Der Grundklang der Wiener Philharmoniker ist meiner Meinung nach auch unpassend
für die Werke Mahlers, an die Kraft der Berliner kommen diese Philharmonisten
meiner Meinung nach lange nicht heran.
Also, Christian XV.,
mit solchen Vergleichen begibst Du Dich auf gefährliches Terrain.
Erstmal zur Ehrenrettung Lennies: Die Aufnahmetechnik in den Zeiten,
als er seine Mahler-Symphonie-Zyklen einstudiert hat, war für heutige Maßstäbe
empörend schlecht. Aber es waren, allen aufnahmetechnischen Mängeln zum Trotz,
Einspielungen aus der angelsächsisch-amerikanischen Welt, von Barbirolli, Bernstein und Solti
(letzterer von Haus aus allerdings Ungar), die den dafür aufnahmewilligen Europäern
überhaupt erst den wilden, undomestizierten Mahler zugänglich gemacht haben.
Bis dato kursierten in Deutschland brave Einspielungen wie die von Rafael Kubelik.
Und was die Wiener Philharmoniker betrifft, so zehren sie von einer anderthalb Jahrhunderte
währenden Aufführungstradition, die im Falle Mahlers so wichtig ist, weil sie ihn geprägt hat
wie sonst garnix: Als junger Student hörte er sie in Opern und Symphoniekonzerten,
während seiner zehnjährigen Zeit als Wiener Hofoperndirektor war er ihr Herr und Meister,
und seine Vorstellungen von Agogik, Oberstimmenverzögerung etc. dürften eher -
um zwei der beliebtesten Klischees zu bemühen - mit österreichischer Schlampigkeit
als mit teutonischer Strenge zu realisieren sein.
Bei Robert Neumann, einem heute leider weitgehend vergessenen österreichisch-jüdischen Schriftsteller,
findet sich eine schöne Beschreibung dieses Phänomens in seinem Buch "Deutschland, deine Österreicher":
...Bruno Walter, als er damals auf der Probe den New Yorker Philharmonikern
in seinem mühseligen Englisch sagte: 'Gentlemen, you play too exact!
Spielen Sie Viennese - den Wiener Ton. Das Geheimnis: Fünfzig Prozent spielen
genau zum Takt, und die andere Hälfte spielt eine halbe Sekunde ungenau'..."
So muß es sein!
Gruß, Gomez
.