Troubadix
Dorfpolizist
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Da wir das Liszt-Jahr haben, möchte ich ein paar Zeilen über einen Zyklus schreiben, der mir besonders am Herzen liegt, die „Harmonies poétiques et religieuses“.
Als „Wunderkind“ wurde Liszt bereits in seinen frühen Jahren dermaßen überfordert, das in ihm der Wunsch entstand ins Kloster zu gehen. Dieser Wunsch nach Abgeschiedenheit und Ruhe begleitete ihn in einigen Phasen seines Lebens. Die Geheimnisse des Glaubens und eigentümliche Meditationsstücke war für ihn oft eine Flucht vor dem turbulenten Tourneelebens in „Saus und Braus“.
Das Jahr 1827 stellt einen Tiefpunkt im Leben des noch jungen Liszts dar. Die Konzertreisen zerrten an seinen Kräften, sein Vater stirbt und er verliebt sich unglücklich in Caroline de Saint-Cricq, da die Verbindung als nicht standesgemäß galt. Liszt fällt daraufhin in schwere Depressionen und zieht sich so sehr aus der Öffentlichkeit zurück, dass die Presse ihn sogar für tot hält. Stattdessen wächst in Liszt ein unbändiger Wissensdrang. Er füllt seinen Geist mit allem, was er ihm schuldig geblieben ist und schafft sich einen Freundeskreis aus Schriftstellern, Malern, Intellektuellen und Komponisten. Zu den bekanntesten gehören Berlioz, Chopin, Sand, Balzac, Hugo, Lamartine, Lamennais und es entsteht eine große Bewunderung für Paganini. Viele dieser geistigen Anregungen führen zu Bearbeitungen der Werke anderer Komponisten, zu ersten Opernfantasien und sind später die Grundlage für die „Harmonies poétiques et religieuses“.
Die Stücke entstanden zwischen 1845 und 1852. Vorlage war der gleichnamige Gedichtzyklus des französischen Schriftstellers Alphonse de Lamartine, dem auch das Motto entnommen ist: „Diese Verse wenden sich nur an eine kleine Zahl.“
Neben den „Consolations“ wurden insbesondere diese zehn Klavierstücke zum Zeugnis jener eigentümlichen Durchdringungen sinnlicher und religiöser Gefühlsteigerung, die sich bei Liszt oft in der Ähnlichkeit der Höhepunkepisoden sowohl liebesbezogen, als auch andachtsgeprägter Kompositionen äußert. Sie beinhalten eine Art Predigt, als ob Liszt sich an die Massen wendet und dabei doch im Grunde zu Gott spricht.
Neben konzertanter Einkleidung liturgischer Formen wie „Ave Maria“, „Pater noster“, „Miserere“ (nach Giovanni Pierluigi da Palestrina) und „De profundis“ (in „Pensées des morts“, Totengedenken) stehen pompöse Staffagen („invocation“) und der Tribut an den milden Geist der französischen religiösen Dichtung der 50er Jahre („Hymne de l’enfant à son réveil“). An die im Jahre 1849 vollendeten „Consolations“ schließt das „Andante lagrimoso“ nach Lamartines Gedicht „Eine Träne oder die Tröstung“ an.
„Bénédiction de Dieu dans la solitude“ (Gottessegen in der Einsamkeit) markiert den Höhepunkt in Liszts religiös geprägter Klavierliteratur und vereint eindrucksvoll Innigkeit der Empfindung und pastoral-gütiges Gleichmaß der Bewegung. In ungetrübtem Dur und breitem Bogen entwickelt sich ein schlichter Gesang unter sanften, eine harfe imitierenden Achteln der rechten Hand. Ihre stets zweistimmige Partie besteht aus einem Obertriller und diatonischen Arpeggien und erzeugt somit die fast impressionistische Wirkung flimmernder Luft.
Im Oktober 1849 komponierte Liszt das berühmteste Stück der Reihe und eines seiner berühmtesten Stücke überhaupt, die Funérailles. Da im Oktober 1849 sein guter Freund Chopin verstarb und das Oktaven-Ostinato im Mittelteil an Chopins Polonaise op.53 erinnert lag die Vermutung nahe, das Stück sei als Trauermarsch für Chopin gedacht. Liszt selber dementierte das jedoch und stellte klar, dass dieses Stück seinen Freunden gewidmet ist, die der Revolution gegen die Habsburger 1848 zum Opfer fielen. Dabei handelt es sich um Prinz Felix Lichnowsky, Graf László Teleki und Graf Lajos Batthyány, der am 06. Oktober 1849 hingerichtet wurde. In dumpfen Glockenschlägen der Einleitung erlebt man geradezu naturalistische Klangeffekte. An den Trauermarsch der „Eroica“ aus den „Großen Etüden“ scheint dann das schleppende Bassthema anzuknüpfen. Das still klagende Seitenthema bleibt seinem engen intervallrahmen verhaftet und kreist wie gebannt um den Ton „c“. Ein Fanfarenmotiv bestimmt die immer kompaktere Mittelstrecke, bis in stählernem Oktav-Unisono das Marschthema auf wuchtenden Akkordschlägen zurückkehrt. Einen letzten Gruß sendet die wehmütige Kantilene in der Coda nach.
Ein absolutes Lieblingsstück von Liszt, das er noch in seinen späten Jahren gerne spielte, aber heute erstaunlicher Weise so gut wie keine Beachtung findet ist der „Cantique d’amour“ (Lobgesang der Liebe). Dieses E-Dur-Andante im sanften 3/4-Takt auf Triolengrund entfaltet den vollen Klangzauber einer zuerst als Daumenmelodie vorgestellten Kantilene bis zum erblühenden Hohelied mit der für Liszt typischen Steigerung durch Akkordvibrato und blitzenden Passagen im frenetischen Rahmen- und Begleitwerk. Anklänge an den „Liebestraum“ werden hier hörbar.
Obwohl eines der Stücke zu den bekanntesten gehört die Liszt je geschrieben hat und von vielen der großen (Rubinstein, Argerich, Horowitz, Brendel, Kissin…) gespielt wurde, ist der gesamte Zyklus eher unbekannt und wird in seiner Gesamtheit von den großen Pianisten gemieden. Brendel hat zumindest vier der Stücke eingespielt. Ich hoffe, dass ich den einen oder anderen dazu bewegen konnte, mal einen Blick hineinzuwerfen.
1. Invocation
2. Ave Maria
3. Bénédiction de Dieu dans la solitude
4. Pensées des morts
5. Pater noster
6. Hymne de l’enfant à son réveil
7. Les Funérailles
8. Miserere d’après Palestrina
9. Andante lagrimoso
10. Cantique d’amour
Viele Grüße!
Als „Wunderkind“ wurde Liszt bereits in seinen frühen Jahren dermaßen überfordert, das in ihm der Wunsch entstand ins Kloster zu gehen. Dieser Wunsch nach Abgeschiedenheit und Ruhe begleitete ihn in einigen Phasen seines Lebens. Die Geheimnisse des Glaubens und eigentümliche Meditationsstücke war für ihn oft eine Flucht vor dem turbulenten Tourneelebens in „Saus und Braus“.
Das Jahr 1827 stellt einen Tiefpunkt im Leben des noch jungen Liszts dar. Die Konzertreisen zerrten an seinen Kräften, sein Vater stirbt und er verliebt sich unglücklich in Caroline de Saint-Cricq, da die Verbindung als nicht standesgemäß galt. Liszt fällt daraufhin in schwere Depressionen und zieht sich so sehr aus der Öffentlichkeit zurück, dass die Presse ihn sogar für tot hält. Stattdessen wächst in Liszt ein unbändiger Wissensdrang. Er füllt seinen Geist mit allem, was er ihm schuldig geblieben ist und schafft sich einen Freundeskreis aus Schriftstellern, Malern, Intellektuellen und Komponisten. Zu den bekanntesten gehören Berlioz, Chopin, Sand, Balzac, Hugo, Lamartine, Lamennais und es entsteht eine große Bewunderung für Paganini. Viele dieser geistigen Anregungen führen zu Bearbeitungen der Werke anderer Komponisten, zu ersten Opernfantasien und sind später die Grundlage für die „Harmonies poétiques et religieuses“.
Die Stücke entstanden zwischen 1845 und 1852. Vorlage war der gleichnamige Gedichtzyklus des französischen Schriftstellers Alphonse de Lamartine, dem auch das Motto entnommen ist: „Diese Verse wenden sich nur an eine kleine Zahl.“
Neben den „Consolations“ wurden insbesondere diese zehn Klavierstücke zum Zeugnis jener eigentümlichen Durchdringungen sinnlicher und religiöser Gefühlsteigerung, die sich bei Liszt oft in der Ähnlichkeit der Höhepunkepisoden sowohl liebesbezogen, als auch andachtsgeprägter Kompositionen äußert. Sie beinhalten eine Art Predigt, als ob Liszt sich an die Massen wendet und dabei doch im Grunde zu Gott spricht.
Neben konzertanter Einkleidung liturgischer Formen wie „Ave Maria“, „Pater noster“, „Miserere“ (nach Giovanni Pierluigi da Palestrina) und „De profundis“ (in „Pensées des morts“, Totengedenken) stehen pompöse Staffagen („invocation“) und der Tribut an den milden Geist der französischen religiösen Dichtung der 50er Jahre („Hymne de l’enfant à son réveil“). An die im Jahre 1849 vollendeten „Consolations“ schließt das „Andante lagrimoso“ nach Lamartines Gedicht „Eine Träne oder die Tröstung“ an.
„Bénédiction de Dieu dans la solitude“ (Gottessegen in der Einsamkeit) markiert den Höhepunkt in Liszts religiös geprägter Klavierliteratur und vereint eindrucksvoll Innigkeit der Empfindung und pastoral-gütiges Gleichmaß der Bewegung. In ungetrübtem Dur und breitem Bogen entwickelt sich ein schlichter Gesang unter sanften, eine harfe imitierenden Achteln der rechten Hand. Ihre stets zweistimmige Partie besteht aus einem Obertriller und diatonischen Arpeggien und erzeugt somit die fast impressionistische Wirkung flimmernder Luft.
Im Oktober 1849 komponierte Liszt das berühmteste Stück der Reihe und eines seiner berühmtesten Stücke überhaupt, die Funérailles. Da im Oktober 1849 sein guter Freund Chopin verstarb und das Oktaven-Ostinato im Mittelteil an Chopins Polonaise op.53 erinnert lag die Vermutung nahe, das Stück sei als Trauermarsch für Chopin gedacht. Liszt selber dementierte das jedoch und stellte klar, dass dieses Stück seinen Freunden gewidmet ist, die der Revolution gegen die Habsburger 1848 zum Opfer fielen. Dabei handelt es sich um Prinz Felix Lichnowsky, Graf László Teleki und Graf Lajos Batthyány, der am 06. Oktober 1849 hingerichtet wurde. In dumpfen Glockenschlägen der Einleitung erlebt man geradezu naturalistische Klangeffekte. An den Trauermarsch der „Eroica“ aus den „Großen Etüden“ scheint dann das schleppende Bassthema anzuknüpfen. Das still klagende Seitenthema bleibt seinem engen intervallrahmen verhaftet und kreist wie gebannt um den Ton „c“. Ein Fanfarenmotiv bestimmt die immer kompaktere Mittelstrecke, bis in stählernem Oktav-Unisono das Marschthema auf wuchtenden Akkordschlägen zurückkehrt. Einen letzten Gruß sendet die wehmütige Kantilene in der Coda nach.
Ein absolutes Lieblingsstück von Liszt, das er noch in seinen späten Jahren gerne spielte, aber heute erstaunlicher Weise so gut wie keine Beachtung findet ist der „Cantique d’amour“ (Lobgesang der Liebe). Dieses E-Dur-Andante im sanften 3/4-Takt auf Triolengrund entfaltet den vollen Klangzauber einer zuerst als Daumenmelodie vorgestellten Kantilene bis zum erblühenden Hohelied mit der für Liszt typischen Steigerung durch Akkordvibrato und blitzenden Passagen im frenetischen Rahmen- und Begleitwerk. Anklänge an den „Liebestraum“ werden hier hörbar.
Obwohl eines der Stücke zu den bekanntesten gehört die Liszt je geschrieben hat und von vielen der großen (Rubinstein, Argerich, Horowitz, Brendel, Kissin…) gespielt wurde, ist der gesamte Zyklus eher unbekannt und wird in seiner Gesamtheit von den großen Pianisten gemieden. Brendel hat zumindest vier der Stücke eingespielt. Ich hoffe, dass ich den einen oder anderen dazu bewegen konnte, mal einen Blick hineinzuwerfen.
1. Invocation
2. Ave Maria
3. Bénédiction de Dieu dans la solitude
4. Pensées des morts
5. Pater noster
6. Hymne de l’enfant à son réveil
7. Les Funérailles
8. Miserere d’après Palestrina
9. Andante lagrimoso
10. Cantique d’amour
Viele Grüße!
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