Neue Musik

Ich muss an das Bild von Maurice Ravels 1895er Klasse bei Beriot denken. (https://de.wikipedia.org/wiki/Maurice_Ravel)
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Eine tolle Leistung der (deutschen) Wikipedia ist, dass man tatsächlich alle Personen identifizieren konnte. Fast alle dieser Personen sind heute völlig vergessen. Damals hat der Musikbetrieb jedes Jahr eine Reihe solcher Klassen "produziert". Wir sehen die im Abstand von mehr als 100 Jahren im Zeitraffer und nehmen nur noch die Spitze des Eisbergs wahr. Der Rest ist vergessen. Die gleiche Empfindung habe ich, wenn ich in älteren Noten die "Teaser" für damals aktuelle andere Kompositionen finde. Völlig vergessen.

Wenn wir über "zeitgenössische" Musik sprechen, haben wir diesen Zeitraffereffekt nicht in gleichem Maße. Es könnte also sein, dass in 100 Jahren sämtliche Personen, die in dem Darmstädter Ferienkurs eine "Bauchbinde" haben, genauso vergessen sind, wie die Kommilitonen von Ravel. Es könnte dann sein, dass die zweite Hälfte des 20. Jhr. nur als John Williams und Minimal Music wahrgenommen wird und der Rest als vergessen und nur noch als Material für musikhistorische Dissertationen und Habilitationen taugt. (Das soll keine Wertung sein, sondern ein Szenario, dass vielleicht überraschend, aber denkbar ist)
 
Und dazu noch der moralische Zeigefinger, Politisierung der Kunst, man kann sie kaum noch von Propaganda unterscheiden (siehe Documenta). Über diese "Entkunstung der Kunst" hat der liebe Teddy natürlich auch schon kluge Dinge geschrieben, aber solangsam wird es mir peinlich :D

Medienapplaus kriegt man leicht durch Politisierung.
Wenn man Black live matters, Refugees welcome, Klimaschutz oder Feminismus mit seiner Kunst in Verbindung bringt, kriegt man ziemlich sicher Lob.

Milo Moire ist da ein extremes Beispiel.
 
Wenn man sich in dem Video anhört, wie Lachenmann versucht, das Phänomen "neue Musik" zu umschreiben, bekomme ich den Eindruck, der glaubt selbst nicht daran, dass das "Kunst" ist, die irgendwie verstanden werden kann.
 
Ich möchte noch als kleine Anstöße was in die Runde werfen.

Eines meiner Lieblingszitate:
"Oh, diese modernen! Das soll noch Musik sein?"
(Zitat aus dem "Speculum musicae" des Jakobus von Lüttich, anno 1350)

Sturgeons Gesetz:
Knapp 90 Prozent von allem ist Mist.
Die alte Musik hat schon die Verklärung hinter sich, die 90% hat man zu einem großen Teil vergessen oder sind nicht präsent, die guten 10% haben überlebt. Dieser Prozess steht der aktuellen Musik noch bevor.

Hörerlebnis:
Ich kann entspannt Bebop hören, für andere ist das eine kakophone Abfolge unverständlicher Töne. Wenn es nach der Mehrheit ginge, wäre Bebop tot. Dito Free Jazz. Ob das einem liegt oder nicht, muss man ausprobieren. Keiner muss allesmögen. Und umgekehrt darf auch Musik gespielt werden, die ich nicht mag. Wieviele Steuergelder gehen für Mozart drauf!? Den mag ich nicht. Ist aber OK, dass er gespielt wird.

neue Musik hören:
Ja, manche Musik musste ich mir in der Tat etwas erkämpfen. Wer nur isst, was er kennt, wird sein Leben lang nur Milupa essen. Ich kenne Leute, die leb(t)en in Deutschland und haben noch nie Lasagne oder Pizza gegessen. Ich weiß von einem Vertreter dieser Spezies: ein 'anständiges Mittagessen' so aus: Fleisch, Kartoffeln, Gemüse. Es gibt soch so viel zu entdecken!

komische Dinge mit Musikinstrumenten machen:
Ist auch so eine Geschichte. Macht man das, schütteln die Leute den Kopf. Was das nur soll!?
Mach man es nicht, wird den Komponisten vorgeworfen, ja nicht wirklich was neues zu machen. Klingt ja 'altbekannt'.
Wasch mich, mach mich aber nicht nass. Neu, ja, aber nicht zu neu.

Musik:
"...
Musik ist eine Kunstgattung, deren Werke aus organisierten Klängen bestehen, die Empfindungen oder Assoziationen hervorrufen können.
..."
Das leistet doch Neue Musik. Man bachte das 'können' am Ende.
Helene Fischer ist auch Musik. Assoziation 'Übelkeit', Emotion 'bloss weg hier'. ;-)

Grüße
Häretiker
 
Wieviele Steuergelder gehen für Mozart drauf!? Den mag ich nicht. Ist aber OK, dass er gespielt wird.
Wo darf ich den lieben Joseph anmelden? Der würde sich auch gern in die Reihe stellen.😁🍷

Mach man es nicht, wird den Komponisten vorgeworfen, ja nicht wirklich was neues zu machen. Klingt ja 'altbekannt'.
Neues Instrument erfinden? Ist zwar mühsam aber war ja Gang und gebe….. bisher jedenfalls. Man schwört wohl nur dem ab was keinen Aufwand macht neu zu erfinden.

Musik ist eine Kunstgattung, deren Werke aus organisierten Klängen bestehen
Wie organisiert kann ein Gummiball sein der auf hunderten Saiten nach dem Zufallsprinzip durch einen Flügel hüpft?
Wie organisiert kann es seinen wenn man von „klingt vielleicht zusammen“ spricht?
 
Neues Instrument erfinden? Ist zwar mühsam aber war ja Gang und gebe….. bisher jedenfalls. Man schwört wohl nur dem ab was keinen Aufwand macht neu zu erfinden.

Das ultimative flexibleInstrument gibt es bereits. Es ist viel Flexibler, als es eine mechnische Konstruktion je sein kann, wenn man nicht gerade übermäßigen Konstruktive Aufwand reinsteckt.

Wie organisiert kann ein Gummiball sein der auf hunderten Saiten nach dem Zufallsprinzip durch einen Flügel hüpft?

Orgeanisaiton bedeutet nicht,dass es absolut keinen Zufall gibt.
Die Orgeanisation kann eben schion darin bestehen, dass Du
- einen Flügel nimmst
- aus verschiedenen Gummibällen vielleicht einen erwaählst
- mit anderen Parametern wie initiale Fallhöhe spielst

Wenn Zufall 'verboten' wäre, dann würde jeder Synth-Path mit einem Random-LFO keine Musik sein. Oder jeder alte Synthesizer, der in seinen Oszillatoren driftet.

Wie organisiert kann es seinen wenn man von „klingt vielleicht zusammen“ spricht?

Siehe oben, Zufall ist ja m.E. nicht verboten.

Vielleicht sollte man organisieren interpretieren als: Es wird bewusst eine Handlung durchgeführt. Im Gegensatz zu irgendwelchen Hintergundgeräuschen, die intentionslos passieren. Ist ein selbstspielender Ambient-Patch auf einem Modularsystemkeine Musik? Ich kann zwar nicht mit 100%ider Sicherheit sagen,wann welches Ereignis statt finde und wie es exakt klingt und ob andere Ereignisse gleichzeitig passieren, aber ich schließlich den ganzen Aufwand bewtrieben, die Strippen zu ziehen und die Reglereinzustellen, um in RIchtung eines gewünschten Ergebnisses zu kommen.
Sprich:
Ist das Musik? Oder kann das weg?



Grüße
Häretiker
 
In der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhundert sind sicherlich nicht weniger musikalische Meisterwerke entstanden wie in jenen Zeiträumen zuvor. Ob die Leute das wertschätzen können ist eine andere Frage aber wenn Leute wie die Schreiber in diesem Thread es missverstehen, ist es dann die Schuld der Musik?
Und was genau ist die Alternative? Nur noch Musik aus <= 19tem Jahrhundert aufführen? Komponisten zwingen nur noch "publikumsgerechte" Kost zu kreieren?

Edit: Noch eine andere Frage - Lässt sich denn wirklich klar sagen dass die Musik Beethovens zu seiner Zeit beliebter war als die moderne Musik heute oder ist das mehr ein Gefühl?
 
aber wenn Leute wie die Schreiber in diesem Thread es missverstehen, ist es dann die Schuld der Musik?
Musik ist an garnix Schuld. Aber der Künstler kann weitestgehend beeinflussen, ob und von wem sein Kunstwerk verstanden wird oder nicht.
Wenn Kunst von niemandem mehr verstanden wird (und die Worte von Herrn Lachenmann im oben verlinkten Video sagen genau das aus), ist die Frage nach ihrer Daseinsberechtigung oder besser nach ihrer Förderung legitim. Da verstehen ja nicht mal mehr die Interpreten, was sie da tun, geschweige denn die Hörerschaft.
Interessant fände ich eine ausführliche Analyse/Beschreibung des Autors selbst. Es muss möglich sein, Kunst verständlich zu machen, und nicht damit abzutun, dass es halt wie Goethe auf Chinesisch ist.
 
Ich halte das ehrlich gesagt für einen Irrglauben dass sich Komponisten je viel Gedanken darum gemacht haben wer genau ihre Musik versteht. Denkst du dass das z.B. bei Bachs Kunst der Fuge der Fall war?
Nichts von Lachenmanns Worten sagt aus, dass niemand die Musik versteht, welche Stelle meinst du? Macht auch keinen Sinn, denn Komponisten wie Nono, Feldman oder Kurtag haben ja durchaus eine Anhängerschaft (inklusive mir ;) ), irgendwas muss ja scheinbar rüberkommen.
 
. Ob die Leute das wertschätzen können ist eine andere Frage aber wenn Leute wie die Schreiber in diesem Thread es missverstehen, ist es dann die Schuld der Musik?
Steile These, dass die Ablehnung von Teilen dessen, was als Neue Musik präsentiert wird, daran liegt, dass „die Leute“ die Musik „missverstehen“, in Anbetracht dessen, dass schon statistisch 90 % sich als Schrott erweisen wird, der wieder in Vergessenheit geraten wird.
Und was genau ist die Alternative? Nur noch Musik aus <= 19tem Jahrhundert aufführen? Komponisten zwingen nur noch "publikumsgerechte" Kost zu kreieren?
Hier wurden schon Strawinsky, Messiaen, Ligeti genannt. Um ein reaktionäres Musikverständnis geht es also nicht.

Aber die Offenheit dafür, jeden Käse auf eine intellektuelle Ebene hieven zu wollen, ist eher ein Zeichen von Orientierungslosigkeit. Und dafür ist der „hurz“ von Hape Kerkeling ein immer noch schönes Beispiel.
 
Zuletzt bearbeitet:

90 % waren auch zu Mozarts Lebzeiten Schrott, und nun? Wenn gewisse Komponisten Begeisterung auslösen können, dann sehe ich das Problem nicht. Man muss nicht alles mögen. Ich bin kein Fan von Haydn, kann aber die Qualität seiner Musik wertschätzen. Ebenso sollten Leute versuchen die Qualität von Luigi Nonos Musik wertschätzen zu können.
 
Es könnte dann sein, dass die zweite Hälfte des 20. Jhr. nur als John Williams und Minimal Music wahrgenommen wird und der Rest als vergessen und nur noch als Material für musikhistorische Dissertationen und Habilitationen taugt.
Eher nicht. Es gibt ja eine ganze Reihe von Werken aus der Zeit nach 1945, die jetzt schon zum "kanonischen" Standardrepertoire gehören und die regelmäßig auch ein großes, begeistertes Publikum finden.

Beispiele sind Messiaens Turangalîla-Sinfonie, Ligetis Klavieretüden, seine Musica ricercata, die Atmosphères, Zimmermanns "Die Soldaten", Berios Sequenze, Boulez' 12 Notations, Stockhausens "Gesang der Jünglinge" und seine Oper "Licht", Schostakowitschs späte Sinfonien, Strawinskis "The Rake's Progress", Pärts "Spiegel im Spiegel" Pendereckis Anaklasis oder auch "Die Teufel von Loudon".

Nicht zu vergessen, dass auch Strauss' "Vier letzte Lieder" nach 1945 entstanden sind. :blöd:
 
Eher nicht. Es gibt ja eine ganze Reihe von Werken aus der Zeit nach 1945, die jetzt schon zum "kanonischen" Standardrepertoire gehören und die regelmäßig auch ein großes, begeistertes Publikum finden.

Beispiele sind Messiaens Turangalîla-Sinfonie, Ligetis Klavieretüden, seine Musica ricercata, die Atmosphères, Zimmermanns "Die Soldaten", Berios Sequenze, Boulez' 12 Notations, Stockhausens "Gesang der Jünglinge" und seine Oper "Licht", Schostakowitschs späte Sinfonien, Strawinskis "The Rake's Progress", Pärts "Spiegel im Spiegel" Pendereckis Anaklasis oder auch "Die Teufel von Loudon".

Nicht zu vergessen, dass auch Strauss' "Vier letzte Lieder" nach 1945 entstanden sind. :blöd:
Die kommen auch ganz ohne Geschirrtücher, Hupfbälle und Zahnbürsten aus…!
 


Das hier ist auch für die meisten Musikinterssierten zugänglich würde ich behaupten. Das ist schon eine ganz eigene Welt. Ich liebe diese Preludes.

Aber wenn mir einer mit Zahnbürsten kommt oder meint seine zu langen Fingernägel an Basssaiten kurz feilen zu müssen während ein anderer Atem Übungen durch eine Flöte macht und dabei mit einem Knäckebrot-Blick versucht Intellektualität hineinzureden…. Steig ich aus.
 
Das hier ist auch für die meisten Musikinterssierten zugänglich würde ich behaupten. Das ist schon eine ganz eigene Welt. Ich liebe diese Preludes.
Das sind sehr frühe Werke, die noch dem Impressionismus verhaftet sind. Die sind älter als beispielsweise Ravels Klavierkonzerte.
Aber wenn mir einer mit Zahnbürsten kommt oder meint seine zu langen Fingernägel an Basssaiten kurz feilen zu müssen
Ich finde das hier toll und habe es selbst mehrere Male aufgeführt - das erste Mal mit 13 in einem Weihnachtskonzert meiner Schule. Das Stück kam sehr gut an, sowohl bei meinen Mitschülern als auch bei den Eltern im Publikum:


Das hier macht auch viel Spaß - beim Spielen ebenso wie beim Zuhören:
 
Das hier macht auch viel Spaß - beim Spielen ebenso wie beim Zuhören:
Das kannst jeden Abend im Frau Mayer hören. Da wird gejamed und was du hier an Klängen hörst ist Cajon, 2 Gabeln, ein paar Finger und eine Tischplatte. (Meinetwegen noch paar Finger und die Stäbe eines Treppengeländers) auch die Rhythmen find ich garnicht „neu“.

Begeistert mich daher wie eine „innovatives“ Tutorial dass man statt mit einem Wischtuch auch mit einem angefeuchteten Socken wischen kann.😆 ja kann man machen aber wozu wenn’s ein Wischtuch gibt?

Warum also ein hochentwickeltes Inszrumen präpen wenn das was dabei rauskommt „Frau und Herr Mayer trommeln mit den Fingern am Geländer“ rauskommt. Ja weil das natürlich nix für die anspruchsvolle Bühne wäre wenn man ein Stück Treppenhaus ins Konzerthaus stellt und jemanden drauf trommeln lässt. Da fehlt dann das Niveau was der Flügel und das ganze drumherum irgendwie schaffen muss hochzuziehen weil der per Definition mit Kunst und Präzision assoziiert wird. Wie der Name eines guten Restaurants das nach Verkauf
(Zumindest für einen gewissen Zeitraum) Kunden trotz schlechter Küche zieht. Würde man die fettigen labbrigen Pommes an der Dönerbude verkaufen, würde man den Inhalt sofort erkennen und nicht zumindest versuchen darin noch einen Sternekoch zu schmecken. Also empfinde ich das als offenkundigen Versuch verarscht zu werden. Mehr Schein als Sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Beim Präparieren von Instrumenten ist es wie beim Komponieren.

Man kann einen bestimmten Klang erreichen wollen oder man macht einfach irgendetwas Seltsames zum Selbstzweck und erklärt sich für besonders avantgardistisch und intellektuell.

Mir fällt gerade bezüglich präparierter Instrumente Tabula rasa von Pärt ein.
Meiner Meinung nach ein gelungenes Werk.
 
Beim Präparieren von Instrumenten ist es wie beim Komponieren.

Man kann einen bestimmten Klang erreichen wollen oder man macht einfach irgendetwas Seltsames zum Selbstzweck und erklärt sich für besonders avantgardistisch und intellektuell.

Mir fällt gerade bezüglich präparierter Instrumente Tabula rasa von Pärt ein.
Meiner Meinung nach ein gelungenes Werk.


hab ich mir grad angehört und finde es klingt durch und durch nach neo classic. für mich ist das ein nichts sagendes Geplätscher was ich als Hintergrund eines laienhaft erstellten „epic“ Clips zu Computerspielen erwarten würde. Mich langweilt es entsetzlich.
 
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