Anstatt mich gleich so anzufahren, hättest du mir ja auch einfach mal Beispiele nennen oder Videos zeigen können, wo man diese Unterschiede z.B. gut erkennen kann. So ist dein Beitrag leider keine große Hilfe und den hättest du dir auch sparen können.
Da hätte ich einen Vorschlag; es ist aber Arbeit, sich das wirklich mal anzuhören und sich klarzumachen
Schubert hat ein sehr schönes Lied mit Klavierbegleitung geschrieben, das berühmte "Ständchen" "Leise flehen meine Lieder". Liszt hat es dann später zum reinen Klavierstück transkribiert, das ebenfalls sehr schön ist und in diesem Stück kannst Du gigantische Unterschiede hören.
Mein Vorschlag:
Höre dir erstmal das Lied selber an. Den Text findest Du hier:
https://www.a2schools.org/cms/lib/MI01907933/Centricity/domain/2403/deutsch-pdf/LIEDER.pdf
Und eine wundervolle Aufnahme des auch bald 60 Jahre nach seinem Tod unvergessenen Fritz Wunderlich:
Verstehe worum es im Lied geht, höre es 2 oder 3 Mal, so lang ist es ja nicht, achte darauf, was der Sänger mit der Stimme macht, um die Emotion des schmachtenden Mannes, der auf seine Geliebte wartet, zu übertragen.
Und dann höre dir die Klavierversion an.
Als erstes höre dir mal die Einspielung von Paul Barton an.
Paul Barton ist ein YouTuber und spielt sicher nicht auf Konzertniveau (soll heißen: ich wäre froh, seinen Fähigkeiten auch nur nahe zu kommen, aber ich würde nie Geld dafür bezahlen, ihn spielen zu hören). Hier kannst du auch die Noten mitlesen und von allen Einspielungen, die man finden kann spielt er am nächsten an der reinen Notation. Deine Klavierlehrerin würde dieses Spiel wahrscheinlich loben.
Barton
Und jetzt kommen die Profis, höre dir folgende, sehr unterschiedliche Einspielungen an:
Valentina Lisitsa
Bhatia Buniatishvili
Vladimir Horowitz
Du musst sie nicht alle komplett durchhören, wenn du nicht willst. Aber höre wenigstens mal 2 Minuten weit in alle drei rein. Dann höre dir die drei Profis mal parallel zu Barton an, stell also das Bartonvideo und das Video eines der drei Profis auf die gleiche Stelle und höre nur zwei, drei Phrasen von Barton, dann vom Profi. Mach das vor allem mit allen drei Profis.
Achte beispielsweise mal darauf, was sie bei dem A-Dur-Akkord in Takt 9 machen (im Barton-Video bei 0:35, Horowitz 0:20, Buniatishvili 0:28, Lisitza 0:40)
Was ich persönlich höre:
Barton hat spielt für meinen Geschmack viel zu mechanisch; viel zu präzise das, was notiert ist. Langweilig. Wenig Emotion, mit dem Lied Schuberts kann ich das gehörte überhaupt nicht verbinden.
Lisitsa spielt deutlich feiner dosiert als Barton - klar, sie ist technisch um Welten besser. Aber sie spielt eher zurückhaltend. Nicht übermäßig romantisierend, keine extreme Leidenschaft - kann man sich gut anhören, wenn man aber den Gesang von Wunderlich im Ohr hat, fehlt da was.
Buniatishvilis Version gefällt mir sehr gut, beim ersten Hören hätte ich sogar gesagt am Besten. Sie spielt extrem emotional, hat eine ausgeprägtere Agogik und größere Dynamikunterschiede als Lisitsa. Ihr Spiel ist sehr romantisch, verträumt, man könnte fast kitschig sagen, aber das passt doch eigentlich, oder? Ich geb's zu, manchmal mag ich halt Kitsch und Buniatishvili schafft es hier, den ganzen Kitsch und Schmelz, der in einem Konzertflügel steckt rauszukitzeln. Buniatishvili spielt einfach schöner als Barton (und auch als Lisitsa), oder? Was sollte darüber schon noch kommen?
Und dann haut Horowitz rein. Er spielt schneller als die anderen, lauter, stellt die Melodie fast ein bisschen brutal in den Vordergrund. Ich hab die Aufzeichnungen in der oben verlinkten Reihenfolge selber gehört und war - als Horowitz anfing - fast schon ein bisschen erschrocken, wie forsch er nach der verträumten Buniatishvili herangeht. Geht ja gar nicht!
Aber achte auf die Betonungen die er spielt, lies mal parallel zu seinem Spiel den Text des Liedes mit und du erkennst, wie perfekt dieses Solospiel von H. mit dem Lied zusammengeht. So wie H. spielt, kann man es singen, genau mit dem Text, den Schubert gewählt hatte. Es passt - stimmlich wie inhaltlich. Das gerade gehörte und geschätzte Spiel Buniatishvilis bricht auf einmal teilweise zusammen. Wenn ich zu ihrem Spiel über die ersten zwei Zeilen "Leise flehen meine Lieder Durch die Nacht zu dir" hätte singen müssen, hätte ich Atemnot bekommen.
Dennoch ist ihr Spiel emotionsvoll, nur halt komplett anders, sie versucht das Klavier selber singen zu lassen, Horowitz versucht das Klavier einen singenden Menschen imitieren zu lassen (Ergibt das irgendeinen Sinn? Ich weiß einfach nicht, wie ich es besser formulieren soll). Beides ist richtig. Ich hoffe, du hörst gerade bei diesen beiden Versionen, wie unterschiedlich man gefühlvoll spielen kann. Und glaube mir: Beide haben ziemlich sicher jede Ton, der in den Noten spielt zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Lautstärke gedrückt.
Wenn deine Klavierlehrerin verlangt, dass du präzise spielst, was da steht, dürftest Du aber beides nicht machen, wahrscheinlich wäre selbst Barton dann schon raus, denn auch der spielt ja nicht komplett stupide vom Blatt was geschrieben ist.
Verdammt, das ist nun länger geworden als geplant, aber was soll man machen; Freitag Abend, auf Dienstreise Hotelzimmer, nix zu tun, da komm ich dann auch schonmal ins Schwafeln :)