Probleme beim Wiedereinstieg

  • Ersteller des Themas Clavifilius
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................muss man studierter pädagoge sein, um gut zu lehren? dann läuft an unseren lehrerschmieden aber was falsch ;) es gibt wohl kaum jemanden der mehr klavierunterrciht und wohl auch guten hatte als ein konzertpianist...

Müssen nicht, aber in der Regel fehlt einem Kozertpianisten die pädagogische Ausbildung. Was nützt es einem Klavierschüler, wenn der Lehrer zwar gut spielen, das aber dem Klavierschüler nicht vermitteln kann? Auch im Klavierunterricht ist pädagogisches "know how" wichtig. Etwas anderes ist es, wenn es sich um Meisterkurse handelt. Da sind die Teilnehmer in der Regel bereits ausgebildete Pianisten.
 
das mag sein - aber es gibt unter den vielen, durchaus sehr begabten konzertpianisten, einige, vielleicht auch mehr, die einem schüler mangels pädagogischem verständnis, inhalte nicht richtig vermitteln können. ob nun der konzertpianist bei namhaften lehrern unterricht hatte oder die besten schulen besuchte, ist dabei nebensächlich. konzertpianisten fehlen dabei meist die pädagogischen grundlagen, wie bestimmte inhalte gut und verständlich zu vermitteln sind. dass hierbei nicht gerade wenige schüler darunter leiden, dabei maßlos überfordert zu werden und stücke gespielt werden, die viel zu schwer sind und die technik auch an anderen "leichteren und übersichtlicheren" stücken nahe gebracht werden können, liegt diesen selbsternannten lehrern meiner meinung fern.
ich kenne diese problematik besser aus dem streicherbereich.
nur ein zu gutes beispiel, ein etwas älterer wiedereinsteiger (pause ca. 12 jahre, damaliges alter 36 jahre) suchte sich über privat einen lehrer. dieser war berufsgeiger und bot ihm an zu flexiblen zeiten unterricht zu nehmen. ich möchte jetzt nicht alles ausweiten. zuletzt war es so, dass dieser unterricht gekündigt und der unterricht bei einer empfohlenen musikschule aufgenommen wurde. dort kam er in der ersten stunde mit auszügen verschiedenster stücke höherem schwierigkeitsgrad an, die ihm sein geigenlehrer zum studieren empfohlen hatte. erstens viel zu schwer, zu komplex. der neue lehrer musste erstmal alles runterfahren und die basics wieder zurechtrücken. der berufsgeiger schien einer falschen bogenhand, nicht richtigen körperhaltung wenig bedeutung gegeben zu haben...
 
hallo Itertisfan,
hallo Wiedereinsteigerin,

die Abwehrhaltung gegenüber der Spezies der Konzertpianisten kann ich nicht so ganz nachvollziehen.

Schließlich gibt es ziemlich viele von diesen, welche unterrichten und dabei einen sehr guten Ruf haben: Elza Kolodin, Michel Beroff, Vitaly Margulis usw. usw. Manche davon sind Klavierprofessoren (man studiert bei ihnen), manche binden sich nicht fest an Hochschulen, geben aber Meisterkurse (und nicht nur solche, sondern auch andere Kurse) - - erstaunlicherweise hat sich für diese der Begriff "Klavierpädagoge" eingebürgert.

Die schwarz-weiss Malerei, dass Anfänger bis mittlere Fortgeschrittene einzig bei Klavierlehrern (privaten oder an Musikschulen) gut aufgehoben seien, weil diese speziell pädagogisch ausgebildet und befähigt sind, dass aber sehr weit Fortgeschrittene und Studenten dann bei pädagogischen Nieten (die allerdings selber sehr gut spielen können) weitermachen müssen - - ich glaube nicht so ganz, dass das überall und immer der Realität entspricht.

Verblüffend ist zudem, dass viel klavierpädagogische und -didaktische Fachliteratur von Klavierporfessoren/Pianisten verfasst ist.

Wenn ihr mal bei überschüssiger Zeit z.B. die Bücher von R. Kratzert und P. Feuchtwanger lest, werdet ihr vermutlich ein wenig ins Grübeln kommen - dort werden (von Konzertpianisten!) die Grundlagen des Klavierspiels und das pädagogische Vorgehen bei Anfängern erklärt.

Ich kann nur raten, sich möglichst guten Unterricht zu suchen, egal ob man anfängt oder ob man wiedereinsteigt. Und ich erwarte vom jeweiligen Lehrer, dass er kann, was seine Schüler können sollen bzw. lernen sollen. Spielt z.B. ein Schüler eine sehr schwierige Etüde, aber sein Lehrer kann diese selber nicht, so halte ich von Ratschlägen eines solchen Lehrers zumindest für diesen Schüler nicht sonderlich viel (und ehe für meine Ansicht Schelte setzt: man sieht bie "Jugend musiziert" mancherlei aus der technisch oberen Kategorie).

Gruß, Rolf
 
N'Abend Rolf

Wenn ihr mal bei überschüssiger Zeit z.B. die Bücher von R. Kratzert und P. Feuchtwanger lest,

Von Peter Feuchtwanger gibt es kein Buch - das ist ein leider
weitverbreitetes Mißverständnis.
Der allergrößte Teil des Buches über die Exercises ist eine
Aufzeichnung der Herren Blido und Seewann.

Der einzige von Peter selbst geschriebene Teil - abgesehn von
seiner Danksagung findet sich in Teil I: Einführung

Ein für meine Empfindung überaus lesenswerter Text dort ist
desweiteren der von Hannelies Finck.

gruß

stephan
 
Der einzige von Peter selbst geschriebene Teil - abgesehn von
seiner Danksagung findet sich in Teil I: Einführung

Ein für meine Empfindung überaus lesenswerter Text dort ist
desweiteren der von Hannelies Finck.

hallo,

selbst für Einleitung, ansonsten lediglich einen guten Text und natürlich die enthaltenen Übungen lohnt sich die Lektüre - wünschenswert allerdings wäre, wenn besagtes Buch ohne mehr oder weniger hilfreiche Beteiligungen überarbeitet würde!...

Gruß, Rolf
 
Aus meinem Thread heraus hat sich die interessante Diskussion ergeben, inwieweit Konzertpianisten gute Klavierlehrer sein können.

Um einem Missverständnis vorzubeugen: Ich wollte keineswegs sagen, dass dieser junge Konzertpianist schlechten Unterricht gegeben hat. Wie bereits eingangs geschrieben, habe ich von ihm mehr über MUSIKALITÄT (bzw. richtiges Musizieren/Spielen) gelernt als in allen Jahren zuvor (bei einem Musiklehrer, der nebenher Klavierunterricht gab, aber selbst nicht richtig spielen konnte).

Das eigentliche Problem bestand darin, dass der junge Konzertpianist seinen Ehrgeiz auf mich übertrug und mir Stücke gegeben hat, die als Herausforderungen zu groß waren. Zugleich waren seine Erwartungen an meine Fortschritte recht hoch, so dass wir wohl am Ende (so nach ca. einem Jahr) beide frustriert waren.

Man muss aber sagen, dass ich einer seiner ersten Schüler war und er sicherlich seine Erwartungen an Schüler (die keine Berufspianisten werden wollen) bald danach der Realität angepasst haben wird.

Insgesamt möchte ich auch keineswegs ausschließen, dass Konzertpianisten wunderbare Klavierlehrer sein können, auch ohne pädagogische Ausbildung.
Ich selbst bin Dozent (für Philosophie) an einer Uni und unterrichte ebenfalls (wie die meisten meiner Kollegen) ohne "pädagogische Ausbildung". Ob dennoch guter Unterricht gegeben wird, hängt meines Erachtens v.a. davon ab, ob der Lehrer/Dozent sich in die Lage des Schülers/Studenten versetzen kann und für dessen Situation Interesse und Empathie aufbringt.

Um zum Thema des Threads zurückzukommen: Obwohl ich Konzertpianisten keineswegs generell die Fähigkeit abspreche, gute Lehrer zu sein, suche ich vor dem Hintergrund meiner bisherigen Erfahrungen jetzt eine(n) Klavierlehrer(in), die sowohl pädagogisch ausgebildet ist als auch ihr Instrument gut beherrscht.
 
Um zum Thema des Threads zurückzukommen: Obwohl ich Konzertpianisten keineswegs generell die Fähigkeit abspreche, gute Lehrer zu sein, suche ich vor dem Hintergrund meiner bisherigen Erfahrungen jetzt eine(n) Klavierlehrer(in), die sowohl pädagogisch ausgebildet ist als auch ihr Instrument gut beherrscht.

hallo,

ich bin überzeugt, dass es auch für Deine Interessen den geeigneten Unterricht bei "Konzertpianisten" gibt - die Frage ist, ob sich so jemand in Dir noch bequem erreichbarer Entfernung finden lässt (aber das ist eine ganz andere Frage)

Auch ich möchte Missverständnissen vorbeugen: ich hatte mich auf die sehr kritischen Anmerkungen zweier anderer Teilnehmer bezogen - nicht auf Deinen Bericht von Deinen Erfahrungen.

Wie Du schreibst:
Man muss aber sagen, dass ich einer seiner ersten Schüler war und er sicherlich seine Erwartungen an Schüler (die keine Berufspianisten werden wollen) bald danach der Realität angepasst haben wird.
und das kann ich mir sehr gut vorstellen! Das ist auch bestimmt nicht eben selten, was Du da "beobachtet" hast (((ich mache drei Klammern auf: gelegentlich dient die "Überforderung" auch der Selektion... reden wir lieber nicht darüber, denn außerhalb von Musikhochschulen macht das eigentlich nicht viel Sinn - manche brauchen aber ein paar Jahre, um das zu begreifen, womit ich die Lehrkräfte meine)))

Etwas Ungehagen bereitet mir die Forderung nach pädagogischer Ausbildung: wenn ich mir vorstelle, dass ich gerne z.B. Unterricht in Philosophie hätte (wozu ich ja z.B. ein Studium dieses Faches beginnen könnte) und dass ich gerne kundigen Unterricht hätte - wir alle wissen, dass bzgl. der Qualifikation für universitäres Lehramt begleitende pädagogische Kurse eher ein Schattendasein fristen - - - ok, ein Philosophiestudium beginnen ohnehin erst erwachsene Leute - - - wie man es auch dreht: die "pädagogischen Fähigkeiten" sind ein heikles Gelände...

Ich selber halte es für erstrebenswert, alles so gut und musikalisch wie nur irgend möglich zu spielen - egal auf welchem manuellen Niveau!!! Ich glaube, man kann - Interesse, Leidenschaft und Willen vorausgesetzt (auch eine Portion Geduld bzw. Hartnäckigkeit gehört dazu) - auch weit "unterhalb" der virtuosen Literatur das Niveau professionellen Klavierspielens erlernen und erreichen. Dein Lehrer seinerzeit hatte vermutlich den falschen Ehrgeiz, Dich in technisch-manuelle Höhen zu bringen - das ist ziemlich oft keine allzu gute bzw. praktikable Idee. Ich wünsche Dir einen Lehrer, der Dich anleitet, Inventionen, Sinfonien, technisch unaufwendige Sonaten der Wiener Klassik etc. wirklich musikalisch und sinnvoll zu spielen, und zwar so, dass kein schaler Beigeschmack dabei ist (Nietzsche konnte brillant formulieren: auf Brahms bezogen, schrieb er von der "Melancholie des Unvermögens" - genau das, ein ständig frustrierendes Gefühl des Ungenügens, sollte vermieden werden. Das ist aber auch abhängig von den Ansprüchen, die man an sich selbst stellt)

In diesem Sinne wiederhole ich meinen Rat, vermeintlich kinderleichte Stücke (Bachs Notenbüchlein, Chatschaturjans Bilder der Kindheit etc.) möglichst perfekt zunächst allein einzuüben - und das Ergebnis dann mit einem versierten Klavierpädagogen zu betrachten. Der Grund ist: man erkennt schon hier, ob und welche Defizite es gibt - und besser, man geht solchen von Grund an, von der Wurzel her zu Leibe, als dass man frustriert an den eigenen Lieblingsstücken (die können später kommen!!) übt und eben ständig dieses Gefühl des Ungenügens hat.

Ich hoffe, ich habe meine Ansicht halbwegs verständlich formulieren können.

Gruß, Rolf

p.s. besorg Dir Rudolf Kratzerts "Handbuch für Pianisten" - das ist ein wirklich gutes Buch (auch wenn manches spezielle Insistieren auf die "Alexander-Technik" - die nicht primär musikalisch/pianistisch ist! - ein wenig nervt)
 
Das Argument, dass Konzertpianisten ja auch mal klein anghefangen haben und Grundlagen unterricht bekommen haben zählt imho nicht. Schließlich haben die meisten Studenten/Studierten in ihrer Kindheit angefangen und alles ist in Fleisch und Blut übergegangen. Ich kann jetzt speziell zu Unterricht bei Konzertpianisten keine Erfahrungen wiedergeben, aber bei der Mathematik gibt es doch auch extreme pädagogische Defizite, ganz besonders bei Mathematikern, die keine pädagogische Ausbildung haben. Da fangen Bücher immer ganz schön an von wegen Idiotensicher etc und nach ein paar Seiten verfallen die Autoren wieder in das elitäre Hieroglyphen-Geschreibsel, das ein Laie kaum versteht.
 
(...)Obwohl ich Konzertpianisten keineswegs generell die Fähigkeit abspreche, gute Lehrer zu sein, suche ich vor dem Hintergrund meiner bisherigen Erfahrungen jetzt eine(n) Klavierlehrer(in), die sowohl pädagogisch ausgebildet ist als auch ihr Instrument gut beherrscht.
Unter diesen Voraussetzungen würde ich versuchen Unterricht bei einem Prof. zu finden, der unter seinen Schülern auch sehr erfolgreiche jüngere und sehr junge Schüler hat. Bei Kindern kommt man ohne päd. Geschick nicht weit und die Erfahrung mit erwachsenen Schülern wäre auch vorhanden. Und hinter erfolgreichen Schülern stehen meist Fleiß, Begabung UND ein guter Lehrer.
 
die Abwehrhaltung gegenüber der Spezies der Konzertpianisten kann ich nicht so ganz nachvollziehen. Schließlich gibt es ziemlich viele von diesen, welche unterrichten und dabei einen sehr guten Ruf haben: Elza Kolodin, Michel Beroff, Vitaly Margulis usw. usw. Manche davon sind Klavierprofessoren (man studiert bei ihnen), manche binden sich nicht fest an Hochschulen, geben aber Meisterkurse (und nicht nur solche, sondern auch andere Kurse) - - erstaunlicherweise hat sich für diese der Begriff "Klavierpädagoge" eingebürgert..

Nein, eine Abwehrhaltung nehme ich überhaupt nicht ein. Es wäre super, wenn Konzertpianisten immer auch pädagogische Fähigkeiten hätten, ohne diese durch eine spezielle Ausbildung erhalten zu haben. Aber in der Regel ist das nicht der Fall. In der Regel! Klar, es gibt immer auch Ausnahmen, also Konzertpianisten, die auch pädagogische Fähigkeiten haben.

Es ist für mich auch ein Unterschied, ob Kinder unterrichtet werden oder die zumeist hochbegabten Musikstudenten und Fortgeschrittene.


Zitat von rolf:
Verblüffend ist zudem, dass viel klavierpädagogische und -didaktische Fachliteratur von Klavierporfessoren/Pianisten verfasst ist.

Wenn ihr mal bei überschüssiger Zeit z.B. die Bücher von R. Kratzert und P. Feuchtwanger lest, werdet ihr vermutlich ein wenig ins Grübeln kommen - dort werden (von Konzertpianisten!) die Grundlagen des Klavierspiels und das pädagogische Vorgehen bei Anfängern erklärt.

Das Buch von Kratzert habe ich. Ich bin da noch lange nicht durch (ist ja auch mehr ein Arbeitsbuch und ich habe erst angefangen), aber hier geht es in der Hauptsache um Technik und Bewegung, nicht aber um Klavierpädagogik. Außerdem: Bücher sind erstmal nur Theorie und die in die Praxis umzusetzen und kindgerecht zu vermitteln, das ist eine andere Sache. Ein Kind kann mit diesem Buch wirklich nichts anfangen. Da braucht es schon einen Lehrer, der das übersetzt und die Übungen auch vormacht. Und auch ich zweifle, ob ich alles richtig verstehe.

Die Fähigkeit, ein Fachbuch zu schreiben, ist für mich jedenfalls noch keine Garantie dafür, dass pädagogische Fähigkeiten vorhanden sind.

Liebe Grüße aus Tirol!
Vera
 

ich habe ebenso keine "abwehrhaltung" gegenüber berufsmusikern, in diesem fall konzertpianisten. ich habe auch nichts dagegen, wenn sie unterrichten, dass dürfen sie sogar, schüler können da nur profitieren. es gibt aber leider nur wenige, die es wirklich verstehen. in meinem letzten beitrag bezog ich mich daher auch auf "einige"der konzertpianisten, die wenig pädagogisches geschick in ihrem unterricht beweisen und dem schüler dadurch den zugang zur musik nur erschweren.
ich kenne in meiner streichersparte viele berufsmusiker, die nebenher unterrichten (müssen!). ein paar können es wirklich und gerne besuche ich die kleinen konzertabende der schüler. die fortschritte sind da, bei allen - einige schüler sind talentierter, begreifen inhalte schneller, andere nicht-das ist auch normal - aber im durchschnitt zeigt sich die lehrerqualität bei den schülern in den vorspielen.
andere vorspiele habe ich auch erlebt. selbsternannte lehrer (durchaus gute geiger!!) gaben halbjährlich konzertabende, die einfach nur grausam waren. intonation war bei den meisten schülern daneben, teilweise lieblos hinunter gegeigelt, instrumente wurden auch nur unzureichend gestimmt. schüler wurden in watte gepackt, übermäßig gelobt und die eltern glaubten den besten lehrer überhaupt zu haben...
 
Ich wünsche Dir einen Lehrer, der Dich anleitet, Inventionen, Sinfonien, technisch unaufwendige Sonaten der Wiener Klassik etc. wirklich musikalisch und sinnvoll zu spielen, und zwar so, dass kein schaler Beigeschmack dabei ist (Nietzsche konnte brillant formulieren: auf Brahms bezogen, schrieb er von der "Melancholie des Unvermögens" - genau das, ein ständig frustrierendes Gefühl des Ungenügens, sollte vermieden werden. Das ist aber auch abhängig von den Ansprüchen, die man an sich selbst stellt)

Ja, genau, das ist es. Vielen Dank für Deinen guten Wunsch! Ich hoffe auch, eine(n) solche(n) Klavierlehrer(in) zu finden.

In diesem Sinne wiederhole ich meinen Rat, vermeintlich kinderleichte Stücke (Bachs Notenbüchlein, Chatschaturjans Bilder der Kindheit etc.) möglichst perfekt zunächst allein einzuüben - und das Ergebnis dann mit einem versierten Klavierpädagogen zu betrachten. Der Grund ist: man erkennt schon hier, ob und welche Defizite es gibt - und besser, man geht solchen von Grund an, von der Wurzel her zu Leibe, als dass man frustriert an den eigenen Lieblingsstücken (die können später kommen!!) übt und eben ständig dieses Gefühl des Ungenügens hat.

Ich hoffe, ich habe meine Ansicht halbwegs verständlich formulieren können.

Ja, inzwischen kann ich Deine Ansicht nachvollziehen.

Vermutlich ist es am besten, wenn ich zu diesem Zweck Literatur nehme, die ich in der Vergangenheit noch nicht gespielt habe, die also sozusagen unbelastet ist. Die üblichen Verdächtigen, Schumanns "Album für die Jugend" oder Bachs "Notenbüchlein", kommen also nicht in Betracht.
Ich könnte mir vorstellen, dass es für mich spannend ist, einige leichte/mittelschwere Stücke aus Bartóks "Mikrokosmos" zu spielen. (Habe vor langer Zeit etwas daraus gehört und war von der ungewohnten Tonalität beeindruckt, selbst gespielt habe ich aber noch nichts davon.)
Welchen Band bzw. welche Bände des Mikrokosmos würdest Du empfehlen? (Gibt es unterschiedliche Ausgaben der Noten?)
Gern höre ich mir auch vorher eine CD-Einspielung an. Kennt jemand eine empfehlenswerte Aufnahme?


p.s. besorg Dir Rudolf Kratzerts "Handbuch für Pianisten" - das ist ein wirklich gutes Buch (auch wenn manches spezielle Insistieren auf die "Alexander-Technik" - die nicht primär musikalisch/pianistisch ist! - ein wenig nervt)

"Handbuch für Pianisten" klingt recht professionell. Ich nehme dennoch an, dass darin auch Tipps für Hobby-Musiker stehen.
Vielen Dank für Deine zahlreichen Anregungen!
 
Kennt jemand eine empfehlenswerte Aufnahme?
1. Tip: http://www.amazon.de/Mikrokosmos-Je...=sr_1_1?ie=UTF8&s=music&qid=1263052512&sr=8-1

2. Tip: Diese Aufnahme hat zwar nichts mit dem Mikrokosmos zu tun, können aber den Einstieg erleichtern. http://www.youtube.com/watch?v=goX-ekpbktQ&feature=related Jenö Janda sitzt am Klavier - ein ganz hervorragender Klaviervirtuose.

3. Tip:Hier erstrahlt die Aura Bartóks in seiner Heimat. Er spielt u.a. den Allegro Barbaro: http://www.youtube.com/watch?v=2Es88Z--QfY&feature=related Hörst Du den Klang der ungarischen Sprache heraus, verstehst Du auch seine Musik.
und das:
http://www.youtube.com/watch?v=uE7Naw7AqtY&NR=1
und das:
http://www.youtube.com/watch?v=rTBC734Lljk&feature=related

Der Mikrokosmos besteht nur aus Überraschungen. Kein Stück gleicht dem anderen. Bei Bartók entdeckt man, wie tückisch das Klavierspielen ist. Man kommt nicht umhin sich mit jeder Note auseinanderzusetzen, auch wenn die Stücke noch so kurz sind.

Sein Sohn schreibt: "Sein Lehrprogramm folgte durchaus nicht der bewährten Methode irgendeiner "Klavierschule". Zu Beginn mußte ich nur singen. Später wurden Übungen improvisiert, die zum Teil die unabhängige Kontrolle der Finger zum Ziel hatten. Manchmal bat er mich im Verlauf unserer Klavierstunde zu warten. während er sich an deinen Schreibstisch setzte, und ich nur das Kratzen seiner Feder vernahm. Ein paar Minuten später brachte er mir dann gewöhnlich eine Übung oder ein kurzes Stück, das ich sogleich enztiffern und später für die nächste Stunde einstudieren mußte ...."

unabhängige Kontrolle der Finger - genau darum geht es im Mikrokosmos
Der Mikrokosmos ist ein hartes Stück Arbeit, die aber zu diesem Ziel führen kann.
 
Hallo,

es gibt auch "Für Kinder" von Bartok mit sehr interessanten Stücken. Der Mikrokosmos ist teilweise etwas gnadenlos.
 
Zunächst mal vielen Dank an Kulimanauke für die Hinweise zu Bartók.



Hallo,

es gibt auch "Für Kinder" von Bartok mit sehr interessanten Stücken. Der Mikrokosmos ist teilweise etwas gnadenlos.

Das verstehe ich jetzt nicht ganz. Der "Mikrokosmos" besteht doch aus 6 Bänden, von denen - soweit ich es bislang verstanden habe - nur die beiden letzten Bände höhere pianistische Anforderungen stellen. Aus den übrigen sollte man sich doch Stücke aussuchen können, die nicht zu kompliziert sind.
Oder sehe ich das falsch?

Deshalb frage ich mal ganz naiv: Welche Bände des "Mikrokosmos" sind denn "leicht bis mittelschwer", ohne trivial einfach zu sein? ;)
 
Welche Bände des "Mikrokosmos" sind denn "leicht bis mittelschwer", ohne trivial einfach zu sein? ;)
Entschuldige, Clavifilius, welche der Bände leicht bis mittelschwer sind, ist nicht so einfach zu beantworten. Ich finde jeder Band hat es in sich. Es gibt Stücke, die etwas leichter scheinen, es aber dann doch in sich haben und andere wiederum leichter in den Fingern sind. Das hängt vom Spieler ab, wie weit er ist, wie gut er Noten lesen kann ... Hast Du einen Notenladen in Deiner Nähe? Schau einfach mal selbst in die Hefte.

Entschuldige DoctorGradus: Was sind interessante Stücke, was sind gnadenlose Stücke? Bartók ist nicht Heumann und auch nicht die russ. Klavierschule. Ich arbeitete sehr lange am Stück 73 aus dem Band 3 "Sexten und Dreiklänge". Das Stück ganz allgemein darauf geguckt, sieht ein bißchen forztrocke aus, aber je mehr ich mich damit auseinandersetzte, je mehr Musik pulsierte aus meinen Händen. Das AHA-Erlebnis muß man sich schon erarbeiten. Ja, das ist natürlich der Weg.

Béla Bartók's Stücke sind nicht jedermanns Sache, man muß sie ja auch nicht alle spielen und doch kann man den Mikrokosmos als "die Welt der Kleinen, der Kinder" (Bartók) verstehen. Wer Bartók spielt, lernt mit seinen Fingern am richtigen Ort im richtigen Moment zu sein. Denn meistens sind es die Finger, die schleppend dem Geist folgen. Theoretisch ist uns doch alles klar ;).
 
"Handbuch für Pianisten" klingt recht professionell. Ich nehme dennoch an, dass darin auch Tipps für Hobby-Musiker stehen.

hallo,

keine Bange!!! Dieses Buch erklärt gerade "Anfänger"-Fragen und Grundlagen sehr schön, auch vermittels vorgestellter Übungen - also keine Angst wegen des Titels! :)

Und weiterhin keine Bange: in diesem Buch werden an ausgewählten Beispielen auch fortgeschrittene und richtig "pianistische" Fragen erörtert und erklärt. Ich empfehle es Dir als Lektüre und als Fundgrube.

Bartok: der letzte Band des Mikrokosmos wird wohl zu schwierig sein, die ersten Bände aber bieten viel sinnvolles und hifreiches - da wird Dir speziell für Dich die Auswahl eines guten Lehrers nützlich sein.

Deine Idee, etwas zu spielen, was Du früher nicht angefasst hast, ist prima!!!

Gruß, Rolf
 
Guten Morgen!

...es gibt auch "Für Kinder" von Bartok mit sehr interessanten Stücken.
Der Mikrokosmos ist teilweise etwas gnadenlos.


Ein Vergleich zwischen "Mikrokosmos 1-6" und "Für Kinder 1-4"
ist sehr reizvoll. Wertungen sind dabei nutzlos, sie entsprechen
dem berühmten Vergleich von Äpfeln und Birnen.

"Mikrokosmos" ist der spätere Zyklus, aus einer Zeit, in der Bartoks Personalstil
bereits ausgebildet war, und er ist - in der Anordnung der Stücke -
geradezu ein klavierpädagogisches Kompendium, ganz und gar durchdacht.
Musikalische Anregungen entnimmt Bartok dem gesamten Balkanraum.
Bartoks entwickelter Personalstil äußert sich in einer gewissen Sprödigkeit
der Harmonik.

"Für Kinder" ist der früher entstandene Zyklus - einfach eine Sammlung
sehr schöner, leicht spielbarer Miniaturen, in Aufbau und Anordnung
ohne erkennbaren didaktischen Plan. Die folkloristischen Anregungen
entstammen vorwiegend ungarischer und rumänischer Bauernmusik
(wenn ich's richtig in Erinnerung habe).
Bartoks Personalstil ist noch nicht voll und ganz entwickelt,
das macht sich im Abwechslungsreichtum der Harmonik bemerkbar.
Wörtlich Wiederkehrendes vermeidet Bartok gern, er harmonisiert dann neu,
und seine Harmonik vereint Heterogenes oft in ein- und demselben Stück:
Neben sehr dissonanzenreichen "modernen" Abschnitten steht brav Funktionstonales,
Kirchentonalität neben harmonischen Ausweichungen,
die spätromantisch oder "impressionistisch" wirken,
ohne im Kontext der Liedmelodien fremd oder unpassend zu sein -
zu verstehen, wie Bartok das schafft, ist ein eigenes Studium dieser Stücke wert...

Herzliche Grüße,

Christoph
 
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Hey,

ich wollte den Mikrokosmos nicht verteufeln, ich wollte damit lediglich sagen, dass ich die Stücke im Mikrokosmos viel anspruchsvoller fand als Für Kinder, weil sie (Mikrokosmos) trockener gestaltet sind (Christoph beschreibt ja den Reiz der Für Kinder Stücke sehr treffend). Z.B. zeigte mir die Nr. 39 "Staccato und Legato", wie schwierig es ist Staccato und Legato gleichzeitig zu spielen. Ich fand das beim Wiedereinstieg sehr ernüchternd (Um nicht zu sagen ich hatte manchmal das Gefühl kein Klavier spielen zu können, das waren doch so wenige Noten, teils nur wenige Takte und ich hatte trotzdem große Probleme). Das es für das eigene Klavierspiel methodisch sehr sinnvoll ist diese Übung zu spielen und zu beherrschen ist wohl klar. Ich finde es gibt auch sehr schöne Stücke, wie z.B. nur wenige Seiten weiter die Nr. 43, Ungarisch.

Weil Gnadenlos ein bisschen nach Guillotine klingt nehm ich das Wort zurück :-) (garnicht so leicht nachdem es mal ausgeschrieben ist). Vielleicht könnte man meine Gefühle zum Mikrokosmos besser so formulieren: Der Mikrokosmos ist wie eine Sammlung grundlegender Schachprobleme. Studiert man sie, wird man ein wesentlich besserer Schachspieler werden und am Knacken der Probleme hat man auch seine Freude. Man kann aber auch eine gute Weile an einem Problem sitzen und nicht auf die Lösung kommen. Und um wieder auf die Musik zu kommen: Manches lernt sich einfach leichter in einem Lied, dass man vor sich hersummen kann.

Mein erster Beitrag in diesem Forum war übrigens folgende Frage: https://www.clavio.de/forum/klaviernoten-cds-buecher-software/5437-neue-klassische-musik.html Ich hoffe das zeigt dass ich eigentlich ein Bartok Freund bin ;-) Nicht zuletzt er hat mich eigentlich wieder ans Klavier gebracht.

Einspielungen aus "Für Kinder" von Walter: https://www.clavio.de/forum/einspielungen-unserer-forum-mitglieder/5512-bartok-fuer-kinder.html Der Schweineherdentanz lohnt sich ganz besonders.

@Christoph: Deinen Text über Für Kinder und den Mikrokosmos finde ich sehr gelungen. Für Kinder enthält meines Wissens Hauptsächlich ungarische und slowakische Melodien. Aber vielleicht erfährt man da auch einiges aus den Titeln der Stücke, ich habe hier eine russische Ausgabe und kann die Titel nicht übersetzen.
 
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