Ja richtig, ein firmen-eigenes Ausbildungssystem.
Ich kenne es von Steinway in New York, aus mehreren Büchern.
Es gibt in den USA keine gewerbliche "Lehrzeit" - wie bei uns und in Österreich die 3.5-jährige Lehrzeit. Es gibt mehrere Accounts, Bücher und Zeitschriftenbeiträge, in denen beschrieben ist, wie Steinway in New York City an seine Arbeiter kommt. Normalerweise werden sie auf eine bestimmte Position nach Eignung ausgesucht, ca. 3-6 Monate, bevor jemand geplant altershalber ausscheidet, und in dieser Zeit beim Vorgänger oder in dessen Gruppe angelernt. Teils sind es die Kinder von Werksangehörigen, die auch ein gewisses "Prä" genießen, weil man annimmt, dass sie schon von zuhause den "spirit" fürs Klavierbauen einatmeten. Teils werkeln daher Mitarbeiter am 1 Steinway Place in Ditmars, Queens in der dritten Generation.
Problematische Zeiten hat es bei Steinway immer dann gegeben, wenn größere Bewegungen im Arbeitsmarkt waren, oder kritische Zeiten, in denen die Firma sparen musste und oder ihre Leute kurz hielt, kurz halten musste. Dann geht Erfahrungswissen und Knowhow verloren, denn selbst wenn die Prozesse nunmehr angeblich alle dokumentiert seien, wie es der Leiter der Möbelvorfertigung mal benannte, so ist doch ein Teil der Tätigkeiten so derart hoch speziell, dass nur ein einziger Mitarbeiter oder zweie das exakte Wissen haben, plus ggfs. die intellektuelle Kapazität, um die Arbeit korrekt zu tun.
Klassisches Beispiel: der Zusammenbau von Resonanzboden und Möbel... Die dort erforderlichen Überlegungen betreffs späterer korrekter Saitenhöhen beim Bestimmen der Steghöhen, und das vorige Einleimen des Resonanzbodens auf die vorgefräste Innenkontur sind derart komplex, dass selbst Ingenieure nicht sofort exakt wissen, was da wie wann genau zu machen ist.
Es gibt daher auch interne Wechsel, dass man bestimmten Mitarbeitern anbietet, höherwertige, dann auch besser bezahlte Tätigkeiten einzunehmen, wie es z.B. der in der Endfertigung zur Präparation der D-Konzertflügel tätige Mitarbeiter beschrieb, der zuvor jahrelang kleinere Flügel "machte" und nun stolz sagen kann, "I do the D".
Selbst Andrew Horbachevsky, Boss der Möbel-Vorfertigung, der Ingenieur ist, hat zu Teilen großen Respekt vor der intimen Kenntnis der Arbeitsprozesse. Und immer auch ist es noch so, dass die Klavierbauer wie vor 140 Jahren noch teils eigene Werkzeuge und Verbesserungen haben, die quasi "ihr persönliches Eigentum" sind, die nicht dokumentiert sind... und auch ihre Werkzeugboxen an Nachfolger, die sie für kompetent halten, weitergeben. (Flog ein Mitarbeiter vor 100 Jahren raus, dann nahm er seine Werkbank mit raus - die er zuvor selber reingetragen hatte, oder einem Vorgänger bezahlt hatte.)
Also insgesamt sind es in den USA komplett andere Arbeitszusammenhänge, als man es hierzulande so kennt. Die früher gängigen Stück-Akkorde allerdings sind bei Steinway schon seit ca. 15 Jahren gegen feste Monatslöhnung ersetzt - was nicht heißt, dass man es lau angehen lassen könne, es existieren schon durchaus Erwartungen, wieviel Stückausbringung einer so machen sollte, damit er im Plan liegt, denn mit der Arbeitskraft wird bei Steinway genauso geplant, wie ich das aus deutschen Maschinenbaubetrieben kenne.
Vor einigen jahren allerdings wurde - bislang in Büchern noch nicht detailliert beschrieben - einiges von den Hamburger Produktionsprozessen auch in New York implementiert, zusammen mit einigem Führungspersonal, und auch der Möglichkeit, nun in den USA auch die Flügel wahlweise mit Polyester auszurüsten. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass diese - die Wertschätzung der New Yorker Flügel gehoben habenden - Maßnahmen eine komplette Änderung der Ausbildungen der US-Flügelbauer beinhalteten, die einer 3.5-jährigen Lehre hierzulande entsprächen. Weiterhin werden die Arbeiter dort angelernt.
Interessant - nebenbei - fand ich in einem Buch die Beschreibung des Fertigungstechnik-Speziallisten Andrew Horbachevsky, dass die Fertigung von Steinway - auch für ihn überraschend - "Anti-Manufacturing" sei - so vieles sei anders, laufe anders, habe andere Werte- und Qualitätsvorstellungen als in den gängigen Industrien der USA. (Er kommt aus der Automobilzulieferei.) Er begründete das nicht näher, das war eine sehr persönliche Wertung, und ich las es so, dass er heilfroh sei, mit den überaus komplexen Zusammenhängen bei Steinway dann doch zurechtgekommen zu sein....
Ich kann das aber gut nachvollziehen. Ich bin auch Ingenieur, Maschinenbauer und Spezialist der Fertigungstechnik, habe als Produktionsleiter in einem Gleitlagerwerk über 300 Leute gehabt, und was dort die Schleuderguss-Leute, was die Feinbohrer veranstalten, oder gar die Galvaniseure...., das habe ich auch immer mit hohem Respekt betrachtet.
Das Galvanisieren von Gleitlagern mit dem Abscheiden "ternärer Schichten", also drei verschiedene Stoffe im richtigen Mix und in der richtigen Dicke... auf die Stahträgerschicht und die Bronze-Basis..., das ist mir bis heute ein Buch mit sieben Siegeln. Ich hatte da einen alten Fahrensmann von Rollei, der konnte komplett alleine wirtschaften, ich habe ihm niemals reingeredet, ihm nur gesagt, wenn etwas extrem eng war in den Zeitabläufen... Man muss einfach wissen, wo man seine Leute besser in Ruhe lässt..., und ich denke mir, dass das in der Fertigung von Klavieren und Flügeln teils ähnlich ist...
Sachen des Respektes. Respekt vor der "craftmanship". Wie es die neckischen Schilder im Heckfenster britischer Oldtimer ansagen: "All parts falling off of this car are of the finest british craftmanship!"
Der normale Krams mit Fräsen, Drehen, Bohren, Bleche schneiden, Werkzeugbau, Messerei, hatte mich nicht so sehr beeindruckt, das kannte ich alles, aber diese Fertigungsschritte - in einem ähnlich "fertigungstiefen" Prozess wie im Flügelbau - über 95% der Wertschöpfung in der eigenen Hütte.. - ganz wenig Zukauf nur - das ist etwas, das der Gleitlagerbau und der Flügelbau gemeinsam haben.
Sandy Horbachevskys Job (oder den von Michael Mohr, Leiter der Musikinstrumentenfertigung = ab Einbau Reso-Boden) möchte ich dennoch nicht geschenkt.