praktikabel" jedoch übersetzt: Entweder ist der KLzu schlecht und hat methodisch nix drauf, oder es ist ihm schlicht zu mühsam, methodisch vernünftig zu unterrichten oder seine Methodik auf einen akzeptablen Stand zu bringen.

Kannst mich in Deinem Falle aber gerne eines Besseren belehren, Gegenspieler.
 
Ich habe zahlreiche Schüler gehabt die auswendig gespielt haben, das sollte man auch nicht unterdrücken. Klar....es ist natürlich auch wichtig Noten lesen zu können; hier helfen zum Beispiel auch Notendiktate.
 
Ich hab gleich in meinem Vorstellungs-Faden klargestellt dass ich mit Sicherheit ein KKL bin!

Aber konkret: Wenn ein Schüler z.B. nach vier Wochen nicht in der Lage ist hörend einen Unterschied zwischen einer 5. oder 1. Stufe einer Tonart oder zwischen einer kl. Sekunde und einer Oktav festzustellen würdest du den Unterricht sofort beenden?

Anders als du finde ich nicht dass nur Schüler Unterricht verdient haben die das Zeug zum Profi haben!
 
Zuletzt bearbeitet:
Mit den verzogenen Gören geb ich dir ja Recht, ich nehme da nichtmal meine aus!
Aber was tun wenn's s nunmal fast nur noch solche gibt?
 
OK, alles klar, "nicht praktikabel" bedeutet für Dich "für KKL nicht praktikabel".

Das ist eh' klar, dass das für die "nicht praktikabel" ist. Das hätten wir dann damit geklärt und können uns in diesem Thread wieder Diskussionen unter Leuten, die ernsthaft an gutem Unterrichten interessiert sind, zuwenden. Schönen Tag noch.
 
Zunächst kann man den Schüler vielleicht mal fragen, ob er das Grundprinzip überhaupt verstanden hat; also:
Was ist tiefer und was ist höher?
Es ist wie ich selbst bei Schülern erlebt habe nicht ganz selbstverständlich, dass das räumliche tiefer höher mit dem klanglichen verknüpft ist.
Dass dies dann wiederum um 90 Grad gedreht auf der Klaviatur als weiter rechts (höher) und weiter links (tiefer) verbunden ist, ist ebenfalls für einige wenige Schüler nicht zwingend logisch.
 
Ein Abfrage "Guck mal, wo der tiefste Ton ist, und spiel den mal" (und das Entsprechende mit dem höchsten Ton) mit anschließendem Ausprobieren zwecks Erkenntnis, dass "nach links" bedeutet "tiefer" und nach rechts bedeutet "höher", sollte das aber im Wesentlichen für jeden Schüler, der nicht völlig vernagelt ist, klären.
 

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